„Das kulturelle Erbe Tschechiens gehört der Welt“
Nicht nur Prag, Krumau und Telč: Es gibt zwölf Welterbestätten in Tschechien. Doch wie sieht ihre Zukunft aus?
Das sagt Dita Limová nicht ohne Stolz. Sie ist am tschechischen Kulturministerium für die internationale Zusammenarbeit zuständig, und damit auch für die Kommunikation mit der Unesco.
Prag, Telč, und Krumau sind nur drei der zwölf Welterbestätten hierzulande. Weitere sind unter anderem die Altstadt von Kutna Horá / Kuttenberg oder die Villa Tugendhat in Brno / Brünn. Dazu kommen noch fünf immaterielle Kulturgüter, beispielsweise die Falknerei, das Puppenspiel oder der militärische Anwerbetanz Verbuňk.
Der Welterbestatus für Kulturdenkmäler erhöht das Prestige, fordert aber auch mehr Verantwortung, wie Dita Limová erklärt:„Wenn ein Objekt zum Weltkulturerbe wird, dann fängt die Arbeit eigentlich erst an. Denn dann gehört es nicht mehr wirklich uns, sondern ein Stück weit allen Menschen der Welt. Wir müssen das Kulturdenkmal ab dem Moment schützen und pflegen. Es soll ja in dem Zustand bleiben, in dem wir es sozusagen vorgefunden haben und für die Nachkommen erhalten werden.“
Das zu schaffen sei jedoch nicht einfach, meint Limová. Vor allem die Finanzierung sei ein Problem, aber auch die Eigentumsstrukturen einiger Kulturdenkmäler. Die Unesco selbst stellt prinzipiell keine oder kaum Mittel für den Erhalt des Kulturerbes zur Verfügung, hauptsächlich sind die Länder selbst dafür verantwortlich. In Tschechien klappt das gut, insbesondere durch die abgestimmte Zusammenarbeit von Staat, Kreisen und Gemeinden. Zu stemmen ist das laut Limová unter anderem auch mit Mitteln der Europäischen Union. Zudem hat das tschechische Kulturministerium zur Pflege seiner baulichen Kronjuwelen eine effektive Strategie:
„Am Ministerium gibt es eine eigene Abteilung für das hiesige Unesco-Weltkulturerbe. Sie kümmert sich in erster Linie aber nicht um die Renovierung und Instandsetzung der Objekte. Vielmehr greift sie den Gemeinden finanziell und mit Expertise unter die Arme, übrigens auch bei Neubewerbern um den Welterbetitel. Die Experten arbeiten wissenschaftliche Studien aus und bewerten den Zustand der betreffenden Bauten. Außerdem ist die Abteilung für die Propagierung des Welterbes zuständig.“Spagat zwischen Erhalt und Entwicklung
Stichwort Propagierung. Der stetig wachsende Welterbe-Tourismus ist eine Sache, die den Denkmalschützern Kopfschmerzen bereitet. Unter anderem Krumau ächzt unter den Besuchermassen, in Kutná Hora und Prag ist es nicht besser. Seit 2015 hat die Unesco deshalb mehrere Initiative gegen eine Überlastung der Welterbestätten gestartet, unter anderem ist bei der damaligen Konferenz in Kambodscha eine Deklaration dazu entstanden.
