Havel-Biograph Karel Hvížďala: „Er hat sich für die Welt verantwortlich gefühlt“
Der Journalist und Publizist Karel Hvížďala ist Havel-Biograph. In den 1980er Jahren veröffentlichte er im tschechischen Exilverlag Index in Köln ein Buch mit dem Titel „Dálkový výslech“ („Fernverhör“), in dem Havel im Gespräch mit Hvížďala sein Leben schildert. Dieses Buch kam später auch auf Deutsch heraus. Eine Fortsetzung des Fernverhörs erschien dann vor fünf Jahren unter dem Titel „Prosím stručně“ (Bitte kurzgefasst). Karel Hvížďala hat Germanistik studiert und lebte von 1978 bis 1990 im Exil in Bonn. Gegenüber Radio Prag schildert er seine Sicht auf Havel.
Herr Hvížďala, wie und wann hat Sie die Nachricht vom Tod Havels erreicht?
„Ich glaube das war am Sonntag gegen 11 Uhr vormittags.“
Havel ist 75 Jahre alt geworden, er ist also in die Erste Republik hineingeboren worden und hat zumindest als Kind eine andere Welt als den Kommunismus erlebt. Wie hat ihn das beeinflusst?
„Ich glaube, es war nicht nur die Zeit, die ihn so sehr geprägt hat, sondern vielmehr seine Familie. Seine Familie war nämlich in der Ersten Tschechoslowakischen Republik sehr verwurzelt. Deshalb war sein Horizont größer als bei meiner Generation, die fünf bis zehn Jahre jünger ist als er.“
Havel war in erster Linie Schriftsteller, aus welchen Einflüssen hat der Schriftsteller Havel geschöpft und wie würden Sie die Bedeutung seines Werks beurteilen?
„Er war ja nicht nur Dichter und Dramatiker, sondern auch Philosoph. Er hat immer eine Ahnung gehabt von der Politik. In seinen Werken und Theaterstücken hat er versucht, die Abnormalität der Lage in Tschechien zu beschreiben und deutlich zu machen.“
Havel hat sich aber noch in den 80er Jahren als apolitischen Menschen bezeichnet. War er ein Politiker gegen seinen Willen?
„Ich glaube, er war von Anfang an ein Homo politicus. So sehe ich das zumindest.“
Hatte er eine besondere Art mit der Rolle des Politikers umzugehen?„Selbstverständlich. Er war gleichzeitig Philosoph und Dramatiker, deshalb ist er mit der Politik anders umgegangen. Trotzdem hat er sich sein ganzes Leben der Politik verschrieben. Das ist der Unterschied zu den heutigen Politikern. Er ist kein Produkt des Parteiapparates. Das war vielleicht der Grund dafür, warum er ein solch einzigartiger Mensch war. Es gibt wahrscheinlich drei herausragende Figuren der Wende: Papst Johannes Paul als geistlicher Führer, Lech Walesa als Arbeiterführer und Václav Havel als Intellektueller.“
Wie sehen Sie die Reaktionen auf Havels Tod, die auf der ganzen Welt sehr stark sind?
„Das ist für mich keine Überraschung. Er hat sich immer für die Welt verantwortlich gefühlt und war nie bloß ein kleinkarierter Tscheche.“
Havel wird jetzt überall als Symbol geehrt: als Symbol des Widerstandes gegen den Kommunismus, als Symbol der Wende von 89 und als Symbol der europäischen Einigung. Das sind sehr hohe Ehren. Wie hat sich aber Havel selbst gesehen, Sie haben ihn ja auch gefragt, wie er sich selbst einschätzt…
„Er hat immer gesagt, er sei ein Symbol des Paradoxen: Auf der einen Seite war er die große Figur, auf der anderen Seite ein Mann, der immer ein bisschen ängstlich war, der immer alles angezweifelt hat. Wenn wir jetzt also über ihn als Ikone sprechen, dann ist das immer nur die eine Seite seiner Persönlichkeit.“