„Der Dichter mit der Gitarre“: Vor 30 Jahren starb der Liedermacher Karel Kryl

Karel Kryl

Am 3. März jährt sich der Todestag des Liedermachers Karel Kryl zum 30. Mal. Aus diesem Grund widmen wir ihm unseren aktuellen MusikCzech.

Karel Kryl | Foto: ČT24

Egal ob am Lagerfeuer oder in der Kneipe – die Lieder von Karel Kryl sind bis heute Generationen von Tschechen ein Begriff. Viele können sie auswendig und singen sie gern. Geboren wurde Kryl 1944 im mährischen Kroměříž / Kremsier in die Familie eines Buchdruckers. Während der Zeit des Prager Frühlings wurden seine Lieder auch im Radio gespielt.

Einer der Songs der Zeit war „Anděl“, also auf Deutsch „Engel“. Das Lied enthält bereits die zentralen Elemente der Musik des Liedermachers: leicht schrammellige Gitarrenklänge und tiefgründige Texte. In dem Lied beschreibt Kryl eine zerstörte Kirche und setzt diese mit den Erlebnissen eines Soldaten in Verbindung. Einigen Aussagen zufolge soll sich Kryl im Lied „Anděl“ auf das Gotteshaus in Velké Chvojno / Böhmisch Kahn im Kreis Ústí nad Labem / Aussig beziehen, das nach dem Zweiten Weltkrieg – wie viele im Land – nach und nach verfiel. Andere Quellen schaffen allerdings eine Verbindung zum Kloster in Chotěšov / Chotieschau in der Nähe von Plzeň / Pilsen. Dort wurde nach dem Krieg nämlich eine Kaserne eingerichtet, und in dieser leistete Karel Kryl ab 1963 seinen Wehrdienst. Wahrscheinlich ist es aber egal, aus welcher Kirche der Soldat den in dem Lied besungenen zerbrochenen Engel in einer Seifenschachtel hinausschmuggelt – denn das Lied berührt bis heute.

Als 1968 die Panzer der Warschauer-Pakt-Truppen in Prag einrollten, zeigte sich Kryl entsetzt. Angeblich noch in der Nacht schrieb er das Lied „Bratříčku, zavírej vrátka“ (Brüderchen, mach das Tor zu!), das später zu einem Symbol für den Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings wurde. Auf der gleichnamigen Platte, die 1969 erschien, finden sich noch weitere regimekritische Lieder, etwa die Nummer „Veličenstvo Kat“ (Majestät Henker).

Emigration nach Deutschland

Karel Kryl | Foto: Tschechisches Fernsehen

Die Niederschlagung des Prager Frühlings bedeutete für Karel Kryl einen Einschnitt. Der „Dichter mit der Gitarre“, wie man ihn nannte, emigrierte 1969 mit seiner Familie nach Westdeutschland. Dort blieb er bis zum Fall des Eisernen Vorhangs. All die Jahre über verfolgte der Liedermacher jedoch das Geschehen in seiner tschechoslowakischen Heimat – und reagierte darauf in seinen Songs. Diese konnten nur im Exil erscheinen und wurden daheim allenfalls im Untergrund verbreitet.

Song „Bratříčku zavírej vrátka“  (Brüderchen,  mach das Tor zu) | Foto:  ČT24

Nach der Samtenen Revolution kehrte Kryl in seine Heimat zurück. Gemeinsam mit seiner Familie – Kryl war zum zweiten Mal verheiratet – lebte er nun wechselnd in Prag und München. So wie die meisten zeigte sich auch der Liedermacher glücklich über die politische Wende. Doch er wäre nicht Karel Kryl gewesen, wenn er die politischen Verhältnisse im Land nicht auch weiterhin in seiner Musik hinterfragt und kritisiert hätte. Dies zeigt sich etwa im Lied „Sametové jaro“ (Samtener Frühling). Kryl prangert an, dass sich einige Menschen unter den geänderten Bedingungen bereichern und dass den Dissidenten von einst kein Dank entgegengebracht würde. Ganz deutlich wird dies dann auch im Lied „Demokracie“ (Demokratie). Dort heißt es:

„Die Demokratie blüht auf, doch sie hat einen Schönheitsfehler / die, die uns über Jahre bestohlen haben, bestehlen uns heute doppelt / die, die uns jahrelang tyrannisiert haben, werfen uns aus der Arbeit / und aus denen, die die Wahrheit gesungen haben, werden heute Verräter gemacht“

Kritiker der Trennung der Tschechoslowakei

In den Liedern, die nach der politischen Wende von 1989 entstanden sind, hinterfragt Kryl nicht nur die Verhältnisse im Land. Er ist später auch einer der wenigen, die sich öffentlich gegen eine Trennung der Tschechoslowakei in zwei souveräne Staaten aussprechen – etwa im Lied „Od Čadce k Dunaju“ (Von Čadca zur Donau) von 1991, das Kryl dann auch auf Slowakisch singt.

Daran, dass sich die Tschechoslowakei 1993 dann doch in zwei Staaten teilt, kann Kryl nichts ändern. Am 3. März 1994 stirbt der Sänger plötzlich und völlig unerwartet im Alter von nur 49 Jahren an einem Herzanfall in München. Die Beisetzung findet im Prager Kloster Břevnov statt. In die Klosterkirche passt dabei nur ein Bruchteil der Trauergäste hinein. Rund 4000 Menschen gedenken dem Sänger vor dem Gotteshaus. Von der neuen politischen Repräsentation des Landes nimmt fast niemand an dem Begräbnis teil, was für Kritik bei einigen ehemaligen Untergrund-Künstlern führt.

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