Das Phänomen Karel Kryl: Buchpräsentation im Wiener Nachtasyl

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks

Am 17. November wurde in Prag ein Buch über den tschechischen Liedermacher Karel Kryl vorgestellt. „Fenomén Karel Kryl“ heißt es – das Phänomen Karel Kryl. Das Datum hätte kaum besser gewählt sein können: Am 17. November 1989 brachte eine Studentendemonstration in Prag die Samtene Revolution ins Rollen, die Kryl nach 20 Jahren im deutschen Exil die Rückkehr in seine Heimat ermöglichte. Diesen Freitag, am 5. Dezember, wird das Buch nun ein zweites Mal präsentiert, und zwar im legendären Wiener Nachtasyl. Zielgruppe sind diesmal vor allem die Wiener Tschechen, von denen viele – genau wie Kryl – einst selbst Exilanten waren.

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks
Karel Kryl war ein Symbol für den Widerstand gegen die Okkupation der Tschechoslowakei im Jahr 1968. Sein später verbotenes Lied „Bratříčku, zavírej vrátka“, auf Deutsch „Brüderchen, schließ die Türchen“, hat er angeblich in der Nacht nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten geschrieben, der das jähe Ende des Prager Frühlings bedeutete. Etwa ein Jahr später, im September 1969, ging Kryl ins Exil nach Deutschland. Zwanzig Jahre lang arbeitete er danach in München für Radio Freies Europa, erklärt Ivana Denčevová, Mitherausgeberin des Buchs „Fenomén Karel Kryl“:

„In der Tschechoslowakei konnte man Kryls Lieder während dieser Zeit nur auf den gestörten Frequenzen von Radio Freies Europa hören und auf einigen wenigen Schallplatten, die ins Land geschmuggelt wurden. Trotzdem kannten sie hierzulande fast alle Generationen. Ich glaube, das war auch für Karel Kryl selbst eine große Überraschung, als er 1989 wieder in die Tschechoslowakei zurückkehrte.“

Ivana Denčevová  (Foto: Khalil Baalbaki,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Der Kontakt zu seiner Heimat war Kryl im Exil verwehrt geblieben. Umso mehr suchte er damals den Kontakt zu Tschechen im Ausland, so Denčevová:

„Zwanzig Jahre lang hatte Karel Kryl Zweifel daran, ob ihn zuhause überhaupt noch jemand kennt. Die einzige Möglichkeit, mit seinem Publikum in Kontakt zu treten, waren Konzerte für andere Exiltschechen. Er fuhr dafür nach Australien, nach Kanada, in die USA und quer durch Europa. Für ihn selbst und für das Publikum war das immer ein außergewöhnliches Ereignis. Im Jahr 1987 spielte er im Nachtasyl sein erstes Konzert in Wien, und auch später kam er noch öfter dorthin zurück.“

Jiří Chmel  (Foto: ČT24)
Das Nachtasyl ist nicht einfach irgendein Musikclub, sondern eng mit der Geschichte der tschechischen Exilszene in Wien verbunden:

„Es ist ein typischer Underground-Club. Gegründet wurde er von Jiří Chmel, der in den Achtzigerjahren politisch verfolgt wurde, die Tschechoslowakei verlassen musste und in Wien eine neue Heimat fand. Von Anfang an war das Nachtasyl ein Zufluchtsort und Treffpunkt für Exilanten, die einen Bezug zu Musik und zu bildender Kunst hatten. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs traten dort Bands aus der Tschechoslowakei auf, es wurden Lesungen und Vernissagen veranstaltet. Das Nachtasyl wurde also zum Schauplatz für alternative tschechische Kunst in Wien“, erzählt Ivana Denčevová.

Karel Kryl  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Dieses Jahr wurden Kryls 70. Geburtstag und sein 20. Todestag begangen. Der Tschechische Rundfunk widmete ihm aus diesem Anlass eine ganze Radioserie. Aus ihr ging auch das aktuelle Buch hervor, das Essays sowie Interviews mit Zeitzeugen, Bekannten und Experten enthält. Die Präsentation im Nachtasyl, die gemeinsam mit dem Tschechischen Zentrum Wien veranstaltet wird, bietet außerdem ein besonderes Highlight: einen Videomitschnitt von Kryls Konzert im Nachtasyl aus dem Jahr 1987.


Das Buch (nur Tschechisch): Ivana Denčevová, Michal Stehlík u.a. (Hg.): „Fenomén Karel Kryl“ Prag: Radioservis, 2014

Die Präsentation: Fr., 5. 12. 2014, 21:00 Uhr Nachtasyl Stumpergasse 53-55 1060 Wien

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