Berufspendler müssen entscheiden: bleiben oder gehen?
Tschechien sperrt die Grenzen nun auch für die Berufspendler nach Deutschland und Österreich. Die Regelung gilt ab Donnerstag. Wie Innenminister Jan Hamáček sagte, müssten sich die Betroffenen für die kommenden drei Wochen eine Unterkunft jenseits der Grenze suchen, sollten sie weiter ihrer Tätigkeit nachgehen wollen. Das stellt die Menschen teils vor eine schwere Entscheidung.
„Niemand denkt wohl daran, die Pendler zu entschädigen. Aber alle anderen erhalten etwas. Dabei sind wir unglaublich viele.“
Laut den Daten des europäischen Statistikamtes Eurostat vom September vergangenen Jahres fahren 37.000 Tschechen regelmäßig zu einer Arbeitsstelle in Deutschland. In Richtung Österreich sind es 12.000. Sie waren zunächst erleichtert, dass für sie eine Ausnahmeregelung galt, als Tschechien vergangene Woche die Grenzen schloss.
Doch aus Prag heißt es nun: Schotten dicht. Keine Übertragung der Lungenkrankheit Covid-19 soll mehr aus dem Ausland in den böhmischen Kessel gelangen. Die Berufspendlerregelung ist bis Mitte April ausgesetzt. Und wer aus den angrenzenden Krisengebieten zurück nach Tschechien will, muss erst einmal für 14 Tage in Quarantäne.Der Elektriker Jan Šulc aus Litvínov / Leutensdorf will sich daher nun eine Bleibe in Sachsen suchen:
„Da gibt es nichts herumzuüberlegen. Ich werde keine Einkünfte haben, wenn ich hier feststecke. Mit Sicherheit setze ich mich jetzt für ein paar Wochen ab und rechne damit, in Quarantäne zu müssen, wenn ich wieder zurückkomme.“
Auch Jan Šulc ist der Meinung, dass die tschechische Regierung den Pendlern nun unter die Arme greifen sollte.Dabei sind es nicht ausschließlich Tschechen, die nach Deutschland oder Österreich pendeln. Thomas Mehnert hat vor acht Jahren die Freiheiten der EU genutzt und ist nach Nové Zvolání / Neugeschrei im Erzgebirge gezogen. Im Interview für Radio Prag International erzählt er, dass seine Vorfahren aus den Sudetengebieten stammen. Die ganze Familie ist in Annaberg-Buchholz beschäftigt, er selbst betreibt dort eine Polstermöbelfabrik. Seine Frau ist beim Landratsamt angestellt, und der Sohn macht eine Lehre zum Kfz-Mechatroniker.
„Wir haben uns entschieden, in Tschechien zu bleiben. Meine Frau konnte mit ihrem Arbeitsgeber Homeoffice vereinbaren. Mein Sohn hätte jetzt Berufsschule, die aber ausfällt. Er kann den Stoff zu Hause nachholen, also auch eine Art Homeoffice. Selbst hatte ich eine Operation am Arm und bin sowieso noch krankgeschrieben“, so Mehnert.
Wie der Unternehmer erzählt, hat sich im Erzgebirge das Berufspendlerwesen in den vergangenen Jahren stark entwickelt.„Vor zehn Jahren gab es auf der tschechischen Seite noch rund 20 Prozent Arbeitslosigkeit. Da war jeder Tscheche oder auch Sudetendeutsche mit Deutschkenntnissen froh, wenn er hier in Deutschland einen Job hatte. Man bekommt dann auch Kindergeld, und es fließt viel von den Einnahmen nach Tschechien zurück.“
Selbst bezeichnet sich Thomas Mehnert als krisenerprobt, da er schon seit 30 Jahren sein Unternehmen führt. Doch wie wird das für ihn und seine Familie, wenn die tschechische Regierung die Grenze für die Berufspendler länger als drei Wochen dicht macht?
„Das würde auf jeden Fall zu großen Problemen führen. Denn gerade bei meinem Sohn lässt sich das ‚Homeoffice‘ nur begrenzt weiterführen. Bei meiner Frau weiß ich nicht, und bei mir wäre es ähnlich schwierig. Man müsste dann die Situation in drei Wochen neu überdenken. Aber die Zeit ist gerade so schnelllebig. Deswegen glaube ich jetzt einfach daran, dass sich die Lage etwas entspannen wird, wenn sich jeder an die Auflagen hält.“