Chomutov / Komotau: Industriestadt mit einem historischen Stadtkern

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In der allgemeinen Vorstellung der tschechischen Bevölkerung ist die nordböhmische Stadt Chomutov / Komotau vor allem mit dem Bergbau und der Schwerindustrie verbunden. Davon, dass die Stadt jedoch auch eine reichhaltige Geschichte hat, versuchten wir Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, in der vergangenen Ausgabe der Sendereihe "Reiseland Tschechien" bereits zu überzeugen. Wir haben Sie ins Regionalmuseum von Chomutov geführt, das sich in den letzten Jahren vor allem auf die Stadtgeschichte der letzten zwei Jahrhunderte konzentriert und das Leben der einst vorwiegend deutschsprachigen Bewohner der Region zu dokumentieren versucht. Martina Schneibergova und Lothar Martin laden Sie in den folgenden Minuten noch einmal in das historische Chomutov ein.

Für denjenigen, der die Stadt zum ersten Mal besucht und mit dem Auto oder Bus von Prag kommend zuerst nur die grauen Plattenbaublöcke zur Kenntnis nimmt, die einst als Errungenschaften der sozialistischen Ära gepriesen wurden, kommt nach einer kurzen Fahrt doch eine angenehme Überraschung: Rechts von der Hauptverkehrsader erhebt sich plötzlich ein historischer Gebäudekomplex. Wenn man dann durch das Areal dieses ehemaligen Jesuitenkollegs spaziert, kommt man in das historische Stadtzentrum auf den Platz des 1. Mai. Der Marktplatz mit den zahlreichen renovierten alten Häusern erweckt den Eindruck, man befinde sich auf einmal in einer völlig anderen Stadt. Der Direktor des Regionalmuseums von Chomutov, Stanislav Ded, machte mich zuerst auf den beachtenswertesten Bau der Stadt aufmerksam:

"Der Bau ist eine der wertvollsten gotischen Sehenswürdigkeiten in Böhmen. Es ist die St. Katharina-Kirche, die um das Jahr 1281 erbaut wurde. Der Bau der Kirche wurde vom deutschen Ritterorden initiiert, der sich hier 1252 niederließ. Damals schenkte ein gewisser Friedrich Nacerat das Herrengut Chomutov dem Ritterorden. Die Ritter blieben hier etwa 150 Jahre lang, praktisch bis zu den Hussitenkriegen. Unter der Herrschaft des deutschen Ritterordens blühte Komotau auf. Diese frühgotische Kirche befand sich in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts leider in einem recht erbärmlichen Zustand - sie drohte einzustürzen. Nach der Wende von 1989 wurde die Kirche renoviert und heute stellt sie eine architektonische Perle nicht nur der Stadt, sondern von ganz Nordböhmen dar."

Der Sakralbau wird jedoch seit Josef II. nicht mehr als Kirche genutzt. Er diente zuerst als Speicher, danach als Lagerraum und während des Zweiten Weltkriegs wurden dort sogar Militärkrankenwagen geparkt. Heute ist der Bau mit dem historischen Rathausgebäude verbunden. Für Interessenten werden Führungen durch alle gotischen Säle angeboten. Gegenüber dem Rathaus steht eine weitere im Inneren reich geschmückte Kirche - die Dekanskirche Maria Himmelfahrt. Die Dreifaltigkeitssäule vor dem Rathaus steht nicht auf ihrem ursprünglichen Standort, sondern wurde - wie man mir verraten hat - im vergangenen Jahrhundert um etwa zwanzig Meter versetzt. Die St. Ignaz-Kirche, die zum Areal des 1591 gegründeten Jesuitenkollegs gehört, stellt die Dominante der anderen Seite des historischen Marktplatzes dar.

Stanislav Ded
Die Räumlichkeiten des erwähnten historischen Rathauses werden teilweise vom Regionalmuseum in Chomutov genutzt. Das Haus wurde mehrmals umgebaut, ursprünglich stand hier der Sitz des deutschen Ritterordens. Dank mehrerer Umbauten findet man im Rathaus architektonische Elemente aus verschiedenen Zeitepochen. Im Historischen Saal kann man die ständige Ausstellung von gotischen Plastiken aus den Museumssammlungen besichtigen, erzählt der Museumsdirektor und setzt die Führung fort:

"Wir waren gerade im gotischen Saal des ehemaligen Ordenshauses und befinden uns jetzt im kleineren Seitensaal. Hier wurde eine Ausstellung historischer Apotheken installiert. Zu sehen und besonders hervorzuheben ist die Originaleinrichtung der Apotheke aus dem Frauenkloster in Kadan / Kaaden. Außerdem findet man hier einzelne Geräte und Instrumente, die aus verschiedenen Apotheken der Region zusammengetragen wurden. Nach diesem Raum erreicht man den inneren Hof, den so genannten Mönchhof, der ein Lapidarium des Museums darstellt. Insbesondere im Sommer ist der Hof einen Besuch wert. Man kann sich dort bei einer Tasse Kaffee entspannen und die Atmosphäre genießen."

Im hinteren Saal des Rathauses ist das ganze Jahr über eine zeitgenössische Weihnachtskrippe installiert, die als Fialas Weihnachtskrippe bezeichnet wird. Nicht weniger als 550 Figuren tummeln sich in dieser mechanischen Krippe, die das Stadtleben treu widerspiegelt:

"Sie zeigt zahlreiche Handwerke, von denen es einige nicht mehr gibt. Man sieht hier Szenen aus dem Leben auf dem Lande und aus der Stadt. Die Komotauer erkennen hier nicht nur historische Sehenswürdigkeiten, wie beispielsweise die Burg Hazmburk, sondern auch einige Stadtbewohner. Denn diese Figur hier stellt beispielsweise die Kuratorin unseres Museums dar. Im Hintergrund sieht man den Komotauer Gesangchor, und der Mann im blauen Mantel ist Herr Fiala, der die Weihnachtskrippe geschnitzt hat."

Die fein geschnitzte, aber mechanisch komplizierte Einrichtung setzt sich in Bewegung, und man kann das Stadtleben hautnah beobachten.

Nach dem Rundgang durch die Räumlichkeiten des historischen Rathauses, die vom Museum genutzt werden, kommen wir in das ehemalige Jesuitengymnasium zurück, wo das Regionalmuseum seinen Hauptsitz hat. Über die dort untergebrachten archäologischen Sammlungen und die ethnografische Ausstellung haben wir Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer, bereits vor zwei Wochen informiert. Was den Ausstellungsplan anbelangt, so schenkt das Museum in diesem Jahr der Musik seine besondere Aufmerksamkeit. Noch bis zum 25. März zeigt es eine Ausstellung über den österreichischen Komponisten Alexander Zemlinsky. Über die nächsten Pläne sagte Stanislav Ded:

"Eine weitere Ausstellung, die noch im März eröffnet wird, wird den Komponisten Theodor Veidl vorstellen, der aus dem nahe gelegenen Vysocany / Wissotschan stammte. In dem Gebäude, in dem wir jetzt sind, studierte er, denn er besuchte das hiesige Jesuitengymnasium. Veidl hatte ein trauriges Schicksal. Bei Kriegsende wurde er als Deutscher verhaftet. Er kam 1946 im Internierungslager Theresienstadt ums Leben. Wie auch die Aufführung von Veidls Oper ´Die Kleinstädter´ im Prager Ständetheater vor kurzem bewies, verdient es der Komponist, wieder entdeckt zu werden."

Im Sommer wird im Museum die Wanderausstellung gezeigt, die unter dem Titel "Mozart in Wien - Mozart in Prag" im Österreichischen Kulturforum in Prag stattfand. Neben den musikalischen Ausstellungen bereitet das Museum in Chomutov mehrere Veranstaltungen anlässlich des 250. Geburtstags von Franz Josef Gerstner vor. Gerstner war ein namhafter Mathematiker und Physiker, der aus Chomutov stammte.

Fotos: Autorin

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