„Das Prinzip ist falsch“ – Sicherheitspolitiker Váňa über das EU-Waffenrecht
Die Europäische Kommission will das Waffenrecht verschärfen. Grund sind die Terror-Anschläge in Frankreich, Belgien und mittlerweile auch Deutschland. Die erste Version der neuen Waffenrichtlinie wurde bereits im Frühjahr veröffentlicht. Doch sie wird weiter geprüft, denn einige Staaten wie auch die Tschechische Republik haben sich gegen die neuen Regeln gestellt. Roman Váňa leitet den Sicherheitsausschuss im tschechischen Abgeordnetenhaus. Im Interview für Radio Prag erläutert der Sozialdemokrat, welches die Kritikpunkte an der Novelle sind und warum er den Vorschlag von Präsident Zeman unterstützt, dass Tschechen eine Waffe mit sich tragen sollten.
Herr Abgeordneter Váňa, die Tschechische Republik ist gegen eine Verschärfung des Waffenrechts in der EU. Was haben Sie gegen den Vorschlag der Europäischen Kommission?
„Erstmal muss ich richtigstellen, dass Tschechien nicht allgemein gegen schärfere Regeln für den Waffenbesitz ist. Doch der Vorschlag der Europäischen Kommission zielt am Problem vorbei. Mit ihm wird versucht, den Terrorismus zu bekämpfen, indem die Möglichkeit legalen Waffenbesitzes stark eingeschränkt wird. Dieses Prinzip ist falsch. Wir machen zum einen darauf aufmerksam, dass die Richtlinie nicht funktionieren wird. Sie wird den europäischen Staaten große Probleme bescheren mit legalen Waffenhaltern, die sich wehren werden. Zum anderen entstehen durch die Richtlinie große wirtschaftliche Verluste. In der Richtlinie wird unter anderem erwogen, die Herstellung von halbautomatischen Waffen etwa auch für militärische und polizeiliche Zwecke einzuschränken – das ist großer Unsinn.“Sie erwähnen, dass sich der Vorschlag der Kommission auch gegen den legalen Waffenbesitz richtet. Wie könnte denn gegen den illegalen Waffenhandel vorgegangen werden?
„Die Europäische Kommission hat ihre Pflicht vernachlässigt.“
„Tschechien versucht die Aufmerksamkeit der EU gerade auf die illegalen Waffen zu lenken. Der Schmuggel dieser Waffen muss bekämpft werden sowie der illegale Handel über Internet und weitere Kanäle. Diese Waffen müssen auf unterschiedliche Weise aus dem Umlauf genommen werden. Hier in Tschechien hat sich das Mittel der Waffenamnestie bewährt. Dann können die Bürger illegale Waffen abgeben oder sie legalisieren lassen, falls sie den Vorschriften entsprechen. Ebenso muss man dagegen ankämpfen, dass deaktivierte Waffen wieder scharf gemacht werden. Die Europäische Kommission hat ihre Pflicht vernachlässigt, denn sie hätte schon 2008 allgemein gültige Regeln zur Deaktivierung von Waffen erlassen können. Weil sie dies aber nicht getan hat, konnten aus Ländern mit unzureichenden Regeln wieder scharf gemachte Waffen eingeschmuggelt werden. Die Attentäter in Frankreich haben beispielsweise solche Waffen genutzt. Außerdem geht es darum, dass terroristische Attentate und kriminelle Angriffe den Statistiken nach nur zu verschwindend geringen Teilen auf das Konto von Besitzern legaler Waffen gehen. Solche Taten werden mit Waffen verübt, die vom Balkan, aus der Ukraine und aus anderen Gegenden bewaffneter Konflikte eingeschmuggelt werden. Darauf sollte man sich konzentrieren.“
Gesetzt den Fall, dass die Regelung so käme, wie von der Kommission vorgeschlagen: Welchen Schaden hätten dann die tschechischen Waffenhersteller?
„Die Europäische Kommission hat leider keine Studie darüber ausarbeiten lassen, wie sich die geplante Richtlinie auf die einzelnen EU-Länder auswirken wird. Wir haben also eine eigene Schätzung erstellen lassen. Wenn man von 400.000 Waffen ausgeht, die infolge der Richtlinie abgegeben werden müssten, dann wären das drei bis sechs Milliarden Kronen Verlust. Die Hauptkosten würden aber die Hersteller tragen. Die Richtlinie bezieht sich zwar nicht auf die Waffen von Armee und Polizei, aber sie betrifft die zivilen Produzenten. Dazu gehören alle Waffenhersteller hierzulande. Es droht der Verlust von Zehntausend Arbeitsplätzen unmittelbar in der Branche. Sollten Firmen zudem ins Nicht-EU-Ausland abwandern, wären noch einmal so viele Arbeitsplätze gefährdet. Es handelt sich also um ziemlich große Schäden für die Wirtschaft, zu denen es auf unsinnige Weise kommen würde. Denn das Ziel, terroristische Angriffe einzuschränken, kann durch die Richtlinie gar nicht erreicht werden.“Enthält der Vorschlag denn auch gute Ansätze?
