Das "Großmutter-Tal" und das Bozena-Nemcova-Museum in Ceska Skalice
Babiccino udoli - Das Großmutter-Tal. Über diesen malerischen Winkel in Ostböhmen sowie über das nah liegende Städtchen Ceska Skalice wollen wir in den nächsten Minuten erzählen. Manchen von Ihnen wird beim Begriff Großmutter-Tal wohl gleich der Roman "Die Großmutter" einfallen: der berühmteste und auch in deutscher Sprache veröffentlichte Roman der tschechischen Schriftstellerin Bozena Nemcova. Und nachdem wir dies gesagt haben, ist sicher schon jedem klar, dass nun die Sendereihe "Reiseland Tschechien" beginnt, in der Sie gemeinsam mit Markéta Maurová und Gerald Schubert eine Literatur-Reise unternehmen werden. Übrigens die letzte in unserer Serie, die mit Jahresende abgeschlossen wird. Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung.
Bozena Nemcova ist ein bekannter Name. Eigentlich handelt es sich jedoch um ein Pseudonym, seine Trägerin hieß eigentlich Barbara, geborene Pankel. Im breiten Bewusstsein ist auch der Name Barunka verankert, den sie sich als Protagonistin des Romans "Die Großmutter" gab, mit dem sie in ihre Kinderjahre zurückkehrte. Bozena Nemcova wurde wahrscheinlich 1820 in Wien geboren. Kurz nach ihrer Geburt zog die Familie nach Ratiborice bei Ceska Skalice, in eine schöne Landschaft im Osten Böhmens um. Barbaras Vater, Johannes Pankel, war nämlich bei der Herzogin von Sagan, die Ratiborice als Sommerresidenz nutzte, als Kutscher angestellt. Als Barbara etwa fünf Jahre alt war, zog ihre Großmutter Magdalena Novotná bei ihnen ein, eine Weberin aus Ostböhmen. Sie beeinflusste im Laufe von vier Jahren ihre Enkelin stark und wurde zwanzig Jahre später im Roman "Die Großmutter" wieder zum Leben erweckt.
Das Tal bei Ratiborice, das "Großmutter-Tal" ist heute ein nationales Kulturdenkmal. Gleich am Eingang begrüßt uns unter den Linden die Großmutter mit ihren vier Enkeln: Bärbel, Johann, Willy und Adelchen. Die Skulpturengruppe steht seit 1922 in dem Tal und ist ein Werk des tschechischen Bildhauers Otto Guttfreund.
Im Großmutter-Tal stoßen wir dann auf alles, was uns aus dem Buch bekannt ist - obwohl man zugeben muss, dass sich auch vieles geändert hat. Jeder weiß, dass die Familie Pankel in Wirklichkeit in einer Wohnung unter dem Schloss wohnte, trotzdem ist für uns die heutige Alte Bleiche der Ort, an dem die Großmutter lebte. Die Schriftstellerin verlegte ihre Geschichte in dieses hölzerne Haus am Fluss, und so gilt es bis heute. Die Besucher können dort hineinschauen und eine Ausstellung besichtigen. Wir finden auch Viktorkas Wehr, wo die unglückliche, wahnsinnige Viktorka saß und für ihr Kind sang, das sie selbst ermordet hatte. Und auch weitere Gestalten werden in dem Tal in unserer Phantasie wiederbelebt, die aus der Mühle und aus dem Wirtshaus ebenso wie aus dem nahen Schloss Ratiborice.
Denjenigen, die nicht nur ihrer Phantasie freien Lauf lassen, sondern auch mehr über die Autorin erfahren wollen, denen wird empfohlen, nicht nur das Tal, sondern auch das nahe Städtchen Ceska Skalice zu besuchen. Vor mehr als 100 Jahren ist dort nämlich das Bozena-Nemcova-Museum entstanden. Sein heutiger Direktor, Herr Milan Horky erzählt uns, was die Besucher dort erwartet:
"Die Basis unseres Museums bildet der Nachlass Bozena Nemcovas, den ihre Tochter Dora dem Klub tschechischer Touristen in Ceska Skalice verkaufte. Wir stellen den Großteil dieser Dokumente, persönliche Dinge und auch Bilder usw. aus. Wir haben hier z.B. einen Tisch Bozena Nemcovas und einige persönliche Sachen aus ihrer Jugend. Wir widmen uns auch dem, was wir Nemcova-Kult nennen, d.h. verfilmte Werke, vertonte Werke, Bücher über Nemcova, wissenschaftliche Arbeiten usw. Wir haben hier auch eine große Bibliothek, die beinahe alles beinhaltet, was von Nemcova und über Nemcova erschienen ist."
