Das EU-Referendum und die Roma-Minderheit
Zur Teilnahme am Referendum über den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union sind am kommenden Freitag und Samstag nicht nur ca. 9,6 Mio Tschechen, sondern auch etwa 750.000 Angehörige nationaler Minderheiten im Lande aufgerufen. Ob überhaupt und wenn ja wofür sie stimmen werden und was sie von der Europäischen Union erwarten, dieser Frage geht Silja Schultheis im Folgenden am Beispiel der Roma-Minderheit nach.
Vor allem die Hoffnung auf eine konsequentere Ahndung von Rechtsverstößen verbinde sie mit dem EU-Beitritt Tschechiens, so die Journalistin Jarmila Balazova - eine nicht nur in der Roma-Gemeinde durch zahlreiche Medienauftritte bekannte Persönlichkeit:
"Selbstverständlich ist Diskriminierung per Gesetz bei uns nicht gestattet, aber wir sind dennoch nicht imstande, ihr Herr zu werden. Denjenigen, die diskriminieren, lässt man dies durchgehen, ihnen passiert nichts. Und sie wissen das und erlauben sich das auch weiterhin."
Aber natürlich, so räumt Balazova ein, müssten auch die Roma gegenüber Rechtsverstößen aus den eigenen Reihen kritischer werden und nicht andere Roma decken, wenn sie eine Straftat begehen.
Auch Rudko Kawczynski, führender Vertreter des Roma National Congress, erkennt im Bereich der Rechtsstaatlichkeit den größten Nachholbedarf. Er warnt allerdings davor, im Zuge des EU-Beitritts allein auf europäische Rechtsnormen zu setzen:
"Wir haben einen internationalen Strafgerichtshof eingerichtet, wir haben auf der europäischen Ebene den europäischen Gerichtshof der Menschenrechte eingerichtet. Und national? Wir hinken in den Nationalstaaten dieser Entwicklung hinterher. Aber viele Politiker übersehen dabei, dass das der Garant ist für eine Koexistenz in einem Staat. Eine Diskriminierung muss einfach mehr bestraft werden als der Diebstahl einer Schokolade."
Die Journalistin Jarmila Balazova verspricht sich von der EU-Erweiterung zusätzlich erweiterte Reisemöglichkeiten und damit verbunden auch bessere Sprachkenntnisse und nachfolgend bessere Berufschancen für Roma in Tschechien.
Auf die Frage, wie ihrer Meinung nach das Referendum ausfallen werde, überlegt sie eine Weile:
"Also - das ist eine schwierige Frage. Ich hoffe, dass es gut ausgeht und die Mehrheit sich für den Beitritt zur Europäischen Union ausspricht."
Ob die Roma mehrheitlich an der Abstimmung teilnehmen werden, weiß Jarmila Balazova nicht einzuschätzen. Schließlich herrsche in Tschechien generell ein großer Pessimismus hinsichtlich politischen Wahlen vor. Aber sie meine, dass das mit dem Referendum etwas anders sei und auch die Roma das merken würden. In diesem Zusammenhang verweist die Journalistin auf eine Leser-Umfrage in der jüngsten Ausgabe ihrer Zeitschrift "Romano vodi" (Roma-Seele), bei der sich 56% der Befragten für den Beitritt ausgesprochen haben, 43% dagegen, und 1% war unentschlossen.