Brücken bauen für gute Nachbarschaft - Bundespräsident Gauck in Tschechien
Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck ist am Sonntag zu einem Staatsbesuch in Prag eingetroffen. Das offizielle Programm begann am Montag. Wichtigster Termin war am Mittag ein Treffen mit dem tschechischen Amtskollegen Miloš Zeman.
Zum tschechisch-deutschen Verhältnis merkte Zeman an, dass es im Prinzip ja keine Konflikte und Probleme gebe, aber viele Möglichkeiten, um die Beziehungen weiterzuentwickeln. Gauck ergänzte, dass er gerne weitere Brücken bauen möchte. Für das bisher Erreichte verliehen sich die beiden Staatspräsidenten bei dem Treffen am Amtssitz des tschechischen Präsidenten auf dem Prager Hradschin jeweils hohe Auszeichnungen ihres Landes: Gauck erhielt von Zeman den Orden des Weißen Löwen erster Klasse, Zeman wiederum von Gauck den Bundesverdienstorden „Sonderstufe des Großkreuzes“.
Beim Thema Europa hob Gauck den neuen Kurs in Tschechien hervor, den sowohl die Mitte-Links-Regierung als auch der Staatspräsident repräsentieren. Zeman habe alle „glücklich gemacht mit seinem Bekenntnis zu Europa“, sagte Gauck.„Es ist ein Signal an die Bevölkerungen in ganz Europa, die ja in einigen Teilen eher zurückhaltend geworden sind, was die europäische Idee betrifft“, so der Bundespräsident.
Zeman wiederum hob die Bedeutung Deutschlands in Europa hervor:
„Ich bin mir dessen bewusst, dass Deutschland der Motor der Europäischen Union ist. Und ich wäre froh, wenn Tschechien wenigstens das Getriebe sein könnte.“Aber auch die Ukraine-Krise wurde angesprochen. So sagte der Bundespräsident, dass jetzt eine aktive Politik unternommen werden müsse, die auf eine Entspannung im Ukraine-Konflikt ziele. Zeman äußerte Befürchtungen, dass die Ukraine - angesichts des Ausbruchs von Gewalt in der Millionenstadt Odessa - auf dem Weg zu einem Bürgerkrieg sein könnte.
Vor zwei Jahren war Joachim Gauck zum ersten Mal bei einem offiziellen Besuch in Tschechien gewesen, damals noch auf Einladung von Václav Klaus. Im Mittelpunkt standen im Oktober 2012 das Gedenken in der Gemeinde Lidice, der Ort war von den Nationalsozialisten als Racheakt zerstört und die Bewohner umgebracht oder in KZs verschleppt worden. Gauck bekannte sich in Lidice zur deutschen Schuld durch Krieg und Besatzung, was ihm damals in Tschechien hoch angerechnet wurde. Der jetzige Besuch des Bundespräsidenten erfolgt am Jahrestag des Prager Aufstands gegen die deutschen Besatzer im Jahr 1945 und im Vorfeld des tschechischen Feiertags zum Kriegsende am 8. Mai. Allein schon deswegen steht auch die gemeinsame Geschichte wieder im Zentrum. So wird Joachim Gauck am Dienstagnachmittag die Gedenkstätte Terezín / Theresienstadt besuchen. Dass Zeman ihn bei dem Besuch begleiten werde, halte er nicht für selbstverständlich:„Ich sehe das als ein Beleg dafür, dass wir uns nach den dunklen Zeiten Brücken der Verständigung errichtet haben, die verlässlich sind.“
In Theresienstadt hatten die nationalsozialistischen Besatzer während des Zweiten Weltkriegs ein Konzentrationslager beziehungsweise ein Ghetto errichtet. Zehntausende Menschen kamen dort ums Leben. Ein weiterer Termin, bei dem Gauck dezidiert die Geschichte in den Mittelpunkt stellen möchte, ist am Mittwochnachmittag eine Diskussionsrunde mit Schülern und Vertretern von Bürgerinitiativen. Dabei will man sich darüber unterhalten, wie mit der gemeinsamen tschechisch-deutschen Historie umgegangen werden sollte.Am Dienstag soll Gauck des Weiteren in der Prager Karlsuniversität eine Rede halten zu Europas Vielfalt und Europas Reichtum. Außerdem steht während des Besuchs ein wirtschaftlicher Termin auf dem Programm: So beichtigen Zeman und sein deutscher Gast am Mittwoch die Škoda-Werke im mittelböhmischen Mladá Boleslav / Jungbunzlau - der tschechische Autohersteller gehört seit den 1990er Jahren zum Volkswagenkonzern. Bis Joachim Gauck am Mittwochabend wieder nach Berlin zurückfliegt, ist sein Programm in Tschechien also ziemlich voll.