Ausstellungen zu Jan Hus zeigen Leben und Werk des Kirchenreformators
Zum 600. Todestag des Kirchenreformators Jan Hus wurden und werden an mehreren Orten Tschechiens, besonders aber in Prag, zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt. Zuvorderst steht eine ganze Reihe von Ausstellungen zu Leben, Werk und Vermächtnis des christlichen Theologen und Predigers aus dem Mittelalter. Zwei Expositionen – eine im Nationalmuseum in Prag und die zweite im Hussitenmuseum in Tábor – ragen noch etwas heraus.
„Wir haben versucht, Exponate auszuwählen, die sich direkt auf die Persönlichkeit von Jan Hus beziehen und die zudem einzigartig sind. Und zwar einzigartig darin, wie gut sie erhalten sind, oder aber darin, dass sie die Öffentlichkeit bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hat. In unserer Ausstellung stößt man also auf viele Gegenstände, die bisher noch nirgends zu sehen waren.“
Dazu gehört die Hussitenbibel, bekannt auch als sogenannter Jenaer Kodex, die vor feuchter Luft geschützt werden muss und deswegen nur die ersten vier Tage ausgestellt war. Laut Musílek sind aber noch andere Kostbarkeiten zu sehen:„Sicher muss hier zunächst die Zeichenstudie zu dem berühmten Ölgemälde ‚Hussitenpredigt‘ des deutschen Malers Carl Friedrich Lessing aus dem Jahr 1836 genannt werden. Hinweisen möchte ich zudem auf das einmalige Glasmosaik mit einer eingravierten Szene von der Verbrennung Jan Hus´, das aus der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert stammt, sowie auf Gegenstände aus der Kerkerzelle von Hus in Konstanz, und zwar eine Fliese der Zelle und eine Kopie des Kerkerfensters.“
Das traurige Schicksal von Jan Hus war über Generationen hinweg ein ständiges Thema, mit dem man sich auseinandergesetzt hat. Und wie wird der Kirchenreformator heute in der tschechischen Gesellschaft wahrgenommen? Martin Musílek:„Wenn man zu Grunde legt, dass die tschechische Nation eine ganze Reihe von Persönlichkeiten hat, nimmt Hus eine ganz besondere Stellung ein, und zwar wegen seiner sittlichen Haltung. Es mag zwar wie ein Klischee klingen, doch für seine Ansichten war er bereit, sein Leben zu opfern. Ich denke, dies ist ein moralisches Prinzip, das beispielhaft ist.“
In der tschechischen Bevölkerung der Gegenwart ist es allerdings schwierig, solch große Persönlichkeiten zu entdecken. Deshalb hat Musílek auch eine verblüffende Antwort parat auf die Frage, welche Menschen seiner Meinung nach einem Hus heutzutage am nächsten kämen:„Meiner Meinung nach werden Persönlichkeiten vom Schlage eines Jan Hus heutzutage durch bedeutende Sportler ersetzt. Ich denke da zuerst an die Eishockeyspieler, von denen einige wie beispielsweise Jaromír Jágr den Status eines Volkshelden haben. Ich denke aber, dass sie nicht immer zu Recht ein Ersatz für die wirklich Großen der tschechischen Geschichte sind.“
Martin Musílek meint damit, ihnen fehle die moralische Stärke, die Jan Hus zueigen war. Mit Fußball-Legende Josef Masopust ist jedoch erst jüngst ein ehemaliger Sportler verstorben, der auch diese Eigenschaft besaß.
Historiker Smrčka: Vermächtnis von Hus lebt bis heute weiter
Entgegen der Prager Exposition, die am kommenden Sonntag bereits geschlossen wird, können Besucher die Ausstellung des Hussitenmuseums in Tábor noch bis zum 31. Oktober besichtigen. Und diese Ausstellung, die fast 100 Exponate zählt, hat auch etwas ganz Besonderes zu bieten, sagt Museumsdirektor Jakub Smrčka:„Die wohl größte Kuriosität unserer Exposition ist ein Ausstellungsstück von nur geringem Gewicht. Es ist ein Textilfragment von dem Mantel, den Hus einst getragen haben soll. Dieses Exponat haben wir uns vom Unterlinden-Museum im elsässischen Colmar ausgeliehen. Man muss jedoch sagen, dass der Ursprung dieses Gewebes, auch wenn es aus dem Mittelalter stammt, nicht ganz genau zu bestimmen ist. Wir können also nicht mit Sicherheit behaupten, dass es tatsächlich von Hus´ Mantel stammt. Aber es ist ein Kleidungsstück, das in einem Gedenksaal des Konzils in Konstanz zu Beginn des 19. Jahrhunderts präsentiert wurde als ein Stück vom Mantel des Jan Hus. Nun ist es zum ersten Male in der Tschechischen Republik ausgestellt.“
Neben dem Textilfragment vom Mantel des Jan Hus aber gibt es noch viele weitere Originalstücke zu bestaunen. Dazu gehörten zum Beispiel die großformatige Autorenskizze des Malers Václav Brožík zu seinem monumentalen Gemälde „Jan Hus vor dem Konstanzer Konzil“ aus dem Jahre 1883 sowie drei kostbare Tafelmalereien mit dem Bildnis von Jan Hus aus drei tschechischen Sammlungen. Von den 25 Leihgaben kommen zahlreiche aus dem Ausland, davon mehrere aus Deutschland, ergänzt Jakub Smrčka:„Eine ganze Reihe von Exponaten stammt aus dem Umfeld der deutschen Reformation. Dazu gehören verschiedene Grafiken mit einem Hus-Bildnis und alte Drucke wie beispielsweise die imposante Edition der Schriften von Jan Hus und von Jeroným Pražský aus dem Jahre 1558.“
Die Ausstellung im Alten Rathaus von Tábor sei wesentlich umfangreicher als die Prager Exposition. Darauf sei er sehr stolz, bemerkt Museumsdirektor Smrčka. Und auch über den Kirchenreformator Jan Hus spricht der Historiker voller Wertschätzung:„Ich schätze Jan Hus als Person wirklich sehr, und je mehr ich mich mit ihm beschäftige, umso mehr steigt meine Hochachtung vor seiner persönlichen Haltung sowie der Aura, die ihn umgab. Ich denke, dass er als Mensch natürlich auch seine Fehler hatte, doch er hat es ebenso verstanden, an sich zu arbeiten und seine Fehler zu akzeptieren. Seine Haltung in der damaligen Gesellschaft und sein Engagement erachte ich als eine grundlegende Notwendigkeit. Ich will jetzt aus Hus keinen neuzeitlichen Heiligen machen, doch meine persönliche Meinung geht in diese Richtung. Bei aller Ausgewogenheit in der Sicht auf ihn und seine Person müssen wir aus historischem Blickwinkel indes anerkennen: Hus war eine Persönlichkeit, die, wenn sie Wasser predigte, auch Wasser trank.“
Mit einem Augenzwinkern fügt Smrčka an, dass Hus natürlich auch Wein getrunken habe, wenn er ihn gepredigt habe. Grundsätzlich aber sieht er ihn so:„Hus war ein Mensch, der sich in seiner Haltung und in seiner Überzeugung selbst treu geblieben ist. Mit Sicherheit aber war er keiner, der bewusst die Autorität der Kirche untergraben wollte – der Tatbestand also, für den er vom Konzil verurteilt wurde. Das war auf keinen Fall seine Absicht. Im Gegenteil, er wollte die Kirche reformieren und damit verbessern.“
Wie so viele Historiker vor ihm hat sich Smrčka auch eingehend mit der mehr oder weniger herausgehobenen Stellung befasst, die Jan Hus in den einzelnen Epochen für die jeweilige Gesellschaft im heutigen Tschechien hatte. Seiner Meinung nach ist die Sicht auf Hus in der tschechischen Gesellschaft – beginnend mit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – nach wie vor sehr ambivalent. Dennoch habe ihn erst jüngst eine journalistische Erhebung gefreut und darin bestärkt, dass das Vermächtnis von Jan Hus weiterlebt:
„Ich denke, dass die heutige tschechische Gesellschaft an Hus interessiert ist und auch mehr über ihn erfahren will. Ich habe von einem ihrer Journalistenkollegen gehört, dass er neulich vor dem Hus-Denkmal auf dem Altstädter Ring in Prag eine Umfrage gemacht habe mit dem Ziel, zu erfahren, was die Leute über den Kirchenreformator wissen. Er hatte erwartet, dass ihm – wie sonst üblich – kaum jemand etwas zu Hus sagen könne. Dann aber habe er feststellen können, dass viele Menschen über Jan Hus Bescheid wussten. Einige von ihnen hätten sogar gesagt, dass er ihr Vorbild sei und dass sie ihn sehr schätzten.“