Von den ausgestellten Objekten könnten unter anderem die erste Ausgabe der "Großmutter" aus dem Jahr 1855 sowie die aus dem Jahr 1862 für die Besucher besonders interessant sein.
"Der Überlieferung nach bekam Bozena Nemcova diese Ausgabe kurz vor ihrem Tod in die Hand, wohl am Abend, bevor sie um 6 Uhr Morgens starb. Inzwischen schaffte sie jedoch noch einige Ausdrucke - es handelte sich um keine Bücher, sondern um Hefte - zu unterzeichnen. Des weiteren stellen wir einige persönliche Habseligkeiten aus, wie etwa einen Fächer, mit dem sie den Slawischen Ball in Wien besuchte, oder ein Glas mit dem Namen Betty."
Neben dieser Ausstellung im Hauptgebäude macht das Museum noch die Alte Schule zugänglich, in deren Bänken Bozena Nemcova, damals noch als Barunka Panklova saß.
"Sie lebte hier seit ihrer frühen Kindheit bis etwa zum 17. Lebensjahr und ging hier zur Schule. Die Schule steht bis heute, es ist ein altes Holzgebäude. Dort haben wir eine Ausstellung, die zeigt, wie eine Schulklasse, der Schulunterricht, damals aussah. Sie konzentriert sich auf die Zeit, als Nemcova die Schule besuchte."
Bei den Wanderungen durch die Landschaft Bozena Nemcovas können wir uns an einen Lehrpfad halten, der uns zu allen wichtigen Orten führt:
"Wir sind stolz auf diesen Lehrpfad. Er existiert seit mehr als 20 Jahren, ist jedoch noch immer ein sehr beliebter Spazierweg von Ratiborice nach Ceska Skalice oder umgekehrt. Er führt von Barunkas Schule zum Hauptgebäude des Museums, das im Steidler-Gasthaus in Ceska Skalice untergebracht ist. Und dann geht er in umgekehrter Richtung den Weg weiter, den die kleine Barunka zur Schule ging. So kommt man zum Schloss Ratiborice, zur Wohnung, wo die Familie Pankl wirklich wohnte, weiter zur Alten Mühle, zum Gasthaus, zur Alten Bleiche, und zu Viktorkas Wehr."
Wie an vielen anderen Orten, beginnt auch im Nemcova-Museum in Ceska Skalice allmählich weihnachtliche Atmosphäre zu herrschen. In der kommenden Woche wird dort ein altböhmischer Jahrmarkt veranstaltet sowie eine Weihnachtsausstellung eröffnet:"Wir veranstalten bereits das dritte Jahr eine Weihnachtsausstellung mit dem Namen 'Weihnachten der Großmutter'. Es handelt sich um keine typische Ausstellung aus den Beständen des Museums, die die Weihnachtszeit strikt und fachlich beschreiben würde. Im Gegenteil - sie soll als Inspiration dienen, sowie die Arbeiten hiesiger Vereine, Schuleinrichtungen usw. präsentieren. In diesem Jahr richtet sich die Ausstellung auf Handwerke. Wir werden etwa Weber-Weihnachten, Töpfer-Weihnachten und so weiter zeigen."
Soweit Milan Horky und seine Einladung ins Museum. Und wenn wir schon von den "Weihnachten der Großmutter" sprechen, lassen wir auch die Autorin des Romans über die Großmutter reden. Sie hat uns doch das Weihnachtsfest in der Alten Bleiche beschrieben:
"...Am Heiligen Abend wurde jeder reich beschenkt, selbst das Geflügel und das Vieh bekamen ihren Weihnachtsstollen, und nach dem Abendessen nahm die Großmutter je ein Stück von allen Speisen, die auf den Tisch gekommen waren, warf die Hälfte davon in den Bach, damit das Wasser rein und gesund bleibe, die andere Hälfte aber vergrub sie im Garten unter einem Baum, damit die Erde fruchtbar sei. Alle Brosamen sammelte sie sorgfältig und warf sie ins Feuer, "damit es keinen Schaden anrichte..."
Auch wir werden, liebe Hörerinnen und Hörer, einen von Ihnen beschenken. Und zwar einen derjenigen, die unsere Quizfrage richtig beantworten. Der Roman Nemcovas, von dem wir heute erzählt haben, heißt auf Deutsch "Die Großmutter". Wissen Sie, wie sein tschechischer Name lautet? Schreiben Sie uns an die Adresse: Radio Prag, Vinohradska 12, 120 99, Prag 2 oder per e-mail: an die Adresse [email protected].
In unserer letzten Sendung haben wir Sie nach den Lebensdaten des Dichters Frantisek Halas gefragt. Er lebte in den Jahren 1901 bis 1949. Dies schrieb uns u.a. Helmut Matt, der dafür mit einem Buch belohnt wird. Herzlichen Glückwunsch.