Das Beste hoffen, auf das Schlimmste vorbereiten: Tschechische Botschaft in Kiew reagiert auf Krise
Die amerikanischen Geheimdienste halten einen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine in dieser Woche für sehr wahrscheinlich. Obwohl die diplomatischen Verhandlungen zu dessen Verhinderung weiter laufen, hat das tschechische Außenministerium am Sonntag seine Reisewarnung für das Land erneuert. Auch die Familienangehörigen der Botschaftsmitarbeiter in Kiew sind bereits ausgeflogen worden.
Der russische Präsident Vladimir Putin streitet mögliche Pläne für eine militärische Invasion weiter ab. Dennoch hält er nach Agenturmeldungen mehr als 130.000 Soldaten und Armeeangehörige unmittelbar vor der Grenze zur Ukraine stationiert. Wie wahrscheinlich eine baldige Invasion also wirklich ist, sei schwer zu beurteilen, sagt Martin Dvořák. Der Staatssekretär im tschechischen Außenministerium und ehemalige Botschafter in Katar und Kuweit gab am Montagmorgen in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks ein Interview:
„Im Außenministerium arbeiten wir unter dem Motto: Glaub an das Beste, aber bereite dich auf das Schlimmste vor. Das heißt, dass wir weiterhin glauben, dass durch Diplomatie eine Eskalation des Konfliktes verhindert und eine Beruhigung erreicht werden kann. Wir müssen aber auch in der Lage sein, helfend einzugreifen oder unseren Bürgern in der Ukraine Informationen zukommen zu lassen, falls die Lage für sie gefährlich wird.“
Die Botschaft in Kiew hat darum alle tschechischen Staatsangehörigen in der Ukraine aufgerufen, sich bei ihr zu registrieren, um die Kommunikation auch im kriegerischen Ernstfall aufrechterhalten zu können. Zudem werden Visa zur schnellen Ausgabe vorbereitet. Obwohl die Lage angespannt sei und das Personal schon leicht reduziert wurde, sei die Botschaft noch in vollem Betrieb, versichert Dvořák:
„Aktuell sind in der tschechischen Vertretung in Kiew noch mehr als 20 Mitarbeiter anwesend. Wir haben die Familienangehörigen unserer Diplomaten zum Verlassen des Landes aufgefordert. Dies ist bereits geschehen, alle sind abgereist. Am Sonntag kam es zu einem weiteren Schritt. Wir haben dem Ausreisewunsch von fünf Konsulatsmitarbeiterinnen entsprochen, weil sie sich nicht sicher gefühlt haben oder nur auf sich allein gestellt waren.“
Zudem sei man in ständigem Austausch mit anderen diplomatischen Vertretungen vor Ort:
„Die Botschafter der EU-Länder treffen sich natürlich regelmäßig in Kiew. Außerdem verfolgen wir alle Entscheidungen, die in Brüssel gefällt werden. Aus diesem Grund bemühen wir uns auch, die Botschaften derzeit offen zu halten. So drücken wir der Ukraine unsere Unterstützung aus.“
Tschechische Bürger, die sich im Moment in der Ukraine befinden oder eine Reise dorthin planen, hat das Außenministerium aufgefordert, die Notwendigkeit ihres Aufenthalts im Land zu überdenken. Neben der Reisewarnung gilt der Aufruf, die Ukraine bald und wenn möglich auf dem Luftweg zu verlassen. Denn sollte tatsächlich ein bewaffneter Konflikt ausbrechen, sei eine schnelle Evakuierung nicht mehr garantiert, mahnt Dvořák:
„Dies könnte zum Problem werden, und darum fordern wir die tschechischen Staatsbürger auch auf, möglichst jetzt das Land per Flugzeug zu verlassen. Denn der Luftraum kann von heute auf morgen geschlossen werden. Dann wird es sehr schwierig, Flüge zu organisieren, und es bliebe nur der Landweg. Darum versuchen wir, unsere Bürger davon zu überzeugen, dass es besser ist, das Land zu verlassen, so lange es noch geht.“
Nur für die Botschaftsmitarbeiter gäbe es einen vorbereiteten Evakuierungsplan, ergänzt Dvořák. Dieser sei Vorschrift für alle diplomatischen Vertretungen weltweit. Im Falle Kiew werde er derzeit um konkrete Evakuierungsstufen ergänzt, so der Staatssekretär.