Benes-Dekrete im Europäischen Parlament.2

Die Aussiedlung der Deutschen, 1945

Seit Montag beschäftigt sich das Europäische Parlament mit den Benes-Dekreten. Die Verhandlungsdauer ist auf einige Monate angesetzt. Über erste Zwischenergebnisse informiert Sie im folgenden Beitrag Silja Schultheis.

Vertreibung der Sudetendeutschen
Die sog. Benes-Dekrete sind zum Thema in den tschechischen Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union geworden. Dies bestätigte am Dienstag die Debatte zwischen Abgeordneten des Europäischen Parlamentes, dem Beauftragten für die Tschechische Republik in der Europäischen Kommission, Rutger Wissels und dem tschechischen Botschafter bei der EU, Libor Secka. Wissels betonte zwar, dass die Dekrete "aus rein technischer Perspektive" nicht Bestandteil des Beitrittsprozesses seien, im gleichen Atemzug erinnerte er jedoch an den - so wörtlich - "breiteren politischen Kontext". In ähnlichem Sinne äußerte sich Secka und sagte, Tschechien würde mit der EU nicht über die Dekrete verhandeln, diese gehörten jedoch in den "Kontext der Gespräche und des gesamten Beitrittsprozesses".

Eines scheint nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge sicher: Auf der Sitzung des Parlamentarischen Ausschusses EU-Tschechien im April werden die Benes-Dekrete sicherlich eine harte Nuss werden. Dies bestätigten am Dienstag die Verhandlungen der tschechischen Abgeordneten Jan Zahradil von den Bürgerdemokraten und Vladimir Lastuvka von der Sozialdemokratischen Partei mit Abgeordneten des Europäischen Parlamentes, namentlich mit Ursula Stenzel von der österreichischen ÖVP und Bernd Posselt von der bayerischen CSU.

Unterdessen gab der sozialdemokratische Senator Miroslav Coufal zuhause auf tschechischem Podium bekannt, er wolle den ehemaligen tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Benes aufgrund der internationalen Kritik posthum mit dem Orden "Weißer Löwe 1. Klasse" auszeichnen lassen. Mit der Ehrung solle den Äußerungen deutscher und österreichischer Politiker entgegen gewirkt werden, die Benes wegen der nach ihm benannten Dekrete als Verbrecher darstellten, sagte Coufal am Dienstag der Prager Nachrichtenagentur CTK. Dass Benes den höchsten tschechischen Orden bereits 1936 erhalten habe, störe ihn nicht, sagte der Senator: "Warum soll er ihn nicht noch einmal bekommen?"

Erst vor wenigen Tagen war Benes vom konservativen Abgeordneten Jan Zahradil für den "Masaryk-Orden" vorgeschlagen worden. Auch er hatte seine Initiative mit der internationalen Kritik an Benes begründet. Über die Verleihung der Auszeichnungen entscheidet in letzter Instanz Präsident Vaclav Havel. Er hatte 1999 den Antrag der Kommunisten abgelehnt, Benes mit dem "Masaryk-Orden" auszuzeichnen.

Die Tageszeitung Lidove noviny erkennt in den Vorstößen Zahradils und Coufals eine klare Wahlkampftaktik und bemerkt dazu in ihrer Mittwochsausgabe:

"Benes' Name ist erneut politisch aktuell und man kann daraus ordentlich Kapital schlagen. Was drei Monate vor den Wahlen gut passt. Das Volk wertet die öffentliche Verteidigung von Benes als beispielhafte Verteidigung 'tschechischer Interessen'."

Dies ist nur eines der zahlreichen Beispiele der letzten Zeit dafür, dass die Haltung der hiesigen Politiker zu der Frage der Benes-Dekrete in den Medien vielfach auf Kritik stößt.