„Basis für Binnenreeder“ – Tschechischer Hafen in Hamburg und die Tauschoption
Tschechien hat einen Teil des Hafens in Hamburg gepachtet. Bauprojekte für Olympia könnten jedoch den Zugang zu den Anlegestellen unmöglich machen. Deswegen hat die Hansestadt dem tschechischen Staat ein Angebot gemacht: das Hafengelände zu tauschen. Demnächst nehmen beiden Seiten konkrete Verhandlungen auf. Welche Vorstellungen hat man in Hamburg? Und was haben die Prager mit dem Hafen vor? Dazu unter anderem ein Gespräch mit dem Leiter der tschechischen Wasserstraßendirektion.
Bereits im September war der tschechische Verkehrsminister, Dan Ťok, nach Hamburg gefahren, um die möglichen neuen Hafenteile zu begutachten. Knapp einen Monat später, nach den Gesprächen in Prag, fasste der zuständige Ressortchef den Stand zusammen.
„Auf Grundlage einer gemeinsamen Übereinkunft werden wir, meiner Überzeugung nach, eine Möglichkeit finden, die für beide Seiten vorteilhaft ist. Wir haben beschlossen, dass binnen ein oder zwei Wochen eine Arbeitsgruppe die Gespräche aufnimmt. Sie soll die Frage lösen, wo Tschechien seinen Hafen in Hamburg künftig haben wird, in welches neue Gelände wir investieren werden. Es soll ein neuer Hafen sein, der den tschechischen Interessen in der Binnen- und Seeschifffahrt besser entspricht.“Und dieses Gelände, das haben mehrere Medien berichtet, würde Tschechien aber nicht nur bis 2028 pachten wollen. Angeblich geht es auch um 50 weitere Jahre. Ist das auch im Sinne Hamburgs? Bei einem Pressegespräch antwortete Olaf Scholz angesichts der bevorstehenden Verhandlungen diplomatisch:
Olaf Scholz: „Wir freuen uns über jegliche wirtschaftliche Aktivität“
„Wir freuen uns über alles, was an wirtschaftlicher Aktivität stattfindet. Darum ist das sehr engagierte und ehrgeizige Interesse der Regierung hier in Prag eine gute Grundlage für einen gemeinsamen Erfolg. Die Wünsche, die dabei formuliert werden, werden wir versuchen zu berücksichtigen – und das wird auch sicher gehen. Man muss wissen, dass der Hafen sehr erfolgreich ist. Er liegt 120 Kilometer von der Küste entfernt, auf dem Staatsgebiet der Stadt Hamburg. Und er lebt von seiner hohen Flächeneffizienz, dass auf den Flächen etwas geschieht. Und wenn wir das miteinander hinbekommen, sind alle Sachen, die man haben möchte, in beiderseitigem Interesse – und dies ist ausnahmsweise kein Spruch, sondern die Wahrheit.“
Die Verhandlungen über den Hafentausch, die nun also beginnen sollen, stehen auf tschechischer Seite unter der Federführung der Wasserstraßendirektion. Leiter der Behörde ist Lubomír Fojtů. Mit ihm im Folgenden ein Gespräch.
Herr Fojtů, Tschechien hat in diesem Jahr damit begonnen, den eigenen Hafen in Hamburg zu sanieren. Was hat überhaupt dazu geführt, dass 15 Jahre lang das Gelände vor sich hinrottete?
„Die Investitionen werden mit umziehen müssen.“
„Viele Jahre hat die frühere tschechoslowakische Elbschifffahrtsgesellschaft das Gelände verwaltet. Nach ihrem Konkurs wurden die Eigentumsrechte des Staates an den Gebäuden im tschechischen Hafen in Hamburg bestritten, auch durch den Konkursverwalter. Dann gab es erstmal kein Geld für Renovierungsmaßnahmen. Erst nachdem wir, also die Wasserstraßendirektion, 2014 das Gelände übernommen haben, hat man sich um die nötigen Finanzen bemüht. Die tschechische Regierung hat mittlerweile zirka 150 Millionen Kronen, also rund 6,5 Millionen Euro bewilligt. Und wir haben besonders im Moldauhafen schon die Arbeit aufgenommen. Die alten Gebäude dort sind ökologisch belastet, wir haben sie abreißen und den Hafen umzäunen lassen. Außerdem hatten wir weitere Pläne für Gebäude, Umschlagsplätze und Umschlagsanlagen. Aber jetzt, da wir über ein neues Hafengelände sprechen, werden auch die Investitionen sozusagen mit umziehen müssen.“
Wie viele Waren wurden früher im tschechischen Hafen umgeschlagen?„Die Grundstücke haben nicht nur für den Umschlag gedient, sondern sie waren besonders eine Basis für die tschechischen Reeder, die dort ihre Schiffe geankert haben. Und die Schiffer konnten dort auch übernachten. Wie hoch früher die Umschläge dort waren, kann ich leider nicht sagen. Aber über Hamburg laufen etwa 60 Prozent aller Überseetransporte aus der Tschechischen Republik. Hamburg ist also unser Hauptseehafen.“
Tschechien und Hamburg verhandeln derzeit über einen möglichen Tausch des Hafengeländes. Die Gespräche leitet Ihre Direktion, die entsprechende Arbeitsgruppe soll innerhalb von maximal zwei Wochen entstehen. Aber, wie Sie gesagt haben, wurde ja schon begonnen zu investieren, die Gelder sind also genehmigt. Sollte dann nicht schnell ein Ergebnis bei den Gesprächen erzielt werden? Gibt es vielleicht sogar einen Termin, bis wann die Verhandlungen abgeschlossen sein sollten?
