Berlin: Von Geschichten in 50 Worten bis zu den Prag-Tagen
Tschechische Kultur satt – das lässt sich für die nächsten Wochen in Bezug auf Berlin sagen. Denn Musik, Lesungen, Theater, Ausstellungen und Diskussionsabende füllen das Programm des Tschechischen Zentrums in der Bundeshauptstadt. Die wichtigsten Veranstaltungen stellt die stellvertretende Direktorin des Zentrums, Christina Frankenberg, im Interview vor.
„Eine interessante Sache ist schon der Veranstaltungsort, das ist nämlich ein neuer Berliner Club, der auf den Namen Konzulát hört. Er befindet sich in den ehemaligen Räumen des Tschechischen Zentrums in der Leipziger Straße. Das Zentrum war dort bis 2001 untergebracht. Seit einiger Zeit ist es ein Club, und mit diesem kooperieren wir jetzt bei dieser deutsch-tschechischen Musikveranstaltung. Aus Tschechien sind zwei Elektronik-Projekte mit dabei. Das ist einmal Subject Lost, hinter diesem Namen verbirgt sich ein Produzent aus Ostrau, der in diesem Jahr auch den tschechischen Musikpreis Anděl in der Kategorie elektronische Musik bekommen hat. Und das zweite Projekt, das sich an dem Abend vorstellt, ist Endless Illusion, das sind die beiden DJs Layup und R-Kosmos. Sie werden elektronische Musik spielen, genauso wie eine Band aus Berlin und ein Projekt aus New York.“
Eine Lesung etwas anderer Art findet kommende Woche direkt bei Ihnen im Zentrum statt. Und zwar kommt Lidmila Kábrtová nach Berlin, die Autorin schreibt äußerst kurze Geschichten. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum die Lesung etwas anders ist. Denn auch ein Übersetzer-Workshop hat damit zu tun. Bringen Sie doch bitte Licht in die ganze Sache…„Wir haben am Dienstag und Mittwoch nach Pfingsten Studierende der Bohemistik von den Universitäten in Greifswald, Berlin und Leipzig hier bei uns zu Gast. Sie werden unter der Anleitung von Professorin Dr. Hauck von der Universität Greifswald Texte eben von Lidmila Kábrtová übersetzen werden. Diese Texte sind insofern besonders, weil sie – wie Sie bereits sagten – sehr kurz sind. Jede dieser Erzählungen hat nur genau 50 Worte. Diese Erzählungen handeln von der Kindheit eines kleinen Mädchens mit dem kurzen Namen L in den 1970er Jahren in der damaligen Tschechoslowakei. Die Geschichten sind für den Übersetzer-Workshop gut geeignet, weil es sich um kleine, kompakte Einheiten handelt. Die Werke, die während des Übersetzer-Workshop ins Deutsche übertragen werden, sollen dann zusammen mit Frau Hauck und Autorin Kábrtová am Mittwochabend in einer Lesung im Tschechischen Zentrum vorgestellt werden. Es wird dabei auch ein Gespräch geben, in dem wir über den Workshop sprechen werden und mit der Autorin über die Geschichten selber. Das wird sicherlich ein ganz spannender Abend, der nicht nur literarisch interessant sein dürfte, sondern auch durch seine ungewöhnliche Form – dass man die Möglichkeit hat, frisch ins Deutsche übersetzte Geschichten gleich hören zu können.“
Diese Lesung ist aber dann für alle interessierten Besucher frei?„Genau. Diese Lesung am Mittwochabend, 27. Mai, um 19 Uhr ist eine ganz normal öffentliche Lesung. Da ist jeder herzlich willkommen.“
Eine weitere Lesung bringt am 3. Juni einen szenischen Text ins Tschechische Zentrum, und zwar von Eva Prchalová. Was lässt sich zu der Autorin und ihrem neuesten Stück sagen?