„Viele Staaten der EU könnten sich am tschechischen Waffenrecht ein Beispiel nehmen.“
„In dem Entwurf für die Richtlinie sind auch Dinge, die man unterstützen kann. Tschechien hat diese Elemente allerdings schon in sein Rechtssystem integriert, für unser Land würden sie also nichts Neues bedeuten. Für andere Länder der Europäischen Union wären diese Elemente aber förderlich. Tschechien hat sehr strenge Regeln für den Waffenbesitz. Jeder Besitzer eines Waffenscheins muss sich ärztlich testen lassen sowie praktische und theoretische Prüfungen bestehen. Er muss auch unbescholten sein, und das nicht nur im Sinne des Strafregisters, sondern auch im Sinne des guten Rufes. Jeder Waffenkauf muss zudem von der Polizei erlaubt werden. Das betrifft wirklich alle Waffen, und Langwaffen sind nicht, wie in einigen anderen EU-Ländern, davon ausgeschlossen. Diese Regeln sollten in der ganzen Europäischen Union eingeführt werden müssen. Viele Staaten könnten sich da an Tschechien ein Beispiel nehmen.“
Staatspräsident Miloš Zeman hat sich vor kurzem dafür ausgesprochen, dass diejenigen, die den entsprechenden Waffenschein haben, ihre Waffe bei sich tragen sollten. Der Gedanke ist, im Falle eines möglichen Terroraktes eingreifen zu können. Würden Sie Zeman zustimmen?
„Der tschechische Staatspräsident ist zugleich der Oberbefehlshaber der Armee. Tschechien hat die Wehrpflicht abgeschafft, wir besitzen nur noch eine Berufsarmee, die zudem sehr klein ist. Der Appell von Staatspräsident Zeman ist also verständlich, dass sich die tschechischen Bürger der gar nicht so leichten Schulung an der Waffe unterziehen und danach bei Bedarf auch Waffen tragen sollten. Eine solche Meinung lässt sich unterstützen. Man darf den Aufruf aber nicht so verstehen, dass sich die Bevölkerung hier massiv bewaffnen sollte. Das geschieht auch nicht. Es geht aber darum, dass jemand, der bereits den Waffenschein besitzt, den Umgang mit seiner Waffe perfekt beherrscht und diese bei Bedarf auch einsetzt.“Befürchten Sie nicht, dass private Waffenbesitzer ihre Waffen auch im falschen Moment einsetzen könnten – oder dass sie der Gefahrenlage nicht gewachsen sind? Menschenrechtsminister Jiří Dienstbier jedenfalls hat ausrichten lassen, dass er nur die bewaffneten Sicherheitskräfte des Staates für kompetent und geschult hält, um bei Terrorgefahr einzugreifen…
„Es gibt Situationen, in denen man sich selbst schützen muss.“
„Ich denke, dass der Bürger eines freien Staates das Recht auf Schutz der eigenen Person, seines Landes und seiner Mitbürger haben sollte. Dieses Recht besteht in Tschechien, und ich denke, das ist auch gut so. Totalitäre Staaten haben den Waffenbesitz ihrer Bürger immer eingeschränkt, sie hatten dafür ihre Gründe. Was einen Missbrauch oder falschen Gebrauch anbetrifft: Natürlich besteht dieses Risiko, es besteht aber zum Beispiel auch bei Angehörigen der Polizei. Denn es gibt nicht so viele Situationen, in denen sie ihre Waffe gebrauchen müssen. Dann wird es für den Einzelnen schwierig, genau einzuschätzen, was in der gegebenen Situation notwendig ist. Das Problem der Polizeiarbeit ist, dass sie – ähnlich wie bei der Feuerwehr – erst dann beginnt, wenn es bereits brennt, wenn etwas passiert ist. Es ist schwer vorstellbar, dass an der Ecke jedes Hauses ein Polizist steht und wartet, bis es zum Überfall oder zum Terrorangriff kommt. Die Polizei kann nicht überall sein, und es gibt Situationen, in denen man sich einfach selbst schützen muss.“