Doch das ist nicht das einzige Problem mit den anerkannten Kulturgütern. Denn auch der Spagat zwischen Erhalt und natürlicher Entwicklung einer Welterbestätte muss bewältigt werden. Vor allem wenn es sich um pulsierende Städte wie Prag handelt:„Die Stadt steht unter großem Druck, da wir auf jeden Fall die historische Altstadt konservieren und lebenswert machen wollen – sowohl für die Einheimischen als auch für die Touristen. Am besten wäre natürlich, dass rundherum keine Mauern aus Wolkenkratzern entstehen. Ich bin mir aber sicher, dass man da irgendwo einen Mittelweg findet. Wir wollen auf jeden Fall nicht so enden wie Wien. In diesem Jahr ist die Stadt nämlich auf die rote Liste des bedrohten Weltkulturerbes gekommen, eben weil man dem Druck der Investoren nachgegeben und Hochhäuser in der Nähe des historischen Zentrums zugelassen hat.“
Bier und Pferde als Welterbe der Zukunft
Tschechien will auch in Zukunft stärker präsent sein in der Unesco. Dazu plant das Kulturministerium, weitere Denkmäler bei der Weltorganisation anzumelden. Einfach ist das nicht, da der Fokus derzeit eher außerhalb Europas liegt:„Das ist so, da die Unesco die Philosophie vertritt, dass es überall auf der Welt außergewöhnliche und wertvolle Baudenkmäler gibt. Europa ist natürlich voll von wunderschönen historischen Bauten, damit meine ich vor allem historische Stadtzentren, Kirchen und Klöster. Die Unesco ist aber übersättigt von europäischen Bewerbungen. Denn es gibt auf der anderen Seite Regionen, die überhaupt nicht in der Unesco-Welterbeliste vertreten sind – obwohl sie natürlich auch wertvolle Baudenkmäler haben, die anders sind als unsere europäischen.“
Konkret meint Dita Limová damit bisher verkannte Architektur aus Afrika und Asien. Ein Beispiel ist die typische Lehmbauweise der Subsahara-Region.
Nichtsdestotrotz ist Tschechien weiter aktiv und arbeitet an einer Reihe von Bewerbungen an die Unesco. Der aussichtsreichste Kandidat ist eine kleine Stadt in Nordwestböhmen:„Dem ‚Sieg‘ besonders nahe ist der Vorschlag ‚Žatec – Stadt des Hopfens‘. Es handelt sich dabei um ein einzigartiges Ensemble von Gebäuden für den Hopfenanbau und die Bierproduktion. Ebenso mit einbezogen sind technische Einrichtungen zur Hopfenverarbeitung, Anlagen zur Trocknung und Lagerung der Dolden. Das ist eine rundum interessante Bewerbung, die wir im Januar dieses Jahres abgegeben haben.“
Mit Žatec / Saaz wollen die Verantwortlichen in Tschechien einen Nerv der Zeit treffen:
„Wir wollen Žatec als Industrie-Region präsentieren, wobei das eigentlich nicht der richtige Begriff ist. Im Mittelpunkt sollen also die Denkmäler eines bestimmten Industriezweiges stehen. Davon gibt es auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes nicht viele. Und wenn es um die Verarbeitung von Hopfen geht, wäre Žatec sogar das erste anerkannte Denkmal seiner Art.“
Ein weiterer Kandidat ist eine alte Kulturlandschaft im Elbtiefland:„Im kommenden Jahr wollen wir die Nominierung des Gestüts in Kladruby an der Elbe bei der Unesco einreichen. Es dreht sich dabei nicht nur um die einzigartigen historischen Gebäude des Gestüts, vielmehr steht die gesamte Landschaft um den Ort Kladruby im Fokus. Ihre Entwicklung ist maßgeblich von der Pferdezucht beeinflusst worden. Ein Beispiel sind die Wald- und Feldwege rund um das Dorf, die eigens für die Ausbildung der Pferde angelegt wurden.“
Das Kreuz mit den internationalen Bewerbungen
Bei der Falknerei und dem Puppenspiel zum Beispiel hat Tschechien bereits Erfahrungen gesammelt mit grenzübergreifenden Unesco-Bewerbungen. Beide Male waren immaterielle Kulturgüter betroffen. Beim materiellen Weltkulturerbe ergeben sich jedoch größere Schwierigkeiten, der Aufwand ist ungleich größer. Ein fast europaweites Projekt sind die europäischen Kurstädte, derzeit befindet es sich aber noch in den Kinderschuhen. Ein anderes Vorhaben drohte hingegen bereits zu scheitern:„Es geht um die Bergbauregion Krušné Hory – Erzgebirge, an der wir gemeinsam mit unseren Kollegen aus Sachsen arbeiten. Wir werden die Bewerbung im Januar einreichen, wobei sie noch einmal überarbeitet werden musste. Die ersten Bewertungen sind nämlich nicht positiv für uns ausgefallen, die Fachleute von der Unesco verlangten einige Präzisierungen von uns. Daran haben wir in den vergangenen zwei Jahren gearbeitet, und mit Zuversicht und viel Optimismus bewerben wir uns über die deutschen Kollegen im kommenden Januar noch einmal.“