„Wir sprechen mit Reedern und Logistikunternehmen.“
„Derzeit bestehen noch viele Fragen. Die Hauptfrage aber lautet, ob wir überhaupt in der Lage sind, einen neuen Vertrag zu schließen. Erst müssen wir viele Details mit der Hamburger Hafenverwaltung besprechen. Die Arbeitsgruppe wird auf tschechischer Seite aus Leuten der Wasserstraßendirektion und des Verkehrsministeriums bestehen. Wir rechnen mit fünf bis sieben Vertretern. Auf deutscher Seite erwarten wir eine Delegation der Hafenverwaltung und womöglich auch von der Stadt Hamburg. Bis Mitte November wollen wir mit den ersten Gesprächen beginnen. Natürlich brauchen wir eine Basis für die potenziellen Investitionen, also einen Businessplan, den wir als Tschechische Republik werden ausarbeiten müssen. Wir als Wasserstraßendirektion sind gerade dabei, mit tschechischen Reedern und mit Logistikunternehmern sowohl aus Tschechien als auch aus Deutschland zu sprechen. Es geht um die mögliche Nutzung der Hafenanlage, die wir von Hamburg zum Tausch angeboten bekommen haben.“
Was will Tschechien auf seinem zukünftigen Hafengelände alles bieten, welche Art Firmen dürfte sich dort ansiedeln?„Auf jeden Fall brauchen wir wieder eine Basis für die tschechischen Binnenreeder – für ihre Schiffe inklusive vielleicht einer kleinen Reparaturwerft. Weiter natürlich Firmen aus der Logistikbranche und Unternehmen, die sich mit dem Umschlag von Waren und der Lagerung der Güter befassen – das sowohl aus Tschechien, als auch aus Deutschland. Zudem Lkw-Transportfirmen, weil wir dort Platz für Lastwagen zum Parken und Warenumschlag schaffen wollen, obwohl der Umfang noch nicht klar ist. Und vielleicht auch etwas Containerpacking. Also alle Tätigkeit, die man im Hafen macht.“
Wie hängt die Wiederbelebung des tschechischen Hafens zusammen mit der ganzjährigen Schiffbarkeit der Elbe, die Tschechien erreichen will?
„Wir rechnen mit einer erweiterten Schiffbarkeit der Elbe.“
„Wir werden, wie gesagt, im Hafen nicht nur Umschlag von Binnen-, sondern auch von Seeschiffen betreiben. Die Binnenschifffahrt birgt großes Potenzial, besonders wenn die Elbe weiter schiffbar gemacht wird. Aber schon jetzt fahren die tschechischen Reeder mehr im Ausland, auch in Hamburg, als in Tschechien. Denn oft ist es schwierig, nach Tschechien zu kommen. Natürlich rechnen wir nach einer erweiterten Schiffbarkeit der Elbe mit mehr Potenzial für den Binnenschifffahrtsumschlag. Aber in keinem Fall sind wir in der Nutzung des Hafengeländes nur auf die Binnenschifffahrt angewiesen.“
Das heißt andersherum aber, dass die weitere Schiffbarkeitsmachung der Elbe keine Voraussetzung ist für die Investitionen in den Hafen…„Das ist sie in keinem Fall. Aber natürlich arbeiten wir an beiden Sachen. Wir streben nach einer besseren Schiffbarkeit und nach der besseren Nutzung des tschechischen Hafengebiets in Hamburg inklusive der Investitionen. Beides muss also entwickelt werden.“