Böhmerwaldseminar: Fluchtversuche, Exil, Jahr 1989
Geschichtswissenschaftliche Vorträge, Buchpräsentationen und eine Filmvorstellung standen auf dem Programm des jüngsten Böhmerwaldseminars in Srní / Rehberg. Veranstaltet wurde es am vergangenen Wochenende vom Adalbert-Stifter-Verein. Mit dabei waren über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und Tschechien. Einer der Organisatoren der Veranstaltung war Wolfgang Schwarz vom Adalbert-Stifter-Verein. Zum Abschluss des Treffens hat Martina Schneibergová mit ihm gesprochen.
„Der Schwerpunkt lag auf dem Jahr 1989. Wir haben vom Prager Nationalen Filmarchiv eine kompetente Referentin, Marie Barešová, bekommen. Sie hat uns Filmaufnahmen von den Protesten von 1989 gezeigt und sie auch kommentiert. Politikwissenschaftler Lukáš Valeš von der Universität in Pilsen hat anschließend auch über die Ernüchterung berichtet, die später gekommen ist. Der Böhmerwald war insbesondere bei der Aufarbeitung des Erbes des Eisernen Vorhangs im Fokus, wo es vor allem um Fluchtversuche ging. Der Publizist und Historiker Luděk Navara hat über abenteuerliche Fluchtversuche referiert, die über Flüsse und Stromleitungen stattgefunden haben. Das alles hatte einen starken Böhmerwaldbezug.“
Unter den Referenten war diesmal auch ein Vertreter des Nationalparks Böhmerwald. Er ging nicht nur auf den Naturschutz, sondern vor allem auf das Historische Album des Böhmerwaldes ein. Was verbirgt sich unter dem Begriff?„An mehr als 30 Standorten des Nationalparks wird inzwischen auf untergangene Ortschaften hingewiesen: mit Bildern, gestaltet wie ein Fotoalbum, fest installiert. Es bietet den Wanderern und Vorbeikommenden interessante Informationen. Denn in der Landschaft sieht man nur noch Mauerreste oder nicht einmal das, nur einzeln stehende Bäume. Nur mit geschultem Blick kommt man darauf, dass es dort früher eine Ortschaft gab. Ich bin sehr dankbar dafür, dass sich das Projekt so erweitert hat und auf Deutsch und Tschechisch erstellt wurde – in den zwei Sprachen, die hier im Böhmerwald zu Hause sind.“
Gab es die Möglichkeit, auch einige Bücher zum Thema zu kaufen?„Wir haben uns auch ein wenig auf das tschechische Exil konzentriert. Dazu haben wir zwei Gäste eingeladen. Rena Dumont ist Schriftstellerin und Filmemacherin. Sie hat die Filmkomödie ,Hans im Pech‘ gedreht, die auch im Böhmerwald spielt. Zudem hat sie aus ihrem Buch ,Paradiessucher‘ gelesen, in dem sie ihre Erfahrungen mit der Emigration nach Deutschland verarbeitet hat. Der zweite Gast war Libor Rouček, der in Tschechien bekannt ist. Er war Regierungssprecher und stellvertretender Präsident des Europäischen Parlaments. Er hat seine Biografie präsentiert und über sein Leben im Exil sowie seine politische Laufbahn erzählt. Wir hoffen, dass das Buch einmal übersetzt erscheinen kann. Ich bin davon überzeugt, dass es in Deutschland ein Publikum gibt, das Interesse an der Biografie von Libor Rouček hat.“
Wer sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars? Sind es Personen, die Beziehung zum Stifter-Verein oder zum Böhmerwald haben?„Das Schöne an dieser Veranstaltung, die seit 18 Jahren an verschiedenen Orten im Böhmerwald stattfindet ist, dass das Publikum sehr heterogen ist. Es kommen Heimatvertriebene, aber auch Menschen, die sich für tschechisch-deutsche Beziehungen interessieren, Historiker, Schriftsteller, und diese bunte Mischung macht den Charme der Veranstaltung aus. Es sind sehr viele dabei, die schon in den vergangenen Jahren daran teilgenommen haben.“
Wie finden Sie die Orte, an denen das Seminar stattfinden kann?
„Es entstehen auch im Rahmen des Seminars immer wieder neue Kontakte. Im Moment sind wir in der Lage, immer einen neuen Ort zu finden. Es hängt immer von den Kapazitäten ab, was das Hotel und Konferenzräume anbelangt. Aber wenn sich Böhmerwald-Städte für die Veranstaltung interessieren, können sie sich jeder Zeit an mich wenden.