"Bitte kurz fassen" - Das neue Buch von Vaclav Havel

Endlich wieder Zeit und Ruhe zum Schreiben zu finden - das war lange Jahre einer der größten Wünsche von Vaclav Havel. In den 13 Jahren, die der Schriftsteller und Dramatiker Präsident seines Landes war, ging ihm dieser Wunsch nicht in Erfüllung. Havel schrieb in dieser Zeit zwar unzählige Reden, der Literatur aber konnte er sich nicht widmen. Drei Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Amt hat der frühere tschechische Präsident sich jetzt erneut als Schriftsteller zu Wort gemeldet. "Prosim strucne" ("Bitte kurz fassen") heißt das neue Buch, das am Freitag in die tschechischen Buchläden kam. Es ist eine Art Fortsetzung des bekannten Interviews, das der Journalist Karel Hvizdala vor zwanzig Jahren aus dem Bonner Exil mit Havel führte (auf Deutsch unter dem Titel "Fernverhör" erschienen), ergänzt durch Tagebucheintragungen und Dienstanweisungen Havels aus seiner Präsidentenzeit. Über Entstehung und Inhalt des Buchs haben wir uns mit dem Journalisten Karel Hvizdala unterhalten.

Herr Hvizdala, bereits vor 20 Jahren haben Sie mit Václav Havel ein ausführliches Interview geführt, das 1986 unter dem Titel Dalkovy vyslech - deutsch: Fernverhör - im Exilverlag Index veröffentlicht wurde. Fernverhör deshalb, weil Sie damals im Exil in Bonn lebten und Havel in Ihrer gemeinsamen Heimat Prag. Die Fragen haben Sie ihm zugeschickt....

Das war kurz vor Havels 50. Geburtstag. Der Rowohl-Verlag hat damals von ihm ein Buch verlangt und Havel hat mein Angebot angenommen, ein längeres Interview mit ihm zu machen. Wir haben mehrere Briefe gewechselt - nicht offiziell natürlich, wir mussten das über Diplomaten, Journalisten und verschiedene Freunde schmuggeln. Letztlich habe ich Havel mehr als 50 Fragen geschickt und er hat sich eine ruhige Ecke gesucht und mit einer Flasche Whisky, Zigarillos und Tonbandgerät die Fragen beantwortet. 14 Stunden Tonaufnahmen sind daraus entstanden.

Damals haben Sie noch nicht im Entferntesten geahnt, dass Havel wenige Jahre später tschechoslowakischer Präsident werden würde?

Überhaupt nicht. Er war damals ein interessanter Dramatiker, aber kein Politiker.

Das Fernverhör war das erste Buch, das nach der Samtenen Revolution Ende 1989 in der freien Tschechoslowakei erschienen ist - und sofort zum Bestseller wurde. Nach längerer literarischer Pause hat sich Havel jetzt wieder zu Wort gemeldet, sein neues Buch "Prosim strucne", - auf deutsch etwa soviel wie: Bitte kurz fassen - erscheint in diesen Tagen im Buchhandel. Es ist wieder ein Interview mit Ihnen, ergänzt durch Tagebucheintragungen und Dienstanweisungen Havels aus seiner Präsidentenzeit. Wie ist die Idee für "Prosim strucne" entstanden - und warum diese Form?

Zuerst sollte ich vielleicht sagen, dass wir uns vor 20 Jahren eigentlich gesagt haben: Schluss, mehr machen wir nicht. Das damalige Buch hatte eine besondere Atmosphäre, war in einer bestimmten Situation entstanden und sollte als Dokument erhalten bleiben. Aber dann ging die Zeit weiter und nach seiner Präsidentenzeit haben wir uns mehrmals getroffen und Interviews gemacht, für eines meiner Bücher und für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften. Und da ist allmählich die Idee für dieses Buch entstanden. Wir wollten es nicht genauso machen wie beim letzten Mal, es sollte nicht dasselbe sein, und da haben wir uns für diese Form entschieden.

Das neue Buch ist im Grunde der erste zusammenhängende Rückblick Havels auf seine Zeit als tschechoslowakischer und später tschechischer Präsident...

Ja, und nicht nur das. Für mich ist noch eine andere Sache sehr wichtig: Er hat 16 Jahre lang, sogar noch länger, nur Vorträge geschrieben. Und das ist etwas anderes. Ich wollte ihm mit dem Buch helfen, diese "Schreib-Blockade" zu lösen. Das ist das eine. Und das andere: Die Erwartungen von den Verlagen waren zu groß. Unter so einem Druck etwas anzufangen, ist immer sehr sehr schwer. Mit dem Buch ist uns das vielleicht gelungen.

Das stimmt, Havel war der letzte, der daran geglaubt hat. Ich habe von dieser Idee zum ersten Mal im Januar 1989 von Pavel Tigrid in Paris erfahren. Zum Buch: ES ist sehr schwierig, den Inhalt kurz zusammenzufassen. Es ist sehr vielfältig und jeder muss dort etwas für sich finden, so ist es auch gedacht. Für mich sind das Besondere daran die vielen Details und Erinnerungen an häufig scheinbar banale Situationen.

Vielleicht können Sie ein paar Themenschwerpunkte nennen. Im "Fernverhör" haben Sie sich mit Vaclav Havel über seinen familiären Hintergrund unterhalten, den Beginn seiner literarischen Tätigkeit, seine Beziehung zum Theater, über seine Erinnerung an wichtige Jahre wie 1968 und 1977, die Gründung der Charta. Welches sind die Themenschwerpunkte in "Bitte kurz"?

Das Buch fängt da an, wo wir damals aufgehört haben, mit dem Jahr 1986. Es geht um Havels letzte Jahre als Dissident, um die Revolution von 1989, dann um seine Präsidentenzeit, um seine Krankheiten, seine Ehefrauen Olga und Dasa und zum Schluss darum, was es bedeutet, nicht mehr Präsident zu sein.

Sie haben es erwähnt: Die ganze (Verlags-)Welt hat so ein Buch erwartet. Vaclav Havel neigt von Natur aus zum Understatement und sagt, dass er nicht so eine intellektuelle Autorität ist wie viele glauben. Das sagt er 1986 im "Fernverhör", als er in der Tschechoslowakei längst zu den führenden Dissidenten zählte, auch international bekannt war. Wie sieht er seine Rolle heute, nachdem er aus dem Präsidentenamt ausgeschieden ist?

Das ist eine gute Frage. Er kann mit seiner Erfahrung die tschechischen Probleme in einen größeren Kontext stellen. Und das ist etwas, was wir zur Zeit wirklich sehr gut brauchen können.

Vaclav Havel bezieht in dem neuen Buch auch Stellung zu einer Reihe von Vorwürfen, die wiederholt gegen ihn erhoben wurden. Können Sie ein paar konkrete Beispiele nennen?

Zum Beispiel: Warum wurde die kommunistische Partei nach 1989 in Tschechien nicht verboten? Weiter geht es um die Spannungen zwischen Vaclav Havel und Vaclav Klaus. Aber das sollte man, glaube ich, lieber selbst lesen.

Können wir uns auf eine deutsche Übersetzung des Buches freuen?

Ja, die übernimmt Joachim Bruss und sie sollte rechtzeitig zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse fertig sein, wenn alles klappt.