Daniela Cervova vom Informationszentrum der Europäischen Union: Ein Resümee nach dem Beitritt

Informationszentrum der Europäischen Union in Prag

Tschechien ist der EU beigetreten, doch die Vorbereitung auf diesen Schritt war lange und oft mühsam. Eine der vielen Aufgaben, die in den letzten Jahren zu bewältigen waren, war die Information der tschechischen Bevölkerung über das, was die EU für das Land eigentlich bedeutet. Antworten auf die Fragen der Menschen hatte das Informationszentrum der Europäischen Union in Prag. Gerald Schubert hat für unsere Sendung "Heute am Mikrophon" seine Direktorin Daniela Cervova um ein Resümee gebeten:

"Ich würde sagen: Endlich geschafft! Wir haben ja vier Jahre daran gearbeitet, die Menschen in der Tschechischen Republik darüber zu informieren, was der Beitritt genau bedeuten wird, was die EU bringt und nimmt. Und jetzt kann ich sagen: Toi, toi, toi! Wir sind dabei, und es hängt nur von uns ab, was wir davon haben werden. Das betrifft jeden Einzelnen persönlich und auch den ganzen Staat. Es ist sehr viel Geld für uns vorbereitet, es sind sehr viele Möglichkeiten offen. Man kann ausreisen, man kann überall unternehmen, man kann sich frei bewegen. Für mich ist der Beitritt jedenfalls ein guter Schlusspunkt hinter meine Karriere hier im EU-Informationszentrum. Auch deshalb, weil ich eine Emigrantin bin, die nach der Wende zurückgekehrt ist. Also ich nehme das sehr persönlich, dass wir jetzt endlich dabei sind."

Wo waren Sie denn vor Ihrer Rückkehr, und wann sind Sie emigriert? Sie sind ja jung, also nehme ich an, Sie waren noch ein Kind.

"Ja ich war gerade zwölf oder dreizehn. Wir sind zuerst nach Bielefeld gegangen, zu meiner Tante. Und dann hat man uns als Asylbewerber nach Bad Königshofen geschickt, also nach Bayern, wo ich aufs Gymnasium gegangen bin. Daher auch meine hoffentlich guten Deutschkenntnisse. Es war eine sehr schlechte Zeit für uns. Viele Deutsche haben uns jedoch geholfen, und es gab Tschechen, die uns nicht geholfen haben. Auch jetzt habe ich noch sehr gute Kontakte und Freundschaften mit vielen Deutschen."

Wir sitzen hier bei Ihnen im Büro. Hinter uns steht eine Pinwand, auf der diverse Fotos hängen, die alle mehr oder weniger mit der Europäischen Union zu tun haben. Ich sehe Sie da zum Beispiel bei einer Podiumsdiskussion, dann sehe ich ein anderes Foto, wo sie neben der Sprecherin der EU-Delegation in Prag stehen, und auf einem anderen Foto unterhalten Sie sich gerade mit dem Kommissionspräsidenten Romano Prodi. Sie haben also sicher eine spannende Zeit erlebt. Wie blicken Sie denn auf diese Zeit zurück? Hat es auch Momente gegeben, wo Sie alles hinschmeißen wollten, wenn etwas nicht so geklappt hat, wie Sie sich das vorgestellt haben?

"Nein, ich wollte das eigentlich nie hinschmeißen. Es sind ja auch Fotos von meinem letzten Urlaub dabei, wo ich mich von der ganzen Arbeit erholen musste. Als ich hier angefangen habe, war ich 25 Jahre alt, und ich glaube, wir haben hier im Zentrum sehr viel geleistet. Ich habe mit meinen Kollegen das Ganze aufgebaut, und wir sind sehr zufrieden mit dem, was wir geschafft haben. Aber alles hat ein Ende. Wir sind ja von PHARE finanziert worden und werden nun nicht von der Europäischen Kommission übernommen. Das heißt, dieses Zentrum wird es nur noch bis Ende dieses Jahres geben. Und das sehe ich persönlich als einen Fehler an. Ich konnte das aber nicht beeinflussen - es war nicht meine Entscheidung. Das Dokument, wo drinsteht, dass es mit uns vorbei ist, habe ich noch nicht durchgelesen. Ich glaube aber, die Strategie wird wohl so ablaufen, dass auch die tschechische Regierung dafür verantwortlich ist, ihre Bürger zu informieren."

Wenn Sie sagen, dass es mit Ihnen vorbei ist, dann klingt das doch ein bisschen sentimental. Würde es mit Ihnen nicht vorbei sein - wären Sie dann noch gerne geblieben? Hätten Sie das Zentrum gerne weiterhin geleitet?

"Nein, ich packe eigentlich mental schon meine Koffer. Nach vier Jahren fühle ich mich müde. Ich glaube, wir haben das geschafft, was wir schaffen sollten. Das Referendum ist gut gelaufen, wir sind beigetreten. Meine Arbeit ist fertig, und die Arbeit meiner Kollegen ist auch fertig. Es war eine gute Zeit in meinem Leben, aber jetzt möchte ich wieder vorangehen."

Blicken wir trotzdem noch mal ein bisschen zurück. Wir sitzen einander hier nicht zum ersten Mal gegenüber. Ich habe für unsere Sendung "Heute am Mikrophon" schon einmal ein Gespräch mit Ihnen geführt. Das war vor etwas mehr als einem Jahr, im März 2003. Damals haben Sie mir gesagt, die wichtigsten Fragen, die von der tschechischen Bevölkerung kommen, betreffen die Angst davor, dass alles teurer wird, und die Angst vor dem Verlust nationaler Souveränität. Hat sich da im Laufe des letzten Jahres etwas geändert? Sind die Fragen konkreter geworden, oder ist es im Wesentlichen bei diesen Sorgen geblieben?

"Die Fragen sind auf jeden Fall konkreter geworden. Es ist nicht mehr einfach, alle Fragen zu beantworten, wir müssen auch öfters Experten fragen. Die meisten Fragen, die wir jetzt bekommen, betreffen aber den Grenzübertritt. Wie kommt man über die Grenze? Weiß der deutsche Zöllner, dass wir beigetreten sind? Was die Preise betrifft: Es gibt eine gewisse Gruppe von Menschen, die immer noch glauben, dass die Preise steigen werden. Wir sagen immer wieder: Daran ist nicht die Tatsache schuld, dass wir der EU beitreten. Aber ich glaube, das Thema Preissteigerungen haben wir schon fast geklärt. Und was den Verlust der Souveränität angeht: Das ist auch nicht mehr so ein großes Thema wie vor einem Jahr. Denn vor einem Jahr gab es die Kampagnen vor dem Referendum. Da haben verschiedene politische Subjekte natürlich verschiedene Themen ausgeschlachtet. Der Verlust der nationalen Souveränität war eines von diesen Themen. Ich glaube heutzutage kann davon überhaupt nicht die Rede sein."

Sie haben vorher gesagt, Sie haben mental schon Ihre Koffer gepackt. Haben Sie sie auch wirklich gepackt? Werden Sie in Prag bleiben, oder sehen Sie Ihre Zukunft woanders?

"Ich nehme gerade am Auswahlverfahren für EU-Beamte teil. Ich bin in der zweiten Runde, und jetzt warte ich auf die Ergebnisse. Mal sehen: Wenn es klappt, dann bin ich nächstes Jahr in Brüssel. Wenn nicht, dann bleibe ich in Prag und mache irgendetwas anders. Oder nehme einfach mal Urlaub."