Nationalarchiv übernimmt Nachlass von Liedermacher Karel Kryl
Eine neue Schenkung aus Deutschland bereichert das tschechische Nationalarchiv: Fortan wird der Nachlass des Liedermachers Karel Kryl in Prag aufbewahrt. Neben Liedtexten, Gemälden und persönlichen Andenken gehört dazu auch die Gitarre, mit der der Musiker sein letztes Konzert gespielt hat.
„Rückkehr Karel Kryls in die Heimat“ – so überschrieb das tschechische Nationalarchiv seine Pressemitteilung, dass es fortan die persönlichen Hinterlassenschaften des Liedermachers, Schriftstellers und Journalisten verwalte. Die umfassende Sammlung ist Ende Juli aus Deutschland eingetroffen, wohin Kryl 1969 ausgewandert war. Im Depositum findet sich unter anderem sein erster deutscher Pass mit dem Ausstellungsdatum von 1970.
Zu dieser Zeit war der 1944 geborene Musiker schon einer der bekanntesten politischen Liedermacher der ČSSR. Sein Song „Bratříčku zavírej vrátka“ (Brüderchen, mach das Tor zu) ist untrennbar verbunden mit der Niederschlagung des Prager Frühlings und dem Widerstand gegen den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen.
Der mit Schreibmaschine getippte Text ist eines der laut Pressemitteilung „äußerst wertvollen Dokumente und Exponate“, die das Nationalarchiv nun verwaltet. In einem eigenen Raum liegen Hunderte von Schriftstücken, Tonaufnahmen, Skripte für Sendungen bei Radio Freies Europa, persönliche Briefe, Notizhefte und selbstgemalte Kunstwerke. Die Sammlung bildet das Schaffen Kryls während der gesamten Zeit seines Exils ab. Der zuständige Archivar Jakub Šlouf berichtete im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (ČT):
„Wir haben getippte Dokumente seit dem Jahr 1968. Leider fehlen frühere Skizzen oder handgeschriebene Konzepte. Diese sind nicht erhalten geblieben.“
Dafür gibt es zahlreiche Zeugnisse aus der zweiten Lebenshälfte des Künstlers und das dank der sorgfältigen Aufbewahrung durch seine Ehefrau Marlene Kryl. 20 Jahre lang haben Vertreter des Nationalarchivs mit ihr über die Übergabe verhandelt. Archivleiterin Eva Drašarová gegenüber ČT:
„Mit Ehrfurcht hat Marlene alle seine persönlichen Dinge aufbewahrt. Darum haben wir nun mehr als nur den schriftlichen Nachlass übernommen.“
Zu den wertvollsten Stücken gehören die Instrumente des Musikers. An der Gitarre, mit der Karel Kryl im Februar 1994 sein letztes Konzert im nordböhmischen Chomutov / Komotau gespielt hat, klebt bis heute eine Liste von Liedern. Es ist das Programm, das Kryl während des legendären „Konzertes für alle anständigen Menschen“ am 3. Dezember 1989 präsentierte – bei seinem ersten Auftritt in Prag nach dem Exil. Das Publikum hatte ihn damals nicht vergessen und stimmte in den Song „Morituri te Salutant“ ein.
Aus den persönlichen Aufzeichnungen der frühen 1990er Jahren spricht dann aber Kryls Enttäuschung über die Entwicklung der Tschechoslowakei nach der Samtenen Revolution. Archivar Šlouf zitiert und kommentiert den Text zu „Kádrují mě“ (Sie machen mich zum Kader), einer Polemik in Richtung Václav Havel:
„‘Václav sitzt im Jumbojet und fliegt nach Hradec / Sein Büro hat er auf dem Klosett und in den Sesseln seine Berater.‘ Karel Kryl hat sich zeitlebens und nicht nur hier seinen Blick auf die Welt in Form eines Protestsongs bewahrt.“
Vor allem die Teilung der Tschechoslowakei 1993 erlebte Kryl als einen politischen Tiefpunkt. Der Liedermacher starb am 3. März 1994 unerwartet und mit nicht einmal 50 Jahren in seiner Münchener Wohnung. Die Exponate aus seinem Nachlass sollen in drei Jahren mit einer umfassenden biografischen Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert werden.