Benes-Dekrete in aller Munde

Präsident Edvard Benes paraphiert 'Benes Dekreten'

Stichwort "Benes-Dekrete". Wer kennt sie nicht? Viele glauben zu wissen, worum es geht, oder viele wissen zumindest, dass es einmal so etwas gab bzw. immer noch gibt. Aber was genau? Auf diese Frage hat man wiederum oft keine Antwort parat. Dabei sind bereits Abertausende von Seiten über den ehemaligen tschechoslowakischen Präsidenten und die so genannten Benes-Dekrete geschrieben worden. Einer der Autoren, die sich mit diesem Thema befassen, ist der österreichische Historiker Niklas Perzi. Im Vorjahr hat er ein Buch herausgegeben mit dem schlicht formulierten Titel: "Die Benes-Dekrete". Die Auseinandersetzung mit diesem Thema beginnt hier jedoch schon bei den Hussiten, im 15. Jahrhundert also. Ob da irgendwelche Zusammenhänge im tschechisch-deutschen Verhältnis zu suchen sind, danach fragte Jitka Mladkova den Autor des Buches Niklas Perzi:

Präsident Edvard Benes paraphiert 'Benes Dekreten'
"Linear kann man das nicht sagen, aber ich denke, dass gerade die Hussiten, weil Sie diese angesprochen haben, auch ein zentrales Motiv bis heute sind in den beiden nationalen Geschichtsschreibungen darstellen. Vereinfacht gesagt in der tschechischen und der so genannten sudetendeutschen Geschichtsschreibung. Vor allem natürlich dann ab dem 19. Jahrhundert, ab der Zeit des beginnenden frühen Nationalismus, in der diese Hussiten einmal in positiver, ein anderes Mal in negativer Auslegung auf beiden Seiten eine ganz zentrale Rolle gespielt haben. Und deshalb auch der Rückgriff auf die Hussiten, wobei ich jetzt keineswegs sagen will, wie es oft in vereinfachten popularisierenden sudentendeutschen Werken getan wird, dass sich quasi jetzt ein roter Faden von den Hussiten bis hinauf zu den Dekreten zieht."

Die Benes-Dekrete sind in aller Munde und es scheint, dass viele außer den Historikern eigentlich nicht wissen, was diese Benes-Dekrete waren oder welchen Inhalt sie hatten.

Präsident Edvard Benes
"Es gibt insgesamt 143, davon 23, die im Exil in London erlassen wurden, und der Rest dann in der Heimat in der Tschechoslowakei nach der Rückkehr der Regierung aus dem Exil. Na ja, erstens ein Grund ist: Niemand hat es gelesen oder kaum jemand hat es gelesen, zweitens ist es ein Kampfbegriff, massiv verbunden mit dem Namen des zweiten Präsidenten der Tschechoslowakei. Da wird eine Verbindung hergestellt, die so auch nicht stimmt, denn Benes hat die Dekrete erstens nicht selber geschrieben - das ist eine absurde Vorstellung, kein Präsident schreibt sich die Gesetze selber. Zweitens gerade die Dekrete, die dann massiv Madjaren und Deutsche betroffen haben, wurden nicht zuerst vom Präsidenten initiiert, sondern viel mehr dann schon von der tschechoslowakischen Regierung. Sicher, Benes hat den meisten zugestimmt. Nun gerade, und das schreibe ich in meinem Buch, bei jenen, die massiv in die Lebenswirklichkeiten von Deutschen und Ungarn eingegriffen haben, gab es große Konflikte zwischen Regierung und Staatspräsident Benes. Ich würde es eher so interpretieren, dass die Dekrete mittlerweile zu einem politischen Kampfbegriff vor allem der Sudetendeutschen geworden sind, die sich auf den Präsidenten massiv eingeschossen haben und ihm auch gleich alle Dekrete umhängen wollen."

Das war ein Ausschnitt aus dem Gespräch, das Jitka Mladkova mit dem österreichischen Historiker Niklas Perzi führte. Das ganze Gespräch hören Sie in einer der nächsten Folgen der Sendereihe "Begegnungen".