„Bei Hitlers in der Küche“: Goldflams Groteske im Prager Theater „Divadlo v Dlouhé“

Foto: www.divadlovdlouhe.cz

Anfang des 20. Jahrhunderts treffen auf dem Bahnhof in Brünn / Brno zwei junge Männer zusammen. Der eine reist in die Schweiz, um sich auf den Kampf für eine gerechte Sozialordnung vorzubereiten. Der andere freut sich, an der Kunstakademie in Wien zu studieren. Der erste heißt Stalin, der andere Hitler. So beginnt das Stück „Bei Hitlers in der Küche“ von Arnošt Goldflam, das seit Dezember im Prager Theater „Divadlo v Dlouhé“ aufgeführt wird.

Gleich am Anfang ist klar, wie grotesk das Schicksal der Hauptperson betrachtet wird. Die Debatte zwischen Hitler und Stalin auf dem Bahnsteig in Brünn verfolgt auch ein jüdischer Junge, der auf dem Koffer sitzt. Als er nach dem Namen gefragt wird, sagt er, er heiße Tabori. Dies sei kein Zufall, so der Dramatiker Arnošt Goldflam:

„Als ich vor Jahren den berühmten Dramatiker George Tabori getroffen habe, hat er mir erzählt, dass ihn sein Vater einst auf dem Brünner Bahnhof vergessen hatte. Da habe ich mir ausgedacht, dass er in Brünn eventuell auch Hitler und Stalin begegnen konnte. Ich habe mir vorgestellt, was sich dabei alles hätte abspielen können. So habe ich einen Einakter geschrieben, in dem ich Brünn ein wenig ironisch darstellen wollte.“

Dann habe er, so Goldflam, Spaß am Schreiben gefunden und habe weitere fünf Einakter geschrieben. Diese erzählen nur über Hitler und spielen sich in jenem Milieu ab, nach dem das Stück benannt wurde. So sitzt Hitler beispielsweise mit Eva Braun am Küchentisch und strahlt über einen Gugelhupf:

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„Wer hat das gebracht?“ fragt Hitler. „Die SS-Bäcker als Geschenk“, sagt Eva Braun. „Schön von ihnen, die SS denkt immer an etwas extra“, freut sich Hitler. In der nächsten Episode besucht Eva Frau Goebbels, um Zwiebel auszuleihen. Dabei schwatzen die beiden über ihre Männer. Hitler wird auch im Berliner Bunker gezeigt. Den führenden Nazis verteilt er die wohlschmeckenden, auch wenn von Tschechen hergestellten Schokoladebonbons „lentilky“, um zu üben, wie man mit Giftkapseln Selbstmord verübt. Schließlich landet der alte Führer in Südamerika, wo er seine künstlerische Aufgabe erfüllt. Dramatiker Arnošt Goldflam sagt, es sei eine untypische Schilderung Hitlers unter Gebrauch von historischen Tatsachen, die er manchmal jedoch verdreht habe:

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„Man hat gesagt, dass Hitler ein Mensch mit durchschnittlichem Geschmack und durchschnittlichen Ansichten war. Interessant ist der Widerspruch zwischen dem, was er verursachte und wie er zu Hause erschien. Und wie er sich zu Hause verhielt, das ich habe ich mir in diesem Schauspiel ausgedacht.“

Goldflams Stück könne als Impfung gegen die Ausbreitung des Neonazismus in den Köpfen der Menschen wirken, meint Regisseur Jan Borna:

„Wenn man das Groteske an dieser Haltung entdeckt, entdeckt man damit deren Dummheit.“