Das Prager Stadtmuseum lädt ins "Tal der Schatten" ein
Das Gebiet der tschechischen Hauptstadt Prag war bereits in der Steinzeit besiedelt. Ein Bild vom Leben der einstigen Bewohner dieser Region kann man sich anhand der archäologischen Funde machen. Eine wichtige Informationsquelle stellen die Gräber dar, die auf dem Gebiet von Prag gefunden wurden. Im Museum der Hauptstadt Prag wurde eine Ausstellung eingerichtet, die sich anhand archäologischer Ausgrabungen mit den Bestattungsriten in Prag beschäftigt. Sie zeigt die Änderungen in den Bräuchen und Vorstellungen der einstigen Prager von der Steinzeit bis ins Mittelalter.
"Wir wissen aber, dass dem vor Jahrtausenden und Jahrhunderten nicht so war. Die Menschen hatten früher eine andere Beziehung zum Tod, sie hielten ihn für einen integralen Bestandteil ihres Lebens und aus diesem Grund haben sie auch, wie wir meinen, den Tod weniger gefürchtet und ihre Bestattungsrituale waren sehr bunt."
Die Unterschiedlichkeit der Rituale spiegelt den Experten zufolge die Haltung des Menschen zum Tod wider, zu den letzten Dingen des Menschen. Seit der Jungsteinzeit, für die die Archäologen bereits in der Lage sind, den Bestattungsritus auf dem Gebiet Prags zu beschreiben, finden sie eine Vielfalt von Bestattungsriten vor. Diese werden in der Ausstellung präsentiert. Es geht natürlich nur um eine Auswahl von Riten. Denn die Rituale waren oft sehr unterschiedlich: Es gab auch ganz strenge Regeln, die beispielsweise die Lage der Hände des Toten im Grab sowie die Platzierung der beigelegten Gaben genau bestimmten.Die Ausstellung beginnt mit der Jungsteinzeit - dem Neolithikum. Aus dieser Zeit stammen die ersten zwei Gräber, die gezeigt werden: Ein Grab aus der Zeit der Linearbandkeramischen Kultur mit Körpern in der typischen Hocklage und ein Grab aus der Zeit der Stichbandkeramik. Wie erklären sich die Archäologen die Tatsache, dass die Toten damals in der Hocklage bestattet wurden? Michal Lutovsky meint:
"Es wird vermutet, dass es sich um eine Körperlage handelt, die der Lage des Menschenembryos in der Gebärmutter ähnlich ist. Dies ist eine der Theorien. Wenn es sich um eine sehr geschlossene Hocklage handelt, nimmt man an, dass der Tote vielleicht zusammengebunden wurde, weil man aus irgendeinem Grund vor ihm Angst hatte. Dies sind jedoch nur die Vermutungen und Hypothesen der Archäologen."In der Hocklage wurden die Menschen auf dem Gebiet von Prag noch in der frühen Bronzezeit beerdigt - d. h. seit etwa dem Jahr 6000 vor Christi Geburt bis etwa 1800 vor Christi Geburt. Auch wenn Bestattungen in Hocklage noch bis ins Mittelalter zu finden sind, waren sie später nur mehr eine Ausnahme. Es ging dabei meistens um einen Menschen, der in der Vorstellung seiner Zeitgenossen nach dem Tod hätte zurückkehren können.
Es war üblich, dass den Toten damals verschiedene Gaben mit ins Grab gelegt wurden. Es konnten entweder persönliche Sachen der Toten sein oder aber auch Gegenstände, die ihre gesellschaftliche Stellung belegten. Im Grab eines Mannes aus der Zeit der Linearbandkeramikkultur fand man beispielsweise zwei Beile, eines davon war aus Marmor. Ein Marmorbeil konnte in der Praxis nicht benutzt werden, es hatte nur eine symbolische Funktion. Bei Feuerbestattungen aus der Zeit der Stichbandkeramikkultur fand man Gaben wie Keramikgeschirr, Schleifer sowie Beile aus Stein, erzählen die Archäologen. Nicht nur der historische Wert aller Funde spielt bei der Ausstellung eine Rolle. Michal Lutovsky ergänzt:"Wir bemühten uns zu zeigen, dass der Tod für die Menschen in der Urzeit sowie im Mittelalter ein wichtiger und üblicher Bestandteil des Lebens war. Es war nichts, was man verdrängt hat. Die Verbindung des Grabs, der Bestattung und des Todes mit dem Alltagsleben soll hier durch die Panoramabilder dokumentiert werden. Diese Gemälde stellen die Zeit dar, aus der die hier installierten Gräber stammen. Auf den Bildern wird die Herstellung von Gegenständen oder auch ein übliches Ereignis aus dem damaligen Leben gezeigt."
Die Gestaltung der Gräber war in der weit entfernten Vergangenheit unterschiedlich. Die Archäologen fanden einige Spuren von Särgen, aber auch Skelette in einer sehr geschlossenen Hocklage. Gezeigt wird ein Grab aus der frühen Bronzezeit, es ist ein Beispiel der so genannten "Aunjetitz-Kultur", die nach einem Gräberfeld von Unetice bei Prag benannt wurde. Aus dieser Zeit stammen die letzten Funde mit Skeletten in Hocklage. Ausgestellt sind auch Gegenstände, die dort gefunden wurden, sagt Miroslava Smolikova:"Zu sehen sind hier vier goldene Ohrringe, die in einem Grab aus der Zeit der Aunjetitz-Kultur im Prager Stadtteil Stodulky gefunden wurde. Bemerkenswert ist auch die Halskette aus kleinen Bronzespiralen und Bernstein. Wir zeigen hier auch andere Bronzesachen - wie Ohrringe, Armbände oder Stecknadeln. Das Spektrum der Metallgegenstände wurde seit dieser Zeit immer breiter."
Wie die beiden Archäologen einräumen, finden sie manchmal auch Gegenstände, von denen sie nur ahnen können, wozu sie eventuell benutzt wurden. So wurden in einem der Gräber lange Bronzenadeln gefunden, die kaum als Schmuck dienen konnten. Aus welchem Grund wurden die Toten mit verschiedenen Utensilien bestattet? Michal Lutovsky meint."Der Schmuck könnte Bestandteil der Bekleidung gewesen sein. Manchmal findet man auch Haarschmuck in den Gräbern. Der Mensch wurde in Kleidern bestattet, die er während seines Lebens trug. Wenn mehrere Paare Ohrringe oder viele Halsketten in einem Grab gefunden werden, geht es in dem Fall um das Prestige des Toten. Wahrscheinlich versuchten die Hinterbliebenen dem Verstorbenen mit den reichen Gaben zu helfen, auch im Jenseits seine Stellung, die er während des Lebens hatte, zu bewahren."
Die Führung durch das "Tal der Schatten" im Museum der Hauptstadt Prag werden wir in der nächsten Ausgabe des Spaziergangs durch Prag fortsetzen. Die Ausstellung ist im Hauptgebäude des Museums in Prag - Florenc täglich außer montags von 9 bis 18 Uhr zu sehen.
Fotos: Autorin