„Hallo, Bürger!“ Tschechischer Liedermacher Karel Kryl in eigener Ausstellung
Karel Kryl war der Autor bis heute bekannter Lieder, aber vor allem ein engagierter Bürger, der sich für eine kritisch denkende Zivilgesellschaft einsetzte. Eine Ausstellung in Prag führt nun durch sein Leben.
Ein Liedermacher und Dichter, ein engagierter Bürger und Gesellschaftskritiker: Karel Kryl wurde vor 80 Jahren in Kroměříž / Kremsier geboren und starb vor 30 Jahren viel zu früh in München. Das Prager Stadtmuseum und das Nationalarchiv haben anlässlich der beiden Jubiläen eine Ausstellung mit dem Titel „Ahoj, občani!“ (auf Deutsch: Hallo, Bürger!) konzipiert. Jakub Šlouf vom Nationalarchiv:
„Wir wollten Karel Kryl als einen Menschen zeigen, der die Zivilgesellschaft in verschiedenen Zeitspannen der tschechoslowakischen Geschichte beeinflusst hat. Er hat unsere Lebensweise in allen Phasen sehr kritisch gesehen und geholfen, unsere Unzulänglichkeiten aufzudecken.“
Zahlreiche Manuskripte von Kryls Werken, Zeichnungen, Fotos, Plakate und persönliche Gegenstände sind zu sehen. Die meisten Exponate sind noch nie zuvor ausgestellt und erst vor kurzem aus Deutschland nach Tschechien gebracht worden. Die Witwe, Marlene Kryl, übergab den Nachlass 2021 – nach langem Zögern – an das Nationalarchiv in Prag. Der Archivar Jiří Křesťan:
„Wir waren sehr überrascht vom Reichtum seines Privatarchivs. Karel Kryl hat nicht ein einziges Papier weggeworfen. Er behielt wirklich alle Varianten seiner Lieder. Marlene Kryl hat diese aufbewahrt, weil sie wusste, dass sie für künftige Generationen erhalten werden müssen.“
Karel Kryl gehörte zu den bedeutendsten tschechischen Vertretern der Protestsong-Generation der 1960er bis 1980er Jahre. Viele seiner Lieder sind allgemein bekannt –und das trotz der Tatsache, dass er seit 1969 im Exil lebte. Die Songs wurden in der Tschechoslowakei zu Symbolen des Kampfes gegen die totalitäre Macht. Nach 1989 äußerte sich Kryl in Medieninterviews und in seinem Werk weiterhin kritisch zu den gesellschaftlichen Ereignissen. Jakub Šlouf:
„Er hielt einen kritischen Abstand zu allen Epochen, sei es der Zeit des Prager Frühlings, der Normalisierung oder der Transformation der Gesellschaft nach der Samtenen Revolution 1989. Kryl war ein sehr guter Beobachter und sah in allen Perioden die menschlichen Schwächen und wie die Menschen ihre Ideale für materielle und andere Vorteile tauschen. Er war zu jeder Zeit unerbittlich und – zumindest als Künstler – nicht in der Lage, Kompromisse zu tolerieren und zu verstehen.“
In der Ausstellung werden die Besucher etwa in Kryls Wohn- und Arbeitszimmer, in eine Gaststätte oder in ein Studio von Radio Freies Europa geführt. Dank neuer Technologien haben sie nicht nur die Möglichkeit, Kryls Stimme zu hören, sondern ihn auch von Angesicht zu Angesicht zu treffen. Der Archivbestand sei untypisch, sagt Šlouf:
„Neben schriftlichen Materialien enthält er auch eine Reihe von Kunstwerken, Ölgemälden, Drucken, Zeichnungen, aber ebenso Tonaufnahmen. Denn Karel Kryl arbeitete viele Jahre beim Radiosender Freies Europa. Gleichzeitig sind viele private Gegenstände, Kleidung, Arbeitsausstattung und Rauchutensilien erhalten geblieben. Wir haben eine riesige Lkw-Ladung dieses außerordentlich reichen und komplexen Nachlasses transportiert, der einen Einblick in das Innenleben des Autors gewährt.“
Zu sehen sind auch mehrere Musikinstrumente des Mannes, der als „Dichter mit Gitarre“ galt. Jakub Šlouf zeigt jene Gitarre, auf der Kryl bei seinem letzten Konzert spielte:
„Sogar eine Playlist ist noch aufgeklebt. Als wir den Gitarrenkoffer geöffnet haben, fanden wir einen unglaublichen Reichtum. Kryl bewahrte auf seinen Konzertreisen verschiedene Gegenstände darin auf, die ihn an einzelne Etappen seines Lebens erinnerten. Unter anderem begleitete ihn eine Plastikfigur namens Rebecca. Es war eine Troll-Figur, die er 1969 bei seiner ersten Konzertreise in den Westen auf dem Flughafen in Kopenhagen gekauft hatte. Er hatte sie immer dabei und bezeichnete sie aus Scherz als seine ideale Partnerin.“
Die Ausstellung „Hallo, Bürger!“ findet im Haus zum Goldenen Ring in der Týnská-Straße in Prag statt. Sie dauert bis zum 21. April 2025.