Krankenhauspersonal unter Druck: Stimmung in tschechischer Öffentlichkeit ist aggressiver geworden
Im ersten Corona-Jahr gab es in Tschechien für Mediziner und Krankenhauspersonal abendlichen Applaus und selbstgebackenen Kuchen. Inzwischen hat sich die Stimmung in der Bevölkerung deutlich gewandelt. Dies zeigt eine Reportage für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.
„In der ersten Corona-Welle gab es belegte Brote, Geschenke, Applaus von den Balkons und Konzerte. Heute habe ich schon Angst, mit einem Mundschutz in ein Geschäft zu gehen, weil ich eins auf die Nase bekommen könnte“, so beschreibt Oberarzt Jiří Vyhnal die aktuelle Stimmung.
Auf der Intensivstation des Krankenhauses im südmährischen Kyjov / Gaya herrscht reges Treiben, überall ist das Rascheln der Schutzanzüge zu hören. Dieses Geräusch ist dem Team von Vyhnal seit mehr als anderthalb Jahren vertraut.
Die epidemiologische Lage in Tschechien ist so schlecht wie nie, die Situation in den Krankenhäusern erneut angespannt. Aber dem medizinischen Personal werde kaum noch gedankt, klagt der Oberarzt. Vielmehr würden Schwestern und Ärzte inzwischen beschimpft, wenn sie von ihrer Arbeit berichten oder Impfungen befürworten. Schwester Eva nickt zustimmend. Sie arbeitet seit 13 Jahren auf der Station:
„Ich unterhalte mich lieber mit keinem mehr und gebe auch keinen Kommentar zum Thema ab“, sagt die Krankenschwester etwas aufgebracht.
Kollegin Ivana hat ihren Namen auf den Mundschutz geschrieben, um die Kommunikation mit den Patienten zu erleichtern. Sie berichtet, dass sie von Bekannten häufig gefragt werde, wie es gerade im Krankenhaus läuft und ob die Lage wirklich so schlimm sei. Wenn sie dies bestätige, werde ihr nicht geglaubt. Sie habe es bereits aufgegeben, mit Impfgegnern zu diskutieren, so Schwester Ivana:
„Ich weiß, dass das utopisch ist. Aber ich würde diese Menschen einfach für einige Stunden ins Krankenhaus schicken, damit sie sich ansehen können, wie es wirklich läuft. Dann würden sie sehen, dass auch ein junger Mensch schwer erkranken kann. Und wie mühsam er darum kämpft, wieder selbständig atmen zu können, ohne dass ihm ein Gerät dabei helfen muss.“
In Kyjov wird schon seit einer Woche täglich kalkuliert, wo Betten platziert werden können oder aber welcher Patient in eine andere Klinik geschickt wird. Alle zehn Betten der Intensivstation sind belegt, an jedem ist ein Beatmungsgerät im Einsatz. Auch ein älteres Ehepaar ist dabei, beide liegen bewusstlos nebeneinander. Von diesen zehn Patienten ist nur einer gegen Corona geimpft. Betreut würden alle von zwei Schwestern und maximal einem Arzt, erläutert Vyhnal:
„Die Ärzte sollten eigentlich im OP-Saal sein. Aber da die gängigen Operationen verschoben worden sind, werden die Kollegen nun hier auf der Covid-Station eingesetzt. Einige von ihnen haben noch nicht einmal ihre Approbation. Sie sind gerade einmal ein viertel oder halbes Jahr aus der Schule raus.“
Auch zwei Soldaten seien hier eingesetzt, ergänzt Vyhnal. An diesem Morgen hatte der Stationschef eine 24-stündige Schicht hinter sich. Nach zwei Stunden Schlaf ist er am Mittag schon wieder dabei, Patientenverlegungen zu organisieren. Schwester Eva erzählt, dass sich das Team nur im Sommer etwas erholt habe, als die Lage ruhiger war. Gefragt, ob sie sich auf Weihnachten freue, lacht sie laut auf…
„Weihnachten werde ich hier sein, in diesem Zustand. Nein, darauf freue ich mich nicht“, antwortet Eva entschieden.
Ihr Chef Jiří Vyhnal kann nur noch resigniert zusammenfassen:
„Die Stimmung in der Bevölkerung hat sich total geändert. Aber wir werden weiterarbeiten ohne Rücksicht darauf, was jemand darüber denkt.“
Schwester Eva stimmt ihm zu. Gleichzeitig stelle sich aber die Frage, wie lange sie und ihre Kollegen das noch durchhalten würden, merkt sie an.
Darauf hat bisher niemand eine Antwort für sie. Immerhin hat der designierte Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) in einer ersten Ansprache direkt nach seiner Ernennung am Sonntag dem medizinischen Personal im Land für seinen Einsatz in der Corona-Pandemie gedankt. Ob mit der neuen Regierung auch ein Stimmungswechsel in der Bevölkerung ansteht, bleibt abzuwarten.