Bohuslav-Martinů-Zentrum in Polička

Inauguración del Centro Bohuslav Martinů, foto: Martina Schneibergová

Die Musik von Bohuslav Martinů kann ihre Wurzeln in der tschechischen Tradition nicht verleugnen. Mehr als 50 Jahre hat der Komponist im Ausland verbracht, immer war er jedoch mit seiner Heimatstadt Polička eng verbunden. Anlässlich des bevorstehenden 50. Todestags des Komponisten wurde in Polička vor kurzem ein Bohuslav-Martinů-Zentrum eröffnet.

Im neu eröffneten Bohuslav-Martinů-Zentrum gibt es vier Sammlungen. Die erste davon dokumentiert die Geschichte der Stadt Polička, die zweite zeigt die Glasproduktion aus der Region Horácko, zu der Polička gehört. Drittens kann man im Zentrum eine Schulklasse besichtigen, die so gestaltet wurde, wie sie zu Bohuslav Martinůs Zeit ausgesehen hat. Denn das Museum befindet sich im Gebäude, in dem früher die Knabenschule war, die auch der kleine Martinů besucht hat und wo er während des Ersten Weltkriegs dann selbst Lehrer war. Die vierte Sammlung schließlich konzentriert sich direkt auf die Persönlichkeit des Komponisten, sein Leben und Werk.

Zur Eröffnung des Museums wimmelte es in der historischen Klasse nur so von wissenshungrigen „Schülern“ – fast jeder Besucher wollte wenigstens Martinůs Schulbank ausprobieren, viele ließen sich vor der Tafel fotografieren. In dem Raum ist ein Hauch von Nostalgie zu spüren. Lucie Jirglová hat die Sammlung über den Komponisten zusammengestellt und half bei der Gestaltung der Schulklasse:

„Der Raum sah am Anfang des 20. Jahrhunderts genau so aus, wie wir ihn gestaltet haben. Der Fußboden ist original, die Möbel sind auch alt, sodass es für die Besucher ein Erlebnis sein kann. Aus dem Fenster ist der Kirchturm, in dem der Komponist geboren wurde, gut zu sehen.“

Die Grundlage der Martinů-Sammlung bilden Bestände des Museums, aber einiges sind auch Privatstücke – vor allem vom großen Martinů-Kenner Jaroslav Mihule. Er hat dem Museum einige Originalgegenstände geliehen. Die Kuratorin:

„Es war nicht einfach, eine neue Sammlung zusammenzustellen und dabei die frühere Sammlung zu ignorieren. Wir haben uns darum bemüht, sowohl Originalgegenstände als auch Kopien wichtiger Dokumente zu zeigen. Ein Teil der Exponate stammt aus dem Tschechischen Musikmuseum. Die Sammlung ist in vier Teile gegliedert, die die einzelnen Etappen im Leben des Komponisten beschreiben. Im ersten Teil erfährt man mehr über das Leben des Komponisten in Polička und in Prag, im zweiten wird der Aufenthalt in Paris beschrieben. Im dritten Teil wird Martinus Aufenthalt in den USA dokumentiert und viertens kann man mehr über die letzten Jahres seines Lebens erfahren, als der Komponist nach Europa zurückkehrte."

Noten, Bücher, Korrespondenz, aber auch jene Originalgegenstände werden gezeigt, welche die Familie Martinů in ihrem Zimmer im Kirchturm hatte. Dazu gehören einige Paare kleiner Schuhe, das Spielzeug des Komponisten, ein kleines Notenpult, aber auch das Gedenkbuch der Jakobskirche aus dem Jahr 1862. Zu sehen sind zudem Exponate aus späterer Zeit, wie beispielsweise eine Handtasche von Martinůs Frau Charlotte. Die Tasche bekam sie zur Hochzeit von ihrer Schwiegermutter Karolina Martinů geschenkt, erzählt die Kuratorin. Welches der Exponate ist am wertvollsten? Schwer zu sagen, meint Lucie Jirglová. Da sie die Gegenstände aus den eigenen Beständen des Museums gut kennt, hält sie eher die ausgeliehenen Exponate für attraktiv.

„Den Journalistenausweis von Bohuslav Martinů, den er als Korrespondent der Tageszeitung Lidové noviny benutzte, hat Professor Mihule dem Museum geliehen. Ausgestellt sind zudem die Reisepässe von Ehepaar Martinů. Für die Besucher kann auch der Flügel interessant sein, den der Künstler hier in Polička benutzte. Das Musikinstrument stand bereits in der alten Ausstellung, aber wir konnten es einfach nicht übergehen.“

Unter den ersten Besuchern des Zentrums war auch die stellvertretende Bürgermeisterin von Polička, Marie Tomanová. Sie sagte, ihre Vorgänger im Stadtrat seien sehr aufgeklärt gewesen, als sie einst Martinů unterstützt haben.

"Sie ermöglichten ihm, nach Prag zu reisen, um dort am Konservatorium zu studieren. Er stammte aus bescheidenen Verhältnissen und die Familie konnte das Studium nicht finanzieren. Es wurde damals eine Spendensammlung organisiert, und der Stadtrat beschloss den Bohoušek – wie er damals genannt wurde – zu fördern. Daraus könnten wir heute Lehre ziehen. Die Stadt hat dem Komponisten schon immer die entsprechende Aufmerksamkeit geschenkt. Bereits in den 30er Jahren gab es hier eine Ausstellung über ihn. Um 1945 wurde ihm die Ehrenbürgerschaft verliehen, und seinen Namen trug der Marktplatz. Von einer engen Beziehung des Komponisten zur Stadt zeugen die etwa 600 Briefe, die im Museum aufbewahrt werden. Ich meine, dass Polička für Martinů sehr bedeutend war. Und dies gilt auch umgekehrt, Martinů ist für die Stadt sehr wichtig."

In Polička ist der Komponist nicht nur zentrales Thema der neuen Museumssammlung. Musikinteressierte Bewohner haben auch einen Verein gegründet, der Wanderungen auf den Spuren des Komponisten unternimmt sowie Reisen zu Opernvorstellungen oder Konzerten aus Martinůs Werk organisiert. Der musikalischen Erziehung werde in Polička große Aufmerksamkeit geschenkt, sagt Marie Tomanová:

„Dies schätze ich besonders hoch. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Schule mit erweitertem Musikunterricht, die nach dem Komponisten benannt wurde. Die Kinder studieren momentan eines von Martinůs Ballette ein. Ich weiß, dass sie sich mit viel Enthusiasmus auf die baldige Premiere vorbereiten. Zudem wird hier ein Musikwettbewerb für Schüler und Studenten zu Ehren des Komponisten ausgetragen. Ich bin froh, dass dank des Wettbewerbs viele Kinder und Jugendliche aus ganz Tschechien zu uns kommen und engere Beziehungen nicht nur zu dem Komponisten Martinů, sondern auch zur Stadt Polička knüpfen.“

Neben musikinteressierten Laien besuchen auch viele Musikwissenschaftlicher und Musikstudenten Polička. Für sie wurde im neu eröffneten Martinů-Zentrum ein moderner Forschungsraum eingerichtet. Lucie Jirglová:

„Das Forschungszentrum ist nicht nur für tschechische Musikstudenten interessant, auch wenn sie Martinů meistens besser als die ausländischen Studenten kennen. Im letzten Jahr haben uns Musikstudenten aus den USA, aus Wales und aus Frankreich aufgesucht. Wir bereiten jetzt fremdsprachige Kataloge für alle Sammlungen im neu eröffneten Zentrum vor. Dies ist etwas, was wir schnell nachholen wollen.“

Das Bohuslav-Martinů-Zentrum ist von Dienstag bis Sonntag täglich von 9 bis 16 Uhr, im Sommer bis 17 Uhr geöffnet. Es befindet sich im Stadtzentrum von Polička in der Tylova-Straße.

Fotos: Autorin

10
49.713282100000
16.262063600000
default
49.713282100000
16.262063600000