Brief von Síkela an Habeck: Tschechien wirft Deutschland vor, Gas zu horten
Tschechien wirft Deutschland vor, in seinen Speichern Gas vorzuhalten, das eigentlich für den östlichen Nachbarn bestimmt ist. Berlin senke die Ausspeisekapazitäten einer Gaspipeline gerade in einer Zeit, in der die gesamte Region Probleme habe, die Lieferungen aus Russland zu ersetzen, heißt die Kritik aus Prag.
Der Presseagentur Bloomberg zufolge soll Tschechiens Minister für Industrie und Handel, Jozef Síkela (Stan), einen entsprechenden Brief an seinen deutschen Amtskollegen Robert Habeck (Grüne) geschickt haben. Zudem wandte er sich an EU-Energiekommissarin Kadri Simson.
In dem Schreiben kritisiert der Minister aus Prag, dass der deutsche Fernleitungsnetzbetreiber Gascade die Ausgangskapazität an einem Kopplungspunkt an der gemeinsamen Grenze reduzieren will. So soll diese ab 1. Oktober von derzeit 69 auf 14,5 Gigawattstunden heruntergefahren werden. Eine derartige Senkung der Kapazität gefährde den Geist der Zusammenarbeit auf dem Kontinent und könnte die Staaten in Osteuropa daran hindern, unabhängiger von Russland zu werden, heißt es laut Bloomberg in dem Brief. „Im Extremfall könnte eine derart niedrige Kapazität gerade so für den tschechischen Gasmarkt ausreichen, in keinem Fall wird sie jedoch deutlich zu Versorgung weiterer Länder beitragen“, wurde Síkela von der Presseagentur zitiert.
Einem Sprecher von Gascade zufolge spiegelt die Reduzierung der Kapazitäten am virtuellen Kopplungspunkt Brandov den Umstand wider, dass im deutschen System derzeit weniger Gas ist, da die Einfuhr aus Russland beendet wurde. Tschechien könne sich jedoch kurzfristig anderweitige Kapazitäten sichern. Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz teilte am Freitag gegenüber der Presseagentur ČTK mit, man nehme die Bedenken Tschechiens ernst. Über die Kapazitäten würden aber die einzelnen Gas- und Fernleitungsgesellschaften entscheiden, so die Sprecherin.
Tschechien und weitere Länder, darunter Österreich und die Slowakei, hatten Deutschland bereits Anfang des Jahres vorgeworfen, die Abnehmer durch Aufschläge beim Gaspreis an einer Abkehr vom russischen Gas zu hindern. Die Bundesregierung hatte daraufhin eingelenkt und angekündigt, die umstrittenen zusätzlichen Gebühren abzuschaffen.