Bata-Kanal

Bata-Kanal

Herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zu einer weiteren Ausgabe des Regionaljournals. Diesmal haben wir einen weiten Weg von Prag aus zurück gelegt, um Sie bis in die entfernteste östliche Ecke der Tschechischen Republik zu bringen. Nach fünf Stunden Autofahrt, kurz vor den Weißen Karpaten und der Grenze zur Slowakei, können wir unser Transportmittel wechseln, um weiter voranzukommen. Ab nun aber ist unser Weg das Ziel. Willkommen am Bata-Kanal heißen Sie Lothar Martin und Dagmar Keberlova.

Bata-Kanal
Wir schiffen ein in Veseli nad Moravou, einer kleinen, nahe der slowakischen Grenze gelegenen ostmährischen Stadt. Die Region, in der wir uns befinden, nämlich die Mährische Slowakei, ist für die Gastfreundschaft der Einheimischen bekannt und das erfährt man sogleich am eigenen Leibe. Das Schiff hat kaum abgelegt und schon wird ein reiches Buffet, bei dem landesüblicher Wein kredenzt wird, für uns eröffnet. Am Horizont schlagen die Weißen Karpaten ihre grünen Wellen, die Sonne steht hoch am blauen Himmel und von der blaugrünen Wasseroberfläche des Kanals empor erklingt "die Musik" der hier ansässigen Fauna. Ein idealer Urlaubsort, möchte man sagen.

Der Bata-Kanal wurde ursprünglich aber nicht zur Erholung angelegt. Um ganz an den Anfang der Entstehungsgeschichte des Kanals zu gelangen, müssen wir in die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückblicken. Der Kanal wurde vor allem aus staatlichen Mitteln erbaut, lediglich an der Finanzierung der Schiffe beteiligte sich die private Firma Bata. Der gesamte Kanal ist ca. 60 Kilometer lang, ungefähr die Hälfte des Wasserweges führt durch das Flussbett des Flusses Morava und die zweite Hälfte wird durch einen künstlichen Kanal geleitet. Die Wasserstraße wurde von Anfang an nicht vordergründig als Schwemmkanal für den Transport von Gütern angelegt, sondern sollte vornehmlich der Bewässerung der umliegenden Gebiete sowie als Verbindung der Flüsse Oder und Donau dienen. Nachdem der Kanal fertiggestellt war, wurde er zunächst bis 1960 doch für die Güterbeförderung genutzt. In diesem Jahr wurde der Schiffsbetrieb ganz eingestellt.

Bata-Kanal
Im Verlauf der Jahre gab es Versuche, den Kanal zu rekonstruieren. Dabei hat sich bisher am meisten die Agentur für die Unterstützung des Tourismus auf dem Bata-Kanal um diesen Wasserweg verdient gemacht. Der Kanal wird nun mit Hilfe von EU-Geldern rekonstruiert. Näheres dazu sagte uns die für das Management von Europäischen Projekten bei der Agentur zuständige Evelina Jochova:

"Der Kanal wird seit 1995 mit Hilfe der Gelder aus dem Projekt ECO Overture wieder betriebsfähig gemacht. Bei diesem Projekt haben wir Erfahrungen aus ähnlichen Projekten in England und Irland gesammelt und uns darüber hinaus angesehen, wie das Ganze in Holland funktioniert. Weil das Projekt erfolgreich war, haben wir eine weitere Unterstützung bekommen, und zwar für den Einkauf von Motorbooten. Derzeit haben wir sechs Betreiber von Motorbooten. Weitere Mittel aus dem Programm Phare wurden in einen neuen Anlegeplatz in Veseli nad Moravou investiert. Dass uns die EU unterstützt verweist - so glaube ich - auf die Perspektive, die dieses Wiederaufbau-Projekt des Bata-Kanals hat."

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Oben auf dem Deck des Schiffes horchen wir gespannt der Geschichte des Kanals zu. Aber wer macht es eigentlich möglich, dass wir uns da ständig fortbewegen. Jan Sulc, der 25-jährige Kapitän und Besitzer des Schiffs, der seine Arbeit und seinen Fluss liebt. Mit einem schrillen Hupton gibt er uns, den unaufmerksamen Journalisten, immer eine Vorwarnung, dass jetzt eine Brücke kommt und dass wir unsere neugierigen Köpfe jetzt bitte für ein paar Sekunden etwas senken sollen. Gerne nehmen wir seine freundliche Aufforderung an, lassen die Brücke passieren und steigen zu ihm hinunter, um ihn von seinem Steuerrad zum Mikrophon zu locken. Ein Gespräch mit uns ist möglich, doch dabei behält er die ganze Zeit sein Steuerrad und die Wasserstraße fest im Auge. Dieses Schiff hat ihm schon gefallen, als er noch ein kleines Kind war. Des weiteren erzählt uns Kapitän Sulc:

