Ballettgala, Rockmusik und der Duft von Gänsekeulen: Boskovice feiert sein 800. Jubiläum
Die Stadt Boskovice / Boskowitz in Mähren feiert in diesem Jahr ihr 800. Jubiläum. Wie sehen die Feierlichkeiten aus? Und was hat der Ort zu bieten, wenn gerade kein Jahrestag ansteht?
Mit Bedřich Smetanas symphonischer Dichtung „Má vlast“ („Mein Vaterland“) wird einer der Höhepunkte des Stadtjubiläums von Boskovice begangen. Dass man feiern kann, hängt historisch gesehen eigentlich mit einer unwesentlichen Kleinigkeit zusammen, erklärt Ondřej Dostál im Interview für Radio Prag International. Er leitet das Kulturamt der Stadt:
„Genau am 26. August 1222 wurde ein Dokument von Ottokar I. Přemysl und einem gewissen Emmeram von Boskowitz unterzeichnet. Deshalb wissen wir, dass es eine Siedlung mit dem Namen Boskovice gab, die einen Herren namens Emmeram hatte.“
800 Jahre und einen Tag nach der Ersterwähnung der Stadt kommt es nun also zum Konzert der Janáček-Philharmonie Ostrava / Ostrau mit der Musik von Smetana. Bei der Veranstaltung am 27. August wird zudem ein neues Buch vorgestellt, das die 800-jährige Geschichte von Boskovice näherbringt. Gefeiert wird aber bereits ab diesem Freitag – und das über mehrere Tage hinweg.
„Es gibt eine Woche lang ein sehr buntes Programm“, sagt Ondřej Dostál. „Den Anfang macht eine kleine, aber feine Ausstellung in unserem Kulturzentrum Sokolovna. Die Schau trägt den Titel ‚Das industrielle Boskovice‘, ich nenne sie aber auch ‚Expo Boskovice‘. Im Rahmen der Ausstellung stellen wir Unternehmen und Firmen von hier vor. Denn auch wenn wir als Kulturstadt gelten, gibt es hier viele Industriebetriebe.“
Ondřej Dostál zufolge gab es bereits vor 100 Jahren eine ähnliche Exposition, und genau daran möchte man nun anknüpfen. Doch Boskovice ist und bleibt für die meisten wohl eine Kulturstadt. Dem wird man etwa mit einer Ballettgala am 21. August gerecht:
„Das wird eine große Veranstaltung. Ich denke, etwas Derartiges hat es in Boskovice noch nie gegeben. Bei uns werden die Solisten und Solistinnen des Balletts des Prager Nationaltheaters auftreten. Der Grund dafür ist Augustin Berger, der in unserer Stadt geboren wurde. Er hat das moderne tschechische Ballett begründet, und in den 1920er Jahren leitete er das Ensemble des Nationaltheaters. Außerdem hat er weitere Tanzgruppen angeführt und ist etwa in der Metropolitan Opera in New York aufgetreten.“
Aber auch für diejenigen, denen Ballett eher weniger zusagt und die stattdessen härtere Töne bevorzugen, hält das Festprogramm etwas bereit. So tritt am 25. August die Rockband Pražský výběr auf.
Gänse aus Boskovice: Einst für die Feinschmecker in Wien, heute für jedermann
Die Feierlichkeiten zum 800. Jubiläum der Stadt können also mit einem umfangreichen Programm aufwarten. Doch das ist nicht die einzige Veranstaltung, mit der die Stadt Besucher von nah und fern herbeilocken will. So findet im September das alljährliche Gänsefest statt. Was hat es damit aber auf sich?
