Collegium Bohemicum - Museum für die Geschichte der Deutschen in den Böhmischen Ländern
"Collegium Bohemicum": So lautet der Name einer Initiative, die in der nordböhmischen Stadt Usti nad Labem (Aussig an der Elbe) entstanden ist. Die Stadt, die Jan Evangelista Purkyne Universität und das Museum in Aussig stehen bei der Geburt eines Projekts Pate, das die Gründung eines Museums und einer Forschungsstätte für die Geschichte der Deutschen in den Böhmischen Ländern vorsieht. Im folgenden Kultursalon von und mit Markéta Maurová erfahren Sie mehr dazu.
In Usti nad Labem (Aussig) gibt es die Initiative, ein Forschungs- und Verständigungszentrum zu gründen, und zwar das so genannte "Collegium Bohemicum", das sich mit der Erforschung der Geschichte der Deutschen in den Böhmischen Ländern beschäftigen wird. Wie soll diese Institution aussehen? Welche Ziele hat sie?
"Wie sie genau aussehen wird, wissen wir noch nicht ganz genau, deswegen findet hier diese Tagung statt. Aber jedenfalls möchten wir, dass es ein internationales Zentrum ist, das sich im besten europäischen Sinne mit der Frage der deutsch-tschechischen Geschichte sowie mit allgemeinen Fragen der Kultur usw. beschäftigt."
Gibt es schon jetzt an der Universität oder im Museum eine Forschungsstelle, die sich auf dieses Thema spezialisiert?
"Ja, an der Universität ist unser Institut für Slawisch-Germanische Forschung, und wir haben eine langjährige Zusammenarbeit mit dem Museum, mit dem Archiv, aber auch mit unseren Kollegen aus Prag, Liberec usw., aber auch internationale Kontakte. In diesem Sinne wurde auch schon Vieles gemacht und zuletzt auch eine Gesellschaft für die Geschichte der Deutschen in Böhmen gegründet, die eine Übersicht dieser Tätigkeit erstellen soll.
Wo sind Ihrer Meinung nach die größten Lücken? Was ist besonders erforschungswert?
"Die ganze Geschichte ist erforschungswert. Die Lücken existieren selbstverständlich, aber sie werden langsam gefüllt. Und man muss sagen, man kommt bis in die neueste Geschichte, man erforscht heute auch schon die Geschichte der DDR bzw. der beiden deutschen Staaten usw. Und es ist einfach ein legitimes historisches Ziel, alles zu erforschen."
Dieses Thema der tschechisch-deutschen Beziehungen beziehungsweise der Geschichte der Deutschen in den Böhmischen Ländern, das ist ein Thema, das auch von der Politik sehr stark geprägt wird. Was für eine Rolle spielt das für Sie, für Ihre Forschungsarbeit?
"Wir bemühen uns, dass die Politik möglichst geringe Einwirkung auf unsere Forschung hat. Man muss selbstverständlich verhandeln, in dem Sinne, dass man sich um Gelder bemühen muss, aber das bedeutet nicht, dass dies unsere Tätigkeit oder unsere Interessen beeinflusst. Wir haben hier auch Leute, die aus Amerika oder aus der Schweiz usw. kommen und sich mit diesen Themen befassen. Es wurden schon eine ganze Reihe von Arbeiten publiziert, und dies hat mit dem frustrierenden deutsch-tschechischen Verhältnis eigentlich überhaupt nichts zu tun."
Sie haben gesagt, die Gestalt des Zentrums oder des Collegiums wird sich erst profilieren. Wie stellen Sie es sich jedoch vor? Soll es ein wissenschaftliches Institut sein, eine Bibliothek oder ein Museum?
"Wir haben damit schon angefangen. Wir haben bereits ein Zentrum für regionale Geschichte, eine Bibliothek die dank der Unterstützung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds bereits wächst. Selbstverständlich möchten wir auch die echt musealen Gegenstände nutzen. Und dann hauptsächlich Projekte, Forschung usw."
Soweit Kristina Kaiserova von der Jan Evangelista Purkyne Universität in Aussig. Und wie schätzt ihr Prager Kollege Jan Kren, ein Mitglied der tschechisch-deutschen Historikerkommission, das Vorhaben ein?
"Ich stimme dieser Initiative zu. Ich finde, es ist eine wirklich schöne und wichtige Initiative. Besonders in dieser Zeit, in der wir Mitglied der Europäischen Union werden, ist es sozusagen unsere europäische und auch nationale Pflicht, die Erbschaft zu pflegen. Die sudetendeutsche beziehungsweise böhmischdeutsche Kultur ist ein Teil unserer Geschichte, unsere Erbschaft, und sie ist auch ein Teil der europäischen Kultur und europäischen Erbschaft. Eine solche Institution in Usti zu gründen, ist eine hervorragende Idee. Wir werden sehen, ob sie zu finanzieren ist. Ich wünsche es mir."
An dem, was die tschechische Geschichtswissenschaft in diesem Bereich bereits entdeckt hat, haben sich in hohem Maße gerade Historiker aus Usti beteiligt, unterstreicht Prof. Jan Kren.
"In dieser Hinsicht setzen sie ihre Arbeit fort, aber das Neue ist eine Institution - Archiv, Museum usw. So etwas haben wir nicht und vielleicht sollten wir es haben. Vielleicht auch aus touristischen Gründen."
Nicht nur Historiker, sondern auch Politiker haben auf der Konferenz in Usti über das "Collegium Bohemicum" diskutiert. Der Präsident der Oberen Kammer des tschechischen Parlaments, Petr Pithart, meint, die Initiative bringe das tschechisch-deutsche Verhältnis auf ein neues Niveau."Wenn ich es richtig verstehe, bedeutet die Aussiger Initiative, dass wir auf dem Gebiet der Tschechischen Republik anfangen, uns mit dem Zusammenleben der Tschechen und Deutschen, und nicht nur mit dem Ende dieses Zusammenlebens systematisch zu beschäftigen. Und dass wir uns in der Stadt und dieser Region, die durch gemeinsames Streben von Tschechen und Deutschen entstanden ist, auch mit positiven Seiten unseres Zusammenlebens beschäftigen werden. Das ist das Neue. Wir beginnen, die Geschichten der Deutschen mit unseren Worten zu erzählen. Darum geht es, und wir nehmen natürlich an, dass auch sie dies leisten werden. Denn das ist eine Voraussetzung für Verständigung."
Auch die Vizepräsidentin des deutschen Bundestags, Antje Vollmer, zeigte sich über die geplante Gründung erfreut:
"Ich finde diese Initiative großartig. Ganz besonders großartig finde ich, dass sie eindeutig von tschechischer Seite ausgegangen ist. Dass man sich nicht von außen nötigen lässt, sondern gesagt hat: Wir packen es jetzt selbst an, es ist unser eigenes Interesse und es werden auch unsere eigenen Lehren sein. Wir laden so Freunde aus Österreich, Deutschland und woher auch immer ein, mit uns zusammenzuarbeiten. Ich finde, das ist ein selbstbewusster Weg, der hat mich ungeheuer gefreut."