„Es ist gar nicht das neueste Stück von ihr. Sondern es handelt sich um das Stück ‚Ajourarbeit‘ auf Deutsch oder ‚Ažura‘ auf Tschechisch, das 2008 bereits den zweiten Preis im Alfréd-Radok-Wettbewerb gewonnen hat. Dieses Stück ist aber für das deutsche Publikum insofern neu, dass es erst jetzt ins Deutsche übersetzt wurde. In diesem Stück geht es um zwei Paare, die drei Sprachen sprechen, was der Grund für ganz viele Missverständnisse zwischen ihnen ist. Im Laufe des Stücks bekommt man dann mit, dass es sich nicht nur um Missverständnisse handelt, sondern dass auch ganze Lügengebäude errichtet worden sind, die dann – so muss man sagen – zusammenkrachen. Die Lesung ist Teil eines größeren Projektes – und zwar heißt es „Ein Stück: Tschechien“ oder auf Tschechisch „Kus Česka“. Dieses Projekt widmet sich dem zeitgenössischen Drama in der Tschechischen Republik, Veranstalter sind der Verein Drama Panorama und das Tschechische Zentrum. Im Rahmen des Projekts gab es im letzten Jahr schon drei szenische Lesungen hier in Berlin und eine Theateraufführung im Theater unter dem Dach. Die drei Autoren, die sich damals hier vorgestellt haben, nahmen auch an einem kleinen Wettbewerb um den Zuschauerpreis des Tschechischen Zentrums teil. Eva Prchalová hat eben diesen Preis gewonnen, und dieser besteht in einem Residenzaufenthalt. Eva Prchalová wird für eine gute Woche nach Berlin kommen und bereitet im Rahmen dieses Aufenthaltes auch die szenische Lesung mit vor. Am Mittwoch, dem 3. Juni, wird diese dann bei uns im Tschechischen Zentrum stattfinden. Es werden Berliner Schauspieler lesen, und im Anschluss gibt es ein Gespräch mit der Autorin.“
Ein weiteres Thema ist Stadtplanung – das wird ja auch in Berlin heiß diskutiert, man denke nur an den Volksentscheid gegen eine Bebauung des Tempelhofer Feldes. Nun haben das Tschechische Zentrum und die Heinrich-Böll-Stiftung das Architekturfestival Make City initiiert. Was sind denn die tschechischen Beiträge zu dem Festival?„Da muss ich Sie zu Anfang etwas korrigieren. Das Festival ‚Make City‘ zu Architektur und Andersmachen hat viele verschiedene Partner, zu denen auch das Tschechische Zentrum und die Böll-Stiftung gehören. Wir werden jedoch für die Dauer des Junis das Festivalzentrum für internationale Diskussionen und Debatten sein. Aus Tschechien mit dabei sind unter anderem der Architekt Adam Gebrian und der Designer Michal Froněk, die sich auch an diesen international besetzten Debatten beteiligen werden. Im Rahmen des Festivals werden wir zudem den Dokumentarfilm ‚Plán‘ von Benjamin Tuček vorstellen, der sich mit den Fragen um den neuen Flächennutzungsplan in Prag beschäftigt. Dabei zeigt Tuček, welch hochpolitische Angelegenheit dieses Instrument der Städteplanung ist. Das Make-City-Festival ist auch lose verbunden mit dem Festival reSITE in Prag. Das Festival in Berlin beschäftigt sich mit den Fragen danach, wem die Stadt gehört und wie es gelingen kann, die Großstadt als einen Ort zu gestalten, in dem viele verschiedene Schichten der Bevölkerung ein vollwertiges Leben miteinander führen können. Dieses Festival findet vom 11. bis 28. Juni hier in Berlin statt, und es besteht auch eine eigene Homepage, oder man kann sich auf der Webseite des Tschechischen Zentrums über alle Veranstaltungen genauer informieren.“
Wenn wir schon bei Stadtplanung sind: Berlin und Prag feiern 20 Jahre Städtepartnerschaft, deswegen gibt es die Prag-Tage in der Bundeshauptstadt. Welches sind Ihrer Meinung nach die Highlights?„Wir begehen im ganzen Jahr das Jubiläum der Städtepartnerschaft mit einem ganzjährigen Programm, das schon seit Januar läuft und in den Dezember hineinreichen wird. Dabei gibt es verschiedenste Veranstaltungen, an denen das Tschechische Zentrum auch immer direkt oder als Partner beteiligt ist. Einer der Höhepunkte im Rahmen dieses Jubiläum der Städtepartnerschaft sind die Prag-Tage in Berlin. Da sind drei große Veranstaltungen geplant, die vom Prager Magistrat mitorganisiert werden. Das ist zum einen am 10. Juni ein Konzert der Kafka-Band im Heimathafen Neukölln, am 12. Juni wird sich das Theater am Geländer, also das Prager Theater Divadlo na zábradlí im Berliner Pfefferberg-Theater vorstellen. Dabei wird das Stück Europeana nach Patrik Ouředník aufgeführt. Die große Eröffnung dieser Feierlichkeiten findet dann am 10. Juni im Böhmischen Dorf in Berlin-Neukölln statt. Und zwar wird nach Umbau und Neugestaltung dieses historische böhmische Rixdorf wieder neu eröffnet. Zu diesem Anlass kommt auch die Prager Oberbürgermeisterin Adriana Krnáčová.“