Bargeldlos zahlen in Tschechien boomt – aber manche Gastwirte melden ihre Terminals auch ab
Eigentlich sind die Tschechen neuen Technologien gegenüber sehr aufgeschlossen. Und im Fall von bargeldlosem Zahlen ist das spätestens seit der Corona-Pandemie auch zu spüren. Denn immer mehr Geschäfte und Gastbetriebe akzeptieren Karten. Vertreter der Tourismus-Branche sehen das mit Wohlwollen, weil dies ihrer Meinung nach zur Attraktivität eines Reiselandes beiträgt. Allerdings gibt es gerade in der Gastro-Branche seit Neuestem einen Gegentrend, bei dem Restaurants, Kneipen und Cafés ihre Bezahlterminals wieder abmelden. Zeit also, mal einen Blick auf das bargeldlose Zahlen in Tschechien zu werfen.
Wenn man in Prag auf der Straße nachfragt, trifft man kaum auf ablehnende Stimmen zum bargeldlosen Zahlen.
„Ich zahle gern mit der Girocard, und zwar in 80 bis 90 Prozent der Fälle. Ich habe dann über das Online-Banking einen guten Überblick über meine Ausgaben“, sagt zum Beispiel dieser Mann.
Aber es geht auch noch einfacher, wie bei einem weiteren Passanten:
„Ich zahle lieber mit Karte respektive mit dem Handy – das habe ich immer dabei, und so ist es einfacher.“
Smartphone oder Smartwatch zücken mittlerweile 39 Prozent der Kunden an den Kassen in Tschechien, 2019 lag der Anteil noch bei 19 Prozent.
Gerade in den vergangenen Jahren ist bargeldloses Zahlen hierzulande immer beliebter geworden. Die Corona-Pandemie und die Angst vor einer Ansteckung über den Austausch von Bargeld haben dies befördert. Und zum Beispiel die Gastronomie passt sich zunehmend dem an. Luboš Kastner sitzt im Vorstand der tschechischen Wirtschaftskammer und sagte unlängst in einer Talkrunde des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens:
„In der Gastronomie ist die Akzeptanz von bargeldlosen Zahlungen in diesem Jahr um 13 Prozentpunkte gegenüber dem vergangenen Jahr angestiegen. So kann man mittlerweile in 67 Prozent der gastronomischen Betriebe auch mit Karte die Rechnung begleichen. 2022 waren es noch 54 Prozent und 2019 nur rund 24 Prozent. Und diese Art der Bezahlung wird auch immer beliebter. So steigt der Anteil der digitalen Zahlungen in jenen Restaurants, die Karten akzeptieren.“
Allerdings hinkt Tschechien insgesamt bei den Kartenterminals noch etwas hinterher im europäischen Vergleich. Dies sagt Katarína Kakaliková. Sie leitet den Bereich Business-Entwicklung für die öffentliche Verwaltung bei Mastercard in Tschechien und ergänzt:
„Auch wenn die Infrastruktur für bargeldloses Zahlen in Tschechien vielleicht noch nicht ganz das Niveau des EU-Durchschnitts erreicht hat, wird langsam aber sicher aufgeholt. Auf 1000 Bewohner des Landes entfallen derzeit mindestens 29 Kartenlesegeräte. Der EU-Durchschnitt liegt nur noch leicht höher.“
Vor allem sei die Entwicklung sehr dynamisch, ergänzt ihr Kollege, der Country-Manager von Visa, Petr Polák:
„Dieser Trend wird zunächst dadurch unterstrichen, dass wir dem europäischen Durchschnitt auf den Fersen sind. Vor allem aber zeigt sich dies in der Geschwindigkeit, mit der wir aufholen. Wichtig ist dabei herauszustreichen, dass die technische Qualität im Vergleich mit Westeuropa sehr gut ist. Ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass 100 Prozent der Terminals hierzulande kontaktlos sind und man dort mit Chipkarten und Mobilfunkgeräten zahlen kann.“
Außerdem sei der Einkauf im Internet in den zurückliegenden Jahren beliebter geworden, sagt Polák. Und die tschechischen Händler würden sich dieser Nachfrage anpassen…
„Immer mehr Händler machen Online-Shops auf und bieten dort die Bezahlung per Karte als Möglichkeit an. Die Anbieter erweitern dadurch ihren Markt ganz bedeutend, weil sie nicht mehr nur um tschechische Kunden buhlen, sondern auch um die Verbraucher in den Nachbarstaaten. Passend dazu bieten diese E-Shops auch entsprechende Sprachvarianten. Das heißt: Mittlerweile verkaufen viele tschechische Händler auch nach Deutschland, nach Polen und natürlich in die Slowakei“, sagt Polák.
