Das Prager Rudolfinum unter den Nationalsozialisten
Das Rudolfinum dürfte den meisten Prag-Touristen wohl bekannt sein. Am Prager Moldauufer vor dem imposanten Panorama der Prager Burg gelegen ist eine der wichtigsten kulturellen Sehenswürdigkeiten der tschechischen Hauptstadt. Das Rudolfinum war jedoch nicht immer Konzert- und Ausstellungshalle wie heute. In unseren Archiven haben wir eine Reportage aus dem Jahr 1941 gefunden.
Von dort berichtete der Rundfunk am 13. Oktober 1941. Das Rudolfinum wurde in den Jahren 1876 bis 1884 im Neorenaissancestil erbaut. Der damalige Schirmherr war Kronprinz Rudolf. Nach ihm und seinem Kunst liebenden Vorfahren der Spätrenaissancezeit, Rudolf II., wurde das Gebäude am Prager Moldauufer benannt. Es war als Konzert- und Ausstellungsgebäude konzipiert. Am 13. Oktober 1941 fährt der Rundfunkreporter, ganz auf nationalsozialistische Linie gedrillt, fort:
„Im Jahre 1920 wurde das Rudolfinum zum Abgeordnetenhaus umgestaltet. Kunst und Ruhe waren aus dem Rudolfinum verbannt worden. Die Kunst musste einer als so genannte Demokratie aufgezogenen Politik weichen. An die Stelle der Musik trat die Kakophonie des oft stürmischen politischen Getriebes und Kampfes. Das Haus, das zum Tempel der Kunst bestimmt war, wurde zum Geschäftsgebäude der Politik. Das ist die Vergangenheit.“
1939 hatten die Nazis in Böhmen und Mähren ein Reichsprotektorat eingerichtet. Die tschechische Bevölkerung wurde gegängelt und terrorisiert. Die tschechoslowakische Nationalversammlung, die seit 1920 das Rudolfinum nutzte, wurde abgeschafft. Die Nazis wollten das Gebäude wieder seinem ursprünglichen Zweck zuführen:„Wieder erfüllt lärmendes Getriebe die weiten Gänge und Säle des Rudolfinums. Aber jetzt ist es der Rhythmus zielbewusster aufbauender Arbeit. Die Handwerker und Bauleute legen letzte Hand an die Neugestaltungsarbeiten. Das deutsche philharmonische Orchester Prags probt für die Konzerte und für den Staatsakt.“
Anschließend referiert Regierungsbaurat Mittmaier, der für den Umbau zuständige Architekt, nüchtern über seine Aufgabe, die er offenbar unter großem zeitlichen und politischen Druck durchführen musste. Dann entlockt der Reporter dem Architekten eine Aussage, die den Nazis sicher nicht gefallen hatte:
„‚Es erhellt allein schon daraus, wie groß das Arbeitsvolumen in diesem Gebäude war, dass im Zuge dieses Umbaus über 200 Arbeiter beschäftigt wurden.’ ‚Eine Frage Herr Regierungsbaurat: Arbeiter beider Nationalitäten?’ ‚Arbeiter beider Nationalitäten, zum größten Teil allerdings tschechische Arbeiter.’ ‚Tschechische Arbeiter!’ ‚Es standen uns für diese Aufgaben nur beschränkt deutsche Firmen zur Verfügung, die diesen großen Arbeiten gewachsen waren.’“Die tschechischen Arbeiter sollten auf Geheiß von Reichsprotektor Reinhard Heydrich persönlich eine Statue des jüdischen Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy vom Rudolfinum entfernen. Sie begannen jedoch stattdessen die Statue von Hitlers Lieblingskomponisten Richard Wagner zu demontieren, der sich zu Lebzeiten nicht nur mit seiner Musik sondern auch mit antijüdischer Hetze gegen Mendelssohn-Bartholdy hervorgetan hatte. Der Irrtum wurde jedoch bemerkt. Als am 16. Oktober 1941 der Staatsakt im Beisein Heydrichs stattfand, war davon und auch von der Überforderung deutscher Firmen keine Rede mehr.
Nach dem Zweiten Weltkrieg zog das tschechische Parlament wieder kurzzeitig ins Rudolfinum ein. Seit 1946 dient es wieder als Konzert- und Ausstellungshalle.