"Dieses Schiff besitze ich seit fünf Jahren und noch weitere Schiffe gehören mir. Ich wirtschafte vielleicht schlecht, aber bis jetzt komme ich über die Runden. Wir fahren gerade an meinem Haus vorbei, das hier am Ufer liegt. Daher kann ich die Schiffe Tag und Nacht ´bewachen´. Ich habe aber auch schon zwei Jahre auf diesem Hausboot gewohnt, weil es die einzige Möglichkeit war, wie ich direkt am Fluss verbleiben konnte."

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Ein Tscheche mit dem Herzen eines Seemannes. Herr Sulc wollte tatsächlich von Kindheit an Seemann werden:

"Ich bin nicht direkt von hier, sondern 80 Kilometer weiter stromaufwärts geboren. Seit ich in den Kindergarten gegangen bin, habe ich immer behauptet, dass ich Seemann werde. Und das ist der nächste See, den man hier finden kann. Also war es klar für mich, was ich machen werde."

Ein Leben fest mit dem Wasser verbunden. Wie ist dieses Leben?

"Es ist ein absolut wunderschönes Leben, weil sie das ganze Jahr über hier an der Natur sind. Sie sehen die ersten Blätter an den Bäumen, sie sind der erste, der weiß, dass das Wasser eingefroren ist und man Eislaufen gehen kann. Oder wiederum, dass der Frühling da ist, wenn das Eis dahinschmilzt. Es ist ein Traum, ich könnte nicht mehr in der Stadt leben. Wenn ich eine Straße entlang gehe, wo Autos fahren, kriege ich Kopfschmerzen. Hier, am Fluss, fühle ich mich am wohlsten."

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Nachdem alle zu ihren Weingläsern auf Deck zurückgegangen sind, erzählt mir Kapitän Sulc, dass er sogar im Urlaub zum Fluss fahre. Er scheint wirklich glücklich zu sein. Auch sein treuer Hund Ron, den er von einem Hundeheim gerettet hatte, läuft die ganze Fahrt am Ufer mit uns mit. Jetzt darf der Hund kurz aufs Deck, da wir uns gerade in einer Schleuse befinden.

Das Wasser wird aus der Schleuse abgelassen, so dass wir weiter fahren können. Mich hat interessiert, ob er auch die Schleusen am Bata-Kanal zu bedienen hat:

"Die Schleuse, in der wir uns gerade befinden, bediene ich mit meiner Frau als Gegenleistung dafür, dass uns die Wasserwerke unser Haus vermietet haben. Ansonsten stehen die anderen Schleusen unter der Verwaltung der Wasserwerke Morava."

Wir sinken gerade um ca. drei Meter auf die Wasserhöhe des Flusses Morava. Dann öffnen sich die Schleusentore und wir können den Fluss überqueren und weiter in den Süden, Richtung Donau und die Slowakei weiterfahren.

Es ist eine interessante Gegend, da es sich um eine wunderschöne, stille und quasi unverbaute, leere Landschaft handelt, wo sich Himmel und Wiesen die Hände reichen. Und sie liegt vor allem im Grenzgebiet. Wie die Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Bruderland der Slowakei verläuft, fragte ich noch einmal Evelina Jochova, die das beste Beispiel für die Multikulturalität der Region ist. Sie ist eine slowakisch sprechende Ungarin, doch wir verstehen uns bestens:

"Wir arbeiten an einem Abkommen für den Grenzteil des Gebietes, so dass die Slowaken ohne Reisepass mit uns ein Stück mitfahren könnten und umgekehrt. Wir verhandeln mit den Zöllnern und wir hoffen, dass wir erfolgreich sein werden."

Pro Jahr kommen ca. eintausend Besucher, um hier entweder nur ein kurzes Stück mitzufahren, oder aber es kommen auch solche, die sich die Hausboote eine Woche lang für die ganze Familie mieten und dann den Kanal entlang schippern, wo sie verschiede Ausflüge machen. Es gibt sowohl kleine als auch große Schiffe, für jeden ist etwas dabei.

Der Direktor der Agentur, Ivo Ondracka, der uns während der Fahrt begleitet hat, hält diesen Bau technisch für sehr originell:

"Es ist eine ausgeklügelte technische Einrichtung, ein technisches Werk und meiner Meinung nach sogar ein technisches Monument. Ich hoffe, dass es in absehbarer Zeit in die UNESCO-Liste aufgenommen wird."

Für heute sind wir am Ziel. In Straznice, einer Folklorestadt schlechthin. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.