Abmeldungen trotz Boom
Diese Entwicklung zumindest mitbefördert hat eine Initiative, die vor drei Jahren – also zur Corona-Zeit – gestartet wurde. Sie nennt sich Česko platí kartou (Tschechien bezahlt mit Karte) und wird von Banken, den beiden genannten Kreditkartenanbietern, dem Industrie- und Handelsministerium sowie von Branchenverbänden getragen. Die Händler erhalten im Rahmen der Initiative für ein halbes Jahr kostenlos ein Bezahlterminal.
Allerdings gibt es seit einigen Monaten auch eine gegenläufige Tendenz: Vor allem gastronomische Betriebe melden ihre Geräte vermehrt wieder ab. So wie etwa die beliebte Konditorei Mlsná holka (auf Deutsch in etwa Naschkatze) im Stadtzentrum von Brno / Brünn.
„Die meisten Geldtransaktionen haben wir per Karte abgewickelt. Aber die Konditionen der Banken haben dem nicht entsprochen, und wir haben weiterhin denselben Anteil an Gebühren an sie abführen müssen. Das lief dann im Laufe eines Jahres auf rund 90.000 Kronen hinaus“, so Hana Pokorná, die Eigentümerin der Konditorei.
90.000 Kronen entsprechen derzeit etwa 3670 Euro. Weil sich das für ein kleines Unternehmen wie ihres nicht rechnete, meldete Pokorná für 2023 das Karten-Terminal ab.
Visa-Country-Manager Polák kann jedoch nicht erkennen, dass sich dieser Gegentrend in der Gastronomie auch in Zahlen niederschlägt:
„Der Zuwachs bei der Gesamtzahl an Terminals in Tschechien widerspricht der These, dass das Interesse abgekühlt wäre. Ganz im Gegenteil. Die Zahl steigt schon seit längerem ohne irgendeinen Einbruch. Aber wir haben natürlich auch im Sommer dieses Narrativ mitbekommen. Und meist wurden dabei die Gebühren als Grund genannt. Dazu sollte man sagen, dass die durchschnittliche Höhe der Gebühren bei einem Prozent des Transaktionswertes liegt. Die Frage ist, ob dies wirklich so hohe Kosten darstellt, oder ob nicht vielleicht andere Gründe dahinterstehen und dies eher als Vorwand genannt wird.“
Kein Umtausch nötig
In einem Bereich erweisen sich digitale Zahlungsmethoden auch als Wettbewerbsvorteil – nämlich beim Incoming-Tourismus. Jan Herget leitet die tschechische Fremdenverkehrszentrale Czech Tourism:
„Das ist sehr wichtig. Erstens haben wir hierzulande ja noch die tschechische Krone und nicht den Euro. Man muss also kein Geld wechseln, und die Touristen sind zufrieden, wenn sie einfach mit der Karte bezahlen können. Und zweitens ist es auch sehr viel einfacher. Mit Bargeld kann man nur das ausgeben, was man im Portemonnaie auch hat. Wenn man mit der Karte zahlt, dann besteht da keine Grenze.“
Und Petr Polák von Visa ergänzt…
„Ich denke, dass die Möglichkeit, mit Karte zu zahlen, zu den grundlegenden Erwartungen eines ausländischen Touristen in Tschechien zählt. Und logischerweise bedeutet dieser Service am Kunden für den Betreiber, den Händler oder Gastronomen, dass er mehr umsetzen kann. Für den Touristen ist es eine Erleichterung, weil er nicht umrechnen oder etwa nach einer Bank beziehungsweise Wechselstube suchen muss. Die Karte ermöglicht ihm stattdessen, bequem gleich im Laden zu zahlen.“
Ob dies allerdings auch die kostengünstigere Variante sei, liege an den jeweiligen Bedingungen, die die Bank des Reisenden biete, schließt der Country Manager. Viele Kreditinstitute hätten sich aber gut auf die Bedürfnisse von Reisenden eingestellt, meint Polák.
Händler seien allerdings nicht gezwungen, Karten zu akzeptieren, sagt Petr Šmelhaus. Er leitet die Rechtsabteilung der Verbraucherschutzorganisation dTest. Bargeld dürfe hingegen nur in Ausnahmefällen abgelehnt werden, so der Jurist:
„Die Händler müssen Bargeld annehmen, das ist ihre gesetzlich geregelte Pflicht. Dabei bestehen nur kleine rechtliche Ausnahmen: Wenn man mehr als 50 Münzen auf den Kassentisch legt, muss der Händler diese nicht annehmen. Auf der anderen Seite darf der Händler einen Mindestpreis definieren, ab dem er erst Karten akzeptiert. Und zwar, weil diese Bezahlweise für ihn teuer ist.“
Im Übrigen gab es schon zweimal den Versuch von Politikern unterschiedlicher Couleur, ein Grundrecht auf Barzahlung in der tschechischen Verfassung zu verankern. Beide Male scheiterte die Initiative aber schon in den Anfängen.