BIS-Jahresbericht: Bedrohung durch organisiertes Verbrechen und russische Diplomaten

Vor allem vor der eigenen Haustüre musste der tschechische Nachrichtendienst BIS in den letzten Wochen und Monaten kehren. Durchgesickerte Geheiminformationen und der Vorwurf, zu politischem Machtgerangel missbraucht worden zu sein, beschäftigen die BIS seit längerem. Gestern allerdings machte die BIS von sich reden durch ihren Jahresbericht für 2006. Ins Visier genommen wurden dabei vor allem das organisierte Verbrechen und die Wirtschaftsaktivitäten russischer Geheimdienste und Diplomaten auf tschechischem Boden.

„Besonders überraschend sind die Erkenntnisse über das Eindringen des organisierten Verbrechens in die staatliche Verwaltung. Damit hängt auch das Problem des Lobbyismus zusammen.“

Der Nachrichtendienst verzeichnet einen größeren Druck seitens des organisierten Verbrechens auf Personen, die in der Verwaltung über die Vergabe öffentlicher Aufträge sowie finanzieller Mittel aus öffentlichen Fonds entscheiden. Erhöhte Aktivität des organisierten Verbrechens wurde vor allem im Norden Tschechiens auch im Bereich der Grundstückspekulation registriert. Unternehmer versuchten zudem über Lobbyisten an Informationen über geplante Privatisierungen staatlicher Gesellschaften zu gelangen.

Als eine ernste Bedrohung für den tschechischen Staat betrachtet die BIS die Tätigkeit des russischen Geheimdienstes auf tschechischem Boden. Und das betrifft auch die diplomatische Ebene: Die Hälfte der 60 russischen Diplomaten seien zugleich Mitarbeiter der russischen Spionage. Die Zahl russischer Agenten im Land sei nach wie vor hoch, heißt es im Bericht der BIS. Was den Rechtsextremismus betrifft, so sei die Szene in Tschechien eher zersplittert und in kleinen regionalen Gruppen organisiert, die in Eigenregie agierten. Eine genaue Zahl von Neonazis sei schwer zu ermitteln, sagt der Politologe Miroslav Mares von der Universität Brünn:

„Es ist schwer die Leute genau zuzuordnen, weil es einerseits schon einen harten Kern gibt, weil es aber auch bestimmte Anhänger gibt, die nur locker mit der neonazistischen Szene verbunden sind. Außerdem beteiligen sich an den Aktionen auch junge Leute, die häufig keine Ahnung davon haben, was die Organisatoren der Veranstaltungen ausrufen.“

Der Vorsitzende des für den Nachrichtendienst zuständigen Parlamentsausschusses, Jeronym Tejc, ist in jedenfalls der Ansicht, dass nun Handlungsbedarf für Politik und Polizei besteht.

„Wir dürfen nicht vergessen, dass weitere Schritte folgen müssen. Es genügt nicht, informiert zu sein. Wir müssen auch die Polizei in dieses System einbinden. Und ich glaube, dass die Regierung ausreichend mit Kompetenzen ausgestattet ist, um auf den Jahresbericht des Nachrichtendienstes mit konkreten Schritten zu reagieren. Das gilt auch für die Polizei.“