Beispiel Bürokratie: die Ausländerpolizei

Bürokratie ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist sie für eine reibungslose Verwaltung unerlässlich und doch ist sie so oft einfach nur lästig. Oliver Engelhardt schildert im folgenden Feuilleton die Kämpfe mit einer bestimmten bürokratischen Einrichtung:

Bei Ausländern, die in der Tschechischen Republik leben, ist es die gefürchtete Behörde schlechthin: die Ausländerpolizei. Cizinecká policie heißt das Amt auf tschechisch. Und warum so gefürchtet? Immer wenn ich bei der Ausländerpolizei in einer der Amtsstuben saß, wurde ich sehr freundlich von netten Beamtinnen bedient. Wenn, ja wenn! Um bis zum Ort des Geschehens vorzudringen, werden vom Ausländer zunächst große Standfestigkeit und viel Geduld verlangt. Standfestigkeit, weil es nur für einen Bruchteil der Wartenden Sitzgelegenheiten gibt und Geduld, weil ohne Warten eben gar nichts geht. Es gibt zwei Arten von Warten: entweder der Ausländer hat eine Nummer gezogen und wartet bis er aufgerufen wird oder es bilden sich - bevorzugt vor den Ausgabestellen - lange Schlangen oder eher ungeordnete Menschentrauben. Doch allen, die dies vor sich haben, sei gesagt: Freuen Sie sich nicht zu früh! Denn die Wartezeit verhält sich indirekt proportional zur Bearbeitungszeit der Behörde: Als ich das letzte Mal die Ausländerpolizei besuchte - es ging um die Beantragung einer Geburtsnummer - musste ich nur 15 Minuten warten. Eine Traumzeit. Dafür dauert die Bearbeitung nun ein halbes bis ein dreiviertel Jahr. In einem anderen Fall wartete ein Kollege zusammen genommen mehr als 12 Stunden lang mit dem Erfolg, dass sein Ansuchen sofort ausgeführt wurde. Ihr Dokument zum Mitnehmen, bitte schön! Also: warten lohnt sich.

Ein anderes immer wieder abwechslungsreiches Kapitel bei der Ausländerpolizei sind Anträge. Besser gesagt: die Anlagen zu den Anträgen. Eine Bestätigung von X, eine amtliche Beglaubigung von Y, bitte legen Sie zwei Passbilder bei. Aber doch nicht solche! Der Kopf muss genau in der Mitte sein. Nein, zurechtschneiden geht nicht, aber im Nachbargebäude wartet schon ein Photograph auf verzweifelte Ausländer, deren Passbilder den behördlichen Bedingungen nicht entsprachen. Und natürlich ist auch beim amtlichen Ausländerphotographen eine Schlange. Wollen sie eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung beantragen, benutzen sie Formular A, für einen festen Wohnsitz Formular B. Der kritische Vergleich des Kenners ergibt: Formular A und Formular B unterscheiden sich vor allem an einer Stelle: in der Überschrift. Da steht "Antrag auf vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung" oder "Antrag auf festen Wohnsitz". Man muss wohl nicht extra betonen, dass ein Antrag auf dem falschen Formular nicht akzeptiert werde kann. Wie können Sie fragen?

Und was hat der EU-Beitritt Tschechiens geändert? Nun, es gibt zwei Schlangen: eine für EU-Inländer-Ausländer und eine für EU-Ausländer-Ausländer. Entsprechend verhält es sich mit den Formularen. Ein gutes Gefühl für den nicht-tschechischen EU-Bürger ist in aller Verwirrung und bei allem Warten: er weiß, dass er ein Recht auf den Aufenthalt in Tschechien hat. Wenn alles geklappt hat, kann sein Antrag nicht abgelehnt werden. Doof ist es für die Slowaken: noch nie waren ihre Aufenthaltsformalitäten in Tschechien so kompliziert wie heute.