Folge des Ukraine-Krieges? Steigendes Interesse an Waffenscheinen in Tschechien

2022 haben in Tschechien mehr Menschen einen Waffenschein gemacht als im Vorjahr. Laut den Statistiken der Polizei ist zudem die Zahl der Schusswaffen in Privatbesitz gestiegen. Dem Innenministerium zufolge hängt der Trend mit dem Krieg in der Ukraine zusammen.

Browning | Illustrationfoto: Dean Moriarty,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

„Ich will einfach mal etwas Neues ausprobieren“, sagt Nikolas dem Reporter des Tschechischen Rundfunks. Er besucht eine Schießschule im Prager Stadtteil Žižkov. Ihr Inhaber ist Martin Fišer. Die gestiegene Nachfrage nach Waffenscheinen sei deutlich festzustellen, meint Fišer:

„Unmittelbar nach Ausbruch des Krieges gab es ein riesiges Interesse. Am ersten Wochenende ist meine Website zweimal abgestürzt, weil so viele Menschen auf einmal das Anmeldeformular ausfüllen wollten.“

Einen Waffenschein hatten Ende vergangenen Jahres 314.000 Menschen in Tschechien – fünf Prozent mehr als noch im Vorjahr. Auch das Innenministerium sieht einen Zusammenhang zwischen dem Krieg in der Ukraine und dem gestiegenen Interesse nach Schusswaffen:

„Im Januar und im Februar vergangenen Jahres war die Nachfrage noch mit jener in den Vorjahren zu vergleichen. Ab März haben wir aber einen deutlichen Anstieg festgestellt. Der Krieg in der Ukraine und die scheinbar neue Sicherheitssituation in Europa haben zu einem steigenden Interesse an Waffenscheinen geführt“, sagt Ondřej Krátoška. Der Sprecher des Innenministeriums macht zudem auf eine weitere spannende Entwicklung aufmerksam: So haben 2022 mehr Frauen als sonst einen Waffenschein gemacht. Insgesamt wurde das Dokument an über 5000 Personen ausgestellt.

Foto: Jabbacake,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

Keinen Zusammenhang zwischen Ukraine-Krieg und dem gestiegenen Interesse an Waffenscheinen sieht wiederum Jakub Smetánka. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Verbandes Lex, der die Interessen privater Waffeneigentümer vertritt:

„In den vergangenen 20 Jahren gab es immer zwischen 290.000 und 320.000 Halter eines Waffenscheines in Tschechien. