Buchillustratorin Lucie Müllerova: Stifters Landschaft ist in meiner Seele
Vergangene Woche, liebe Hörerinnen und Hörer, hat Radio Prag Ihnen das Buch "Märchen, Sagen und Legenden von Adalbert Stifter" vorgestellt, das anlässlich des 200. Geburtstags des Schriftstellers im Prager Vitalis Verlag erschienen ist. Der 80 Seiten umfassende Band besteht ausschließlich aus Stifter-Texten, die für die Reihe "Vitalis MärchenReich" zu einem Kinderbuch zusammengestellt wurden. Einen wichtigen Anteil an der Aufarbeitung für junge Leserinnen und Leser hatte auch die Illustratorin Lucie Müllerova. In der nun folgenden Ausgabe der Sendereihe "Heute am Mikrophon" wird Gerald Schubert Ihnen die junge Künstlerin näher vorstellen:
"Nachdem ich mein Studium in Linz beendet hatte, bin ich wieder in meine Geburtsstadt Krumau gekommen, um hier zu arbeiten. Mein Wunsch war es bereits während des Studiums, Kinderbücher zu illustrieren. Als Diplomarbeit habe ich mir Stifter ausgewählt und einen Zyklus von neunzehn farbigen Lithografien gemacht."
Kinderliteratur und Adalbert Stifter. Das sind zwei der Hauptinteressen von Lucie Müllerova, einer 27-jährigen Künstlerin aus dem südböhmischen Cesky Krumlov (Krumau). Wie ist es dazu gekommen, dass sie nach ihrer Rückkehr aus dem oberösterreichischen Linz im Buch "Märchen, Sagen und Legenden von Adalbert Stifter" schließlich beides miteinander verbinden konnte?
"Ich habe mich mit dem Museumsleiter von Krumau getroffen und mit ihm ein Gespräch geführt. Er hat mir Herrn Dr. Salfellner vom Vitalis Verlag empfohlen, mich ihm vorgestellt und ihm gesagt, dass ich als Illustratorin an Stifter interessiert bin. Das war im Jahr 2002, als ich die Akademie beendet habe. Ich habe also angefangen, für den Vitalis Verlag zu arbeiten, und zwei Jahre später kam dieser Traumauftrag. Das hat mich wirklich sehr gefreut, denn das Thema war in meiner Seele. Die Landschaft, in der Stifter geboren ist, ist mir sehr vertraut. Ich komme ja aus Krumau, das liegt in der Nähe des Böhmerwaldes an der tschechisch-österreichischen Grenze. Ich kenne viele dieser Orte, auf die sich die Sagen in dem Buch beziehen. Und ich habe sie auch aufgesucht, habe Fotografien gemacht und Zeichnungen. Und so hatte ich eine gute Materialsammlung."
"Das erste Buch, das erschienen ist, 'Fips hat Geburtstag', ist vom Stil her ziemlich verschieden. Auch was die Technik betrifft. Ich habe jetzt die Temperafarben entdeckt, und 'Märchen Sagen und Legenden' ist das erste Buch, das ich in dieser Technik gemacht habe. Ich habe dabei mit den Farben experimentiert und die Illustrationen nicht besonders beschreibend gemalt. Ich wollte einfach die Atmosphäre ausdrücken, die der Text ausstrahlt und die Stifter so wunderbar herbringt."
"Am Rande dieses Waldes, wo heutzutage schon Felder sind, wo aber dazumal noch dichtes Gehölz war, befand sich zur Zeit der Pest eine Pechbrennerhütte. In derselben wohnte ein Mann, von dem ich dir erzählen will. Mein Großvater hat sie noch gekannt, und er hat gesagt, dass man zeitweilig von dem Walde den Rauch habe aufsteigen sehen, wie du heute die Rauchfäden hast aufsteigen gesehen, da wir heraufgegangen sind." "Ja, Großvater", sagte ich.
Und so beginnt die Geschichte "Das Mädchen aus den Brombeeren". Lucie Müllerova:"Das Buch müsste nicht wirklich ein Kinderbuch sein. Diese Texte wurden ja aus verschiedenen Werken Stifters entnommen, aus den 'Bunten Steinen', aus dem 'Hochwald' oder aus dem Roman 'Witiko'. Eigentlich ist das also gar keine Kinderliteratur, aber ich habe die Illustrationen für dieses Buch so gemacht, dass es auch für die Kinder einen Reiz hat."
Beim Anfertigen der Illustrationen, sagt Müllerova, ist man zunächst noch an kein festes Format gebunden. Die endgültige Version der Werke muss sich schließlich ja doch noch an das Medium Buch anpassen. Dafür hat man vorher freie Hand, etwa was die Größe der Originale betrifft:
"Ich mache in der Regel Illustrationen, die ungefähr um die Hälfte größer sind. Nur die Doppelseiten mache ich eins zu eins. Es ist besser, sie etwas größer zu machen, denn verkleinert sind dann die Details einfacher schärfer."
"Bevor ich die Hochschule in Linz besucht habe, habe ich am Gymnasium sechs Jahre Deutsch gelernt. Die Sprache hat mich dann so interessiert, dass ich mich entschieden habe, ins Ausland zu gehen. Es hat mich nach Österreich gezogen."
Entdeckt hat Müllerova schließlich die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in der oberösterreichischen Landeshauptstadt.
"Dort habe ich mich für die Richtung Malerei und Grafik eingeschrieben, mit Spezialisierung auf Druckgrafik. Und es war mir eigentlich gleich am Anfang des Studiums bewusst, dass ich Illustrationen machen möchte."
Die Landschaft, in der Lucie Müllerova geboren und aufgewachsen ist - das hat sie uns bereits erzählt - prägt stark ihre künstlerische Arbeit. Die junge Tschechin hat aber noch nie ein Buch illustriert, das in ihrer Muttersprache verfasst wurde:"Nein, bis jetzt habe ich nur mit deutschen Texten gearbeitet. Die 'Märchen, Sagen und Legenden' sind aber jetzt zum ersten Mal auch auf Tschechisch erschienen."
Und wie steht es mit Vorbildern aus ihrer Heimat?
"Vorbilder gibt es natürlich. Ich habe die tschechische Illustrationskunst, die hier sehr verwurzelt ist, im Blut, und ich glaube, das merkt man meinen Illustrationen auch an. Aber da ich auch im Ausland gelebt habe, habe ich auch andere Einflüsse aufgenommen. Auch nach Italien fahre ich öfter, ich habe dort Illustrationskurse gemacht. Und es ist wichtig, auch internationale Ausstellungen über Illustration zu besuchen, oder etwa die Buchmesse in Bologna. Man kann sich nicht immer nach den alten Meistern richten, es ist auch wichtig, diese äußeren Einflüsse auf sich wirken zu lassen."
Von der renommierten Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur wurden die "Sagen, Märchen und Legenden von Adalbert Stifter" übrigens zum Buch des Monats August gewählt. Mehr zum Schwerpunkt des Vitalis Verlags anlässlich des Stifter-Jahres 2005 finden Sie im Internet: www.vitalis-verlag.com