In Jena generalüberholt: Das historische Zeiss-Teleskop der Prager Sternwarte

Einzigartiger Zeiss-Doppelrefraktor wieder in Petřín.

Demnächst schon wird das größte und älteste Teleskop der Sternwarte auf dem Prager Petřín wieder der Öffentlichkeit dienen. Zwei Jahre lang wurde es in Jena bei einer Spezialfirma generalüberholt. Mitte April kehrte es unter Begleitung deutscher Techniker wieder an seinen ursprünglichen Ort zurück.

Generalüberholtes Teleskop der Štefánik-Sternwarte | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

In der Hauptkuppel der Štefánik-Sternwarte in Prag betätigt Michael Boer den Schalter und lässt den Kuppelspalt auffahren. Er dürfe das, sagt er, auch wenn der Chef der Sternwarte noch nicht da sei. Denn seine Firma hat das wichtigste und größte Teleskop hier generalüberholt…

„Das ist ein Zeiss-Doppelrefraktor. Eigentliches Baujahr war 1908, ursprünglich aufgestellt in Wien beim Hobby-Astronomen Rudolf König. Es hat zwei Fernrohre, eines mit 18 Zentimetern und das andere mit 21 Zentimetern Öffnungsweite“, so der Ingenieur.

Bei der Firma 4H-Jena-Engineering wurde das Gerät zwei Jahre lang ausgebessert. Und weiter Geschäftsführer Boer:

„Das Gerät haben wir vor genau zwei Jahren abgeholt, komplett restauriert und einen Teil auch modernisiert. Dabei kam es darauf an, den Charakter des Gerätes nicht zu verändern und sein Erscheinungsbild so beizubehalten, dass die Modernisierung nicht groß auffällt, aber trotzdem die Funktion ein bisschen erweitert wird – es wurde nämlich eine elektrische Steuerung eingebaut.“

Konkret bedeutet das für den Betrieb: Man richtet zunächst einmal per Hand eines der beiden Fernrohre auf den Himmelskörper, den man ansehen möchte. Da sich die Erde aber bewegt, reicht das nicht.

Foto: Karolína Burdová,  Tschechischer Rundfunk

„Deshalb wird die Steuerung eingeschaltet und automatisch nachgefahren. Man muss also nicht mehr von Hand nachsteuern. So hat man den Stern oder die Sonne – was man gerade beobachten will – die ganze Zeit per Zielsteuerung im Fokus“, so Boer.

Für die Generalüberholung wurde das Teleskop bis auf die kleinste Schraube auseinandergenommen, und zwar in den Hallen der Firma in Jena. Abbau und Transport waren anspruchsvoll, denn die Gesamtanlage wiegt fünfeinhalb Tonnen. Ein Kran war nötig, um sie aus der Kuppel zu hieven. Und auch, um das Gerät nun Mitte April an seinem angestammten Platz wieder zu installieren.

Technisches Denkmal für die Öffentlichkeit

Es sei erst die zweite Restaurierung des Zeiss-Doppelrefraktors in dessen langer Betriebszeit gewesen, sagt der Leiter der Štefánik-Sternwarte, Tomáš Prosecký, bei einem Gespräch in seinem Büro:

„Die Zeit dafür war langsam reif. Das Gerät ist über einhundert Jahre alt und dient seit 1930 unserer Sternwarte als Hauptteleskop. Die bisher einzige größere Restaurierung fand Mitte der 1970er Jahre statt. Damals war es aber illusorisch, dies im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit zu bewerkstelligen. Daher war nun eine Generalüberholung einfach nötig.“

Tomáš Prosecký | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Ausbesserungsarbeiten haben rund sechs Millionen Kronen (240.000 Euro) gekostet. Da die Sternwarten und Planetarien in der tschechischen Hauptstadt öffentliche Institutionen sind, kam das Geld vom Prager Magistrat. Warum aber hat es Sinn, ein solch altes Gerät umständlich restaurieren zu lassen?

„Für uns hat das Teleskop eine grundlegende Bedeutung und mittlerweile auch eine historische Dimension. Es ist ein wunderschönes technisches Denkmal. Das heißt, es hat sowohl einen faktischen als auch einen symbolischen Wert – schließlich ist es fast seit Beginn des Betriebs der Sternwarte hier“, sagt Tomáš Prosecký.

Auch Michael Boer betont die technische Geschichte:

„Es ist ja auch immer wieder faszinierend, was vor einhundert Jahren schon gebaut wurde und mit welchen primitiven Mitteln das damals geschah. Dabei konnten die Geräte bereits für Beobachtungen im Weltall genutzt werden. Diese Technik zu erhalten und unseren Nachkommen zu zeigen, was unsere Vorfahren schon alles geleistet haben, das ist eigentlich das Faszinierende.“

Michael Boer,  Zeiss-Doppelrefraktor | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

Und sein Kollege Manfred Koch ergänzt:

„Die Konstrukteure von Zeiss, die diese Geräte entwickelt haben, haben damals Pionierarbeit geleistet in der Astronomie. Das bildet die Grundlage für alle Geräte, die heutzutage im Weltraum zu Erkenntnissen führen.“

4H-Jena-Engineering wurde 1994 gegründet und hat 2004 vom Hersteller Carl Zeiss das Geschäftsfeld übernommen, astronomische Großgeräte zu warten und auszubessern. Michael Boer betont daher:

„Unseres Wissens nach sind wir fast die Einzigen in Europa, die so etwas machen. Wir haben daher schon eine ganze Menge an Geräten restauriert. Es gibt nicht sehr viele Firmen, weil das Segment relativ klein ist und es lange dauert, bis solch eine Überholung in Auftrag gegeben wird. Wir haben uns darauf spezialisiert und machen das seit 20 beziehungsweise 30 Jahren. Es kommen immer wieder neue Geräte, und das ist faszinierend. Das reicht von solchen Großgeräten wie hier bis zu kleinen Fernrohren.“

Geldsammlung für den Kauf

Beim Zeiss-Doppelrefraktor in Prag handelt es sich laut Tomáš Prosecký im Übrigen um den einzigen aus dieser Reihe, der immer noch in Betrieb ist. Dabei habe es sieben weitere gegeben, sagt der Leiter der Sternwarte. Die Geschichte seiner Beschaffung ist ebenfalls interessant…

Fernrohre des Zeiss-Doppelrefraktors | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

„Das Teleskop wurde in Jena hergestellt – also dort, wo es jetzt auch ausgebessert wurde. Gefertigt wurde es für den Wiener Selenographen Rudolf König. Nach seinem Tod wusste die Witwe nicht so recht, was sie mit dem Gerät anfangen soll. Zufälligerweise suchte gerade die Tschechische Astronomische Gesellschaft nach einem zentralen Beobachtungsgerät für die damals neu gebaute Štefánik-Sternwarte. Deswegen kam das Teleskop hierher. Um den Kauf zu finanzieren, wurde eine Geldsammlung veranstaltet wie für das Nationaltheater in Prag im 19. Jahrhundert. Denn das Gerät kostete rund 100.000 damalige Kronen, was nicht gerade wenig war. Selbst Staatspräsident Masaryk spendete für die Anschaffung oder auch der Verlag Melantrich und das Geldhaus Živnobanka“, so Prosecký.

Seitdem haben die Prager eine eigene Beziehung nicht nur zur Sternwarte auf dem Petřín aufgebaut, sondern auch zu dem heute größten und ältesten Teleskop dort. Das hat ebenfalls Michael Boer beobachten können:

„In Prag haben wir festgestellt, welch großes Interesse an dem Gerät herrscht – was da an Menschen hier war, die beobachtet haben, wie wir es abgebaut haben... Auch jetzt, als wir es wiederhergebracht haben, gab es einen Menschenauflauf.“

Neues elektronisches Teleskop

Allerdings ist das Teleskop in seiner Anwendungsbreite heutzutage eingeschränkt – anders als noch Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahren bei seiner Installation. Deswegen hat die Sternwarte nicht nur die Restaurierung des alten Apparats, sondern auch die Entwicklung eines neuen, hochmodernen elektronischen Gerätes vornehmen lassen. Tomáš Prosecký erläutert:

„Das Teleskop in der Hauptkuppel, das nun zu uns zurückgekehrt ist, leistet zwar bei der Beobachtung heller Himmelskörper einen guten Dienst, also vor allem beim Mond, der Sonne und den Planeten. Bei den nicht so stark leuchtenden Objekten besteht aber mittlerweile das Problem, dass wir uns fast im Zentrum Prags befinden. Als die Sternwarte vor fast einhundert Jahren entstand, lag sie noch am Rand der Stadt. Prag ist allerdings stark weitergewachsen, sodass der Lichtsmog die Beobachtungsmöglichkeiten an diesem Ort beeinträchtigt. Genau für diese Gegebenheiten wurde ein elektronisches Teleskop entwickelt, das wir während der Zeit der Restaurierung in der Hauptkuppel aufgestellt hatten. Es ermöglicht ein sehr viel besseres Bild als ein klassisches Gerät bei der Beobachtung von sogenannten Deep-Sky-Objekten. Das neue Teleskop wurde nun demontiert, wird aber ab Jahresmitte in der westlichen Kuppel wieder in Betrieb genommen.“

Unter dem englischen Begriff „Deep Sky“ sind all jene Himmelsobjekte zusammengefasst, die sich außerhalb unseres Sonnensystems befinden, aber keine einzelnen Sterne sind. Unter anderem sind dies Sternenhaufen, Nebel und Galaxien.

Das große, alte Teleskop hat im Übrigen zwei Fernrohre. Eines davon dient der Sonnenbeobachtung. Jürgen Heyne ist Bereichsleiter Astro bei der 4H-Jena-Engineering und erläutert:

„Das Sonnenbild wird auf diesen weißen Schirm projiziert. Und dort sieht man letztendlich die Sonne mit ihren entsprechenden Ausbrüchen als Schwarz-Weiß-Bild.“

Erstmals nach zwei Jahren können dies die Besucher der Sternwarte am Samstag, den 4. Mai, wieder erleben. Der Termin wurde mit Bedacht gewählt. Denn damit werden gleich zwei Jubiläen begangen: 105 Jahre seit dem Tod des tschechoslowakischen Staatsgründers Rastislav Štefánik, der auch Namensgeber des astronomischen Observatoriums war, sowie 95 Jahre seit der ersten Öffnung dieser Beobachtungsstelle für Besucher.

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