Benes-Dekrete im Europäischen Parlament

Vertreibung der Sudetendeutschen

In der Diskussion um die sog. Benes-Dekrete gibt es zwei neue Entwicklungen zu verzeichnen. Seit Montag beschäftigt sich der Außenpolitische Ausschuss des Europäischen Parlaments mit einem Entwurf zum "Bericht über den Stand der Erweiterungsverhandlungen". Der Abschnitt, der die Tschechische Republik betrifft, ist zu einem beträchtlichen Teil den Dekreten gewidmet. Bereits am Sonntag hatte der Vorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt, die tschechische Bevölkerung über das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen um Verzeihung für Verbrechen gebeten, die von Sudetendeutschen im Zweiten Weltkrieg an Tschechen begangen worden sind. Wie man auf diese beiden Ereignisse in Prager Politiker-Kreisen reagierte, berichtet Silja Schultheis.

Vertreibung der Sudetendeutschen
Der Vorsitzende der regierenden Sozialdemokraten, Vladimir Spidla, äußerte sich in einer ersten Reaktion zurückhaltend auf Posselts Entschuldigung. Seine Worte würden weder Prags Standpunkt zu den Benes-Dekreten, noch zu einer Entschädigung der Vertriebenen ändern, sagte Spidla. Er fügte hinzu, die im Krieg zerstörten menschlichen Leben könnten schließlich auch nicht wieder gutgemacht werden.

Weiter wandte sich Spidla entschieden gegen die Initiative des Abgeordnetenhaus-Chefs Vaclav Klaus, der sich dafür ausgesprochen hatte, die Benes-Dekrete zum Teil des EU-Beitrittsvertrages zu machen. Spidla sprach in diesem Zusammenhang von einer "sehr gefährlichen Angelegenheit", die es anderen ermöglichen würde, über tschechische Probleme zu verhandeln.

Bezogen auf die Entschuldigung Posselts vertrat Vaclav Klaus am Montag gegenüber der Rundfunkstation Frekvence 1 die Auffassung, dass die Benes-Dekrete für den Vorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft nur ein Vorwand für den Versuch seien, die Ergebnisse des Zweiten, aber auch des Ersten Weltkriegs zu ändern.

Posselt hatte die Dekrete im Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen als "rassistisch" bezeichnet, da sie von einer Kollektivschuld der Deutschen und Ungarn ausgingen.

Laut einer am Montag in Prag veröffentlichten Umfrage der Agentur TNS Factum lehnen zwei Drittel der Tschechen eine Streichung der Dekrete ab.