Chiles Bergleute und „Wunderrabbiner“ Havel
Auf allen Titelseiten findet man Fotos und Berichte über die Rettung der verschütteten chilenischen Bergleute. Einen Kommentar dazu bringt die Tageszeitung Lidové noviny aus der Feder von Zbyněk Petráček:
„Diese Zivilisation wird heutzutage wirtschaftlich, finanziell sowie technologisch von China überrollt. Worin sie jedoch China überlegen ist, ist eben die Betonung des Wertes jedes einzelnen Menschen. Und dank den chilenischen Kumpeln sieht es die ganze Welt.“
„Es war zu erwarten, dass die Prager Debatte, diesmal zum Thema ´Die Welt, in der wir nicht leben wollen´ einen bitteren Ton enthalten wird. Eine Minimaldosis von Zivilisationsskepsis und die Erkenntnis, dass sich das Milieu, in dem wir leben, verschlechtert, gehören zu solchen Ereignissen. Schade, dass sich Menschen, die so tiefe Gedanken haben, mit derart üblichen Klischees begnügen, wie das von der sich verschlechternden Umwelt.“
Viel mehr Verständnis für die Intellektuellendebatte unter Havels Schirmherrschaft zeigte Jiří Peňás in der Tageszeitung Lidové noviny. In seinem Leitartikel mit dem Titel „Rabbiner auf dem Forum“ erinnerte er an die Geschichten jüdischer Schriftsteller über Wunderrabbiner, die durch ihre Weisheit berühmt waren und zu denen fromme Chassidim pilgerten. Das einfache jüdische Volk habe, so Peňás weiter, die Rabbinerweisheit oft nicht verstanden, aber zugleich gewusst, dass es nicht schlecht sein muss, wenn sich jemand mit abstrakten Gedanken befasst:
„Einer der Gedanken konnte vielleicht ja auch mal für das Volk von Nutzen sein. Der Wunderrabbi wird nicht ewig da sein, und wenn er dann im Himmel ist, dann weiß Gott, ob ihn jemand ersetzen wird. Der Rabbi heißt Václav Havel und er lebt im Schtetl Prag.“