Das EU-Referendum und die deutsche Minderheit

Фото ЧТК

Die große Unbekannte im Referendum über den EU-Beitritt des Landes, soviel ist bereits jetzt sicher, ist die Wahlbeteiligung. Und obwohl sie - im Gegensatz etwa zur benachbarten Slowakei - nicht ausschlaggebend für die Gültigkeit der Volksabstimmung ist, dürften sich daraus doch so einige Schlüsse über das Verhältnis der Tschechen zur Europäischen Union ableiten lassen. Klar für den Beitritt haben sich bereits vor der Abstimmung Vertreter der nationalen Minderheiten im Lande ausgesprochen. Was sie sich von der Mitgliedschaft Tschechiens im europäischen Verbund versprechen, hat Silja Schultheis einen Vertreter der deutschen Minderheit gefragt.

Foto: CTK
"Und so kommen wir, auf Umwegen zwar und ziemlich spät aber doch zu unserer verlorenen Würde" - Dies schrieb Richard Sulko, vom Egerländer Bund der Deutschen unlängst im Presseorgan dieser Organisation. Mit dem EU-Beitritt Tschechiens verbindet die deutsche Minderheit im Lande daher große Hoffnungen, so Sulko:

"Wir erhoffen uns von dem EU-Beitritt die Normalität, die in einem normalen EU-Land herrscht. Der EU-Beitritt wird uns, glaube ich, nicht direkt helfen, das ist ja klar. Aber sekundär: Dass die Leute anders denken, dass sie ein anderes Lebensniveau bekommen und sich an andere Minderheiten gewöhnen. Und das ist, glaube ich, ganz wichtig. Und vor allem: Das Rechtsbewusstsein wird sich verändern. Und da sehe ich eine große Chance. Das fängt alles bei der tschechischen Bevölkerung an und sekundär wird sich das auch auswirken auf das Ansehen der Minderheiten - nicht nur auf die deutsche Minderheit - die ist sehr klein mit 40.000, wenn die offiziellen Zahlen stimmen. Es geht auch um Roma und andere Leute im Land."

13 Jahre nach der politischen Wende von 1989 fühlt er sich wie viele andere Deutsche in Tschechien auch im Alltag häufig als "Menschen zweiter Klasse" behandelt. Eben das Gefühl der verlorenen Würde sei es, so Sulko, das die territorial zersplitterte und z.T. auch untereinander zerstrittene deutsche Minderheit zusammenschweiße.

"Das ist wichtig, dass die Leute diese Würde wiederbekommen - wenigstens als Akzeptanz unseres Daseins im Lande. Sie wissen ja, wie das im Lande war, die Leute, die hier bleiben mussten oder konnten, das waren ja Facharbeiter oder in meinem Fall Sozialdemokraten, die aktiv gegen Hitler gekämpft haben, aber trotzdem enteignet worden sind und sehr viel erlitten haben. Und das ist, glaube ich, das wichtigste, was alle Deutschen im Land verbindet - das ist die Würde."

Doch allein mit dem EU-Beitritt wäre das Problem noch nicht gelöst, glaubt Sulko. Begrüßenswert fände er eine entsprechende Geste der tschechischen politischen Repräsentanten:

"Ich denke, sehr wichtig wäre, dass mal das tschechische Parlament eine Erklärung abgeben würde, in der das Bedauern über das Schicksal der deutschen Minderheit erklärt und gesagt würde: Diese Minderheit hat nach dem Krieg den Staat mitaufgebaut und dieser Minderheit sind wir noch irgendwie eine Entschuldigung schuldig oder eine Erklärung schuldig."

Möglicherweise ist die Hoffnung von Richard Sulko nicht vergeblich. Vizepremier Mares kündigte unlängst an, er wolle dem Kabinett eine Entschädigungsinitiative für Angehörige der deutschen Minderheit vorlegen.