Bronzebüste installiert: Václav Havels „Rückkehr“ ins Café Slavia
Am Samstag wird in ganz Tschechien an Präsident Václav Havel erinnert. Der Dramatiker und Bürgerrechtler starb vor zehn Jahren, am 18. Dezember 2011. Bereits vor einem Monat wurde in dem von Havel früher geliebten Prager Café Slavia eine Büste von ihm installiert.
Tief gerührt sang Dagmar Havlová im Café Slavia das Volkslied „Když jsem já šel tou Putimskou branou“. Ihr Mann hatte es früher sehr gemocht. Havlová war sehr erfreut darüber, dass nun eine Büste von Václav Havel eben in diesem Café steht.
„Schon vor Jahrzehnten sind hier viele tschechische Künstler zusammengekommen. Auch Václav besuchte das Café sehr gern. Die Büste, die die Bildhauerin Marie Šeborová geschaffen hat, erinnert an diese Zeit. Es gab Epochen, in denen Statuen unbequemer Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Raum verschwinden mussten und in einem Lapidarium versteckt wurden. Ich hoffe, dass diese Büste nie in einem Lapidarium landet. Genauso darf die Freiheit und Demokratie in diesem Land niemals ins Lapidarium abgeschoben werden.“
Das Café platzte am Abend des 17. November aus allen Nähten. Viele Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren dabei, als die Havel-Büste installiert wurde. Petr Benda ist Vorsitzender des Verwaltungsrats der tschechischen Zweigstelle von Amnesty International. Er erinnerte an das Engagement des Ex-Präsidenten im Kampf für die Menschenrechte in der Welt und fügte hinzu:
„2011 ist Václav Havel Mitglied unserer Menschenrechts-Gemeinschaft geworden. Ich nenne unsere Organisation absichtlich eine Gemeinschaft, die rund zehn Millionen Menschen in der ganzen Welt bilden. Sie teilen dieselben Werte. Uns ist das Leiden anderer Menschen nicht gleichgültig. Václav Havel war davon überzeugt, dass wir Unrecht, selbst wenn es an einem weit entfernten Ort in der Welt verübt wird, persönlich nehmen müssen. Es ist notwendig, dagegen die Stimme zu erheben.“
Das Slavia wurde 1884 – ein Jahr nach der Wiedereröffnung des Nationaltheaters – als Theatercafé eröffnet. Viele Schauspieler, Musiker, Dichter und bildende Künstler kamen hierher. Unter ihnen seien auch Persönlichkeiten aus dem Ausland gewesen, betonte Michael Žantovský. Er leitet die Václav-Havel-Bibliothek in Prag.
„Im Café Slavia war auch oft der berühmte Maler und Bildhauer Otakar Kubín (Othon Coubine) zu Gast, wenn er aus Frankreich nach Prag kam. Den Weg ins Café fanden zudem viele Exil-Literaten wie die russische Dichterin Marina Zwetajewa. Eine besondere Rolle in der tschechischen Kultur spielte jedoch die Gesellschaft am Tisch direkt am Fenster Richtung Moldau. Dort trafen tschechische Schriftsteller zusammen, die vom kommunistischen Regime verfemt wurden und selbst das Regime verurteilten. Wie sich einst der Dichter und Künstler Jiří Kolář erinnerte, warteten sie manchmal darauf, dass ihnen jemand einen Kaffee spendierte.“
Ihre vom Regime hofierten Kollegen nahmen laut Žantovský zwei Häuser weiter im Sitz des damaligen offiziellen Schriftstellerverbandes an Orgien teil, die vom kommunistischen Regime bezahlt wurden. Ihnen blieb laut Žantovský auch nichts anderes übrig, da sie ahnten, dass die überwiegende Mehrheit der begabten Literaten sich nicht mit dem Regime einließ und im Café Slavia diskutierte.
„Dieser Gesellschaft näherte sich in den 1950er Jahren der damals 15-jährige literarische Anfänger Václav Havel an. Später gehörte er zu ihnen und begann, das Café zusammen mit seinen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen wie Věra Linhartová, Viola Fischerová, Josef Topol und Miloš Forman zu besuchen. In der Gesellschaft von Mentoren wie Jiří Kolář und Zdeněk Urbánek verfeinerten sie ihren literarischen Geschmack und ihre moralischen Maßstäbe.“
Im Café lernte Havel auch seine erste Frau Olga kennen. 1968 entstand eben dort der Kreis unabhängiger Schriftsteller, den Havel leitete. Die ersten Unterschriften unter die Charta 77 wurden ebenfalls dort gesammelt. Michael Žantovský:
„Václav Havel ging immer hierher, nachdem er mal wieder aus dem kommunistischen Gefängnis entlassen worden war. Später sagte er, hier sei er für einen Moment wichtig gewesen, weil er von seinen Erlebnissen erzählen konnte.“
In den 1990er Jahren schloss ein neuer Mieter das Café für einige Jahre. Havel, da bereits Staatspräsident, initiierte daher eine Petition für die Wiedereröffnung des belieben Intellektuellen-Treffpunkts.
„Wir fühlen heutzutage mit Schmerz, wie sehr uns Václav Havels Weisheit, Mut und absurder Humor fehlen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns mit seiner Büste hier zu begnügen.“