Bruntál feierte EU-Beitritt

Stanislav Navrátil

Der EU-Beitritt Tschechiens wurde nicht nur in der tschechischen Metropole, und in den verschiedenen Grenzstädten groß gefeiert. In der schlesischen Stadt Bruntál (Freudenthal) wurden gleich mehrere beachtenswerte Veranstaltungen anlässlich des EU-Beitritts organisiert. Martina Schneibergova war dabei.

Stanislav Navrátil
Die Region von Bruntál, die nicht zu den attraktivsten Regionen der Tschechischen Republik gehört, kann auf eine reichhaltige Geschichte zurückblicken. Bruntál ist übrigens die älteste Stadt mit Stadtrechten in Tschechien. Denn schon Anfang des 13. Jahrhunderts wurden ihr die königlichen Stadtprivilegien verliehen. Das heutige Antlitz der Stadt trägt jedoch immer noch Spuren einiger Ereignisse aus der jüngeren Geschichte - der Vertreibung der deutschen Bewohner, des nicht nur aus architektonischer Sicht erschütternden sozialistisches Aufbaus sowie der Stationierung russischer Truppen nach 1968 direkt in der Stadt.

Um das historische sowie kulturelle Bewusstsein der Bürger wieder herzustellen sowie ein Programm der Entwicklung der Region zu entwerfen, wurde in Bruntál anlässlich des EU-Beitritts des Landes eine internationale Konferenz veranstaltet. Initiiert wurde sie von der Bürgerinitiative "Vlastenecký poutník (Heimatwanderer)", daran beteiligten sich zahlreiche andere gemeinnützige Organisationen, von denen es in der Region mehr als 200 gibt. Der Bürgermeister von Bruntál, Stanislav Navrátil, von der liberalen Freiheitsunion, leitete eine der vier Arbeitsgruppen. Sie konzentrierte sich auf das Antlitz der Gemeinden und der Landschaft. Während der Beratungen, an denen Architekten, Hochschulprofessoren, Staatsbeamte sowie Lokalpolitiker teilnahmen, wurde unter anderem die Errichtung einer Webseite zum diskutierten Thema vorgeschlagen. Bürgermeister Navrátil räumte seine anfängliche Unsicherheit ein:

"Ich hatte Befürchtungen davor, wie der Gedanke akzeptiert wird, die Problematik auf einer Webseite mit dem Arbeitstitel "Domov, kolébka lidskosti" (zu Deutsch etwa "Heimat - Wiege der Menschlichkeit") zu lösen. Diese Seite sollte eine Art methodische Anleitung darstellen, die ständig aktualisiert wird. Wir haben darüber geredet, dass der Kern der Politik in diesem Bereich in der Aufklärung, in der Bildung und in der Verbreitung von Informationen liegt."

Wallfahrtskirche auf dem Kohlenberg
Die Konferenz mit dem Titel "Bruntál kehrt nach Europa zurück" wurde am ersten Tag nach dem EU-Beitritt mit einer Diskussion über die EU-Verfassung aus der Perspektive regierungsunabhängiger Organisationen fortgesetzt.

Der Höhepunkt der EU-Feierlichkeiten in Bruntál spielte sich am Freitagabend auf dem Berg Uhlírský vrch (Kohlenberg) ab. Nach einem Gottesdienst in der Wallfahrtskirche wurde punkt Mitternacht eine neue feierliche Beleuchtung der Kirche eingeschaltet. Sie wird von nun an jede Nacht diese Dominante der Landschaft beleuchten. Rund 2000 Menschen waren bei diesem denkwürdigen Augenblick dabei. Nach der Nationalhymne und der "Ode an die Freude" brach ein spontanes Feiern aus, Menschen beglückwünschten sich gegenseitig und viele hatten auch eine Flasche Sekt oder Sliwowitz mitgebracht. Ich sprach eine Familie mit Kindern an. Was verspricht sich der Familienvater vom EU-Beitritt?

Zdenek Necas
"Ich meine, dass jetzt neue Möglichkeiten eröffnet werden, dass wir jetzt die anderen Staaten in Europa einholen oder überholen können. Es wird mehr Bildungsmöglichkeiten geben. Wir müssen sie selbst nutzen, denn niemand wird uns etwas schenken, wir haben die Möglichkeit, mehr zu erreichen - auch im ökonomischen Bereich. Aber ich glaube, wir haben auf dem Weg nach Europa doch schon etwas geleistet."

Das Projekt der Kirchenbeleuchtung stammt von Zdenek Necas, der bei dem großen Augenblick nicht fehlen durfte:

"Auf die Initiative von Bürgermeister Navrátil hin begann man über dieses Projekt voriges Jahr zu sprechen. Drei Viertel der finanziellen Mittel kamen dank Spendensammlungen zusammen. Ich wurde von der Stadt mit dem Projekt beauftragt. Als ich jetzt die beleuchtete Kirche sah, hatte ich Tränen in den Augen, denn ich konnte mir früher nicht mehr vorstellen, dass ich so etwas noch erleben werde, und dass die Kommunisten ihre Macht verlieren werden."