„Ich nenne das Gänsefest immer ‚festliches Fressgelage‘“, schmunzelt Dostál. „Ich liebe die Veranstaltung wirklich sehr. Ich bin selbst in Boskovice geboren und habe mit einigen Unterbrechungen immer hier gelebt. Das Gänsefest hat hier seine Tradition, wir feiern es nun schon zum 19. Mal. Damit wird an die Gänsezucht in unserer Stadt erinnert. Das Federvieh wurde nicht nur auf dem Markt gehandelt, sondern im 19. Jahrhundert auch nach Wien gebracht für die dortigen Feinschmecker.“
Und natürlich wird bei den Festlichkeiten vor allem Gans gegessen…
„In diesen zwei bis drei Tagen riecht ganz Boskovice nach Gänsekeule. In fast jedem Restaurant bekommt man einen Schenkel, dazu Kraut und Knödel. Natürlich veranstalten wir auch einen Wettbewerb, in welchem Lokal dieses Gericht am besten schmeckt. Überall kann man geschmacklich etwas Neues entdecken. Mal wird die Gans klassisch, mal modern zubereitet.“
So Ondřej Dostál, der noch ergänzt, dass er sich sehr auf die Feierlichkeiten sehr freue, hinterher jedoch immer mindestens eine Woche leichtere Kost benötige. Doch man könne ja nicht nur essen, sagt Dostál. Von daher sind auch zahlreiche kulturelle Aktionen beim Gänsefest geplant…
„Es wird ebenso ein Musikprogramm geben sowie Veranstaltungen im Schloss für die Kinder. Der größte Star, der anreisen wird, ist die Band Mig 21. Wir hoffen also, dass die Besucher zwischen der Gans zum Mittagessen und der Gans zum Abendbrot auch im Sommerkino vorbeikommen und den Konzerten beiwohnen werden.“
Festival Boskovice: Vom Punkrock-Event zur Veranstaltung für die ganze Familie
Mehr noch als durch das Gänsefest mit seinem Programm aus Kulinarik und Musik ist die mährische Kleinstadt Boskovice bekannt geworden durch ein jährliches Festival. Veranstaltet wird das Festival Boskovice vom Verein Unijazz aus Prag. In diesem Juli war es bereits der 30. Durchgang. Ondřej Dostál erläutert, wie es ursprünglich zu dem Festival kam…
„Das Festival entstand, um das jüdische Viertel hier zu unterstützen. Denn nach 1989 waren die ehemaligen jüdischen Stadtteile in Tschechien in keinem guten Zustand. Mit der Zeit wurde das Festival immer bekannter, und es kamen die Spitzen der alternativen tschechischen Musikszene zu Auftritten her.“
Ondřej Dostál zufolge hat die Veranstaltung ihren Zweck erfüllt und das jüdische Viertel über die Stadtgrenzen hinaus ins Zentrum des Bewusstseins gerückt. Der Charakter des Festivals habe sich im Laufe der Jahre dabei verändert, sagt der Kulturmanager. Früher kamen Punkrocker, doch mittlerweile reisen die Musiker von damals mit ihren Familien an, sodass das Festival Boskovice für Jung und Alt gedacht ist. Auch das Angebot wurde erweitert: Neben Musik gibt es nun Filmvorführungen, Theater, Ausstellungen und vieles mehr. Besonders ist das Event laut Ondřej Dostál aber vor allem aus einem anderem Grund:
„Wenn man von einer Vorführung im Kino zu einem Konzert im Sommerkino geht, dann durchquert man die gesamte Innenstadt. Das Festival findet im Zentrum von Boskovice statt, nicht irgendwo auf einem Flughafen oder irgendeinem Areal außerhalb der Stadt, umgeben von Verkaufsständen.“
Eine Stadt für Kulturinteressierte – und Naturliebhaber
Die Stadt habe aber auch jenseits der Veranstaltungen wie dem Festival viel für Besucher zu bieten, meint Ondřej Dostál:
„Boskovice ist keine sonderlich große Stadt. Hier leben nur etwa 11.500 Menschen. Die Stadt ist aber durch die Verbindung des alten jüdischen Viertels, der Burg- und Schlossareale und der Innenstadt besonders. Das schätzen die Leute sehr.“
So finde man laut Dostál in Boskovice auf einer relativ kleinen Fläche moderne Architektur, aber eben auch das alte jüdische Viertel mit der Synagoge, einem Museum und einem der größten jüdischen Friedhöfe Tschechiens. Zudem sei für Bewegung gesorgt:
„Wenn man sich körperlich ein wenig zu Grunde richten will, kann man auf die Burg hinaufgehen. Das Gelände ist nur 750 Meter vom Stadtkern entfernt, der Weg führt aber steil nach oben. Naturliebhaber können zudem von der Burg aus ein Stück durch den Wald gehen und landen dann im Tal Pilské údolí. Dort gibt es Teiche und den Bach Bělá. Das Gebiet ist nur einen Kilometer vom Stadtrand entfernt, aber es liegt mitten in der Natur“, meint Ondřej Dostál. Dem Kulturmanager zufolge hat die kleine Stadt in Mähren also für jedermann etwas zu bieten. Na dann alles Gute für die nächsten 800 Jahre, Boskovice!
Mehr zum Programm der Feierlichkeiten anlässlich des 800. Jubiläums der Stadt Boskovice erfahren Sie auf der Webseite www.boskovice800.cz. Das Gänsefest findet vom 22. bis zum 25. September statt, mehr dazu unter www.husi-slavnosti.cz. Das Festival Boskovice erwartet wieder im kommenden Jahr Besucher. Mehr zu seiner Geschichte und dem Line-up in diesem Jahr gibt es unter www.boskovice-festival.cz.
