Corona-Pandemie: Tschechien baut Bettenkapazitäten aus, doch es fehlen die Ärzte
Laut einer Modellstudie stehen die tschechischen Krankenhäuser angesichts der vielen Corona-Patienten vor Engpässen: Bis Ende Oktober könnten die Bettenkapazitäten ausgeschöpft sein. Deswegen wurde jetzt die Armee aktiviert, um in Prag ein Feldlazarett aufzubauen. Doch nicht alle Mediziner sind von dieser Maßnahme überzeugt.
Seit Wochen bereits steigen die Corona-Zahlen in Tschechien wieder. Es sind immer weitere Höchstwerte an Neuinfizierten. Am Donnerstag etwa kamen sogar 9721 Fälle hinzu, das sind fast 2400 mehr als in Deutschland am selben Tag. Mit einem teilweisen Lockdown versucht die Regierung mittlerweile gegenzusteuern. Dennoch sagte Gesundheitsminister Roman Prymula (parteilos) am Freitagvormittag:
„Die Gesamtzahl der Erkrankten wird steigen. Ich hoffe, dass dies nicht für die ganzen drei Wochen bis zum Ende der Maßnahmen gelten wird. Aber mindestens noch 10 bis 14 Tage dürfte dem so sein. Das heißt, wir müssen die Kapazitäten unseres Gesundheitssystems so ausbauen, dass wir den zu erwartenden großen Ansturm bewältigen können.“
Schon am Samstag wird deswegen mit dem Aufbau eines Feldlazaretts begonnen. Es entsteht in den Messehallen des Prager Außenbezirks Letňany.
„Das Feldlazarett soll 500 Betten haben, aber nur zehn werden mit Beatmungsgeräten ausgestattet sein. Es handelt sich also nicht um eine Notaufnahme. Viel mehr werden hier dann Patienten mit leichteren Verläufen behandelt. Das Lazarett soll aber erst zum Einsatz kommen, wenn die Kapazitäten in den Krankenhäusern erschöpft sind“, so Gesundheitsminister Prymula.
In den vergangenen Wochen hatten tschechische Medien immer wieder darüber berichtet, dass auch Patienten mit leichtem Covid-19-Verlauf in Klinikbetten liegen. Mediziner erläuterten, es handle sich häufig um Fälle, bei denen eine Isolation zu Hause nicht möglich sei. Allerdings steigt auch die Zahl schwerer Krankheitsverläufe. Laut den Angaben des Gesundheitsministeriums waren es am Mittwoch insgesamt 543 Fälle.
Der Aufbau des Feldlazaretts läuft in der Regie der tschechischen Armee. Doch eines haben die Streitkräfte nicht: ausreichend medizinisches Personal. Verteidigungsminister Lubomír Metnar (parteilos):
„Natürlich hat die Armee keine solchen personellen Kapazitäten. Derzeit können wir für den Betrieb des Feldlazaretts und zum Teil auch für die Behandlung der Patienten einhundert Soldaten abstellen.“
Doch fehlendes Personal ist derzeit gerade einer der Schwachpunkte im hiesigen Gesundheitssystem. Zwar sprechen Fachleute davon, dass das Land rund 700 zusätzliche Intensivbetten brauchen könnte. Doch der Präsident der Ärztekammer, Milan Kubek, sagte am Donnerstagabend im Tschechischen Fernsehen:
„Ich persönlich fürchte mich mehr vor einem Mangel an qualifiziertem Personal als vor einem Mangel an Betten. Denn ein Bett taugt nichts, wenn es niemanden gibt, der behandeln kann. Und die Zahl kranker Mediziner steigt sehr schnell an.“
Am Donnerstag waren mehr als 6000 Ärzte und Pflegekräfte hierzulande in Corona-Quarantäne – entweder weil sie sich angesteckt hatten oder mit jemandem Infizierten in Kontakt gewesen waren. Laut Kubek verdoppeln sich die Zahlen alle zehn Tage. Die Ärztekammer hat deswegen einen Aufruf veröffentlicht. Sie bittet alle Tschechen mit medizinischer Praxis, die ins Ausland gegangenen sind, zumindest vorübergehend in der Heimat auszuhelfen.
Bereits jetzt müssen die Kliniken fachfremde Ärzte für die Behandlung von Covid-Patienten freistellen. Zudem versuchen sie, ehemalige Krankenhauskräfte wieder zu aktivieren. In diesem Zusammenhang ist der Chirurg Tomáš Šebek von „Ärzte ohne Grenzen“ skeptisch gegenüber dem Betrieb von Feldlazaretten. Šebek hat Erfahrung mit der Arbeit in solcher Art Krankenhäusern und äußerte sich im Tschechischen Fernsehen:
„Obwohl ich keine konkreteren Informationen dazu habe, halt ich es nicht für eine glückliche Lösung, eine Klinik auf der grünen Wiese zu errichten und dort medizinisches Personal aus unterschiedlichen Fachbereichen hinzuschicken. Da fehlt dann die Koordination, und man kennt sich nicht. Ich würde eher die Kapazitäten in bestehenden Krankenhäusern erhöhen und dort vielleicht Feldlazarette anbauen.“
Tatsächlich plant etwa auch Brno / Brünn als zweitgrößte tschechische Stadt, auf dem dortigen Messegelände ein Feldlazarett zu errichten. Unabhängig davon kommt Hilfe auch von außen. Bayern etwa hat angeboten, schwer kranke tschechische Covid-19-Patienten in seinen Krankenhäusern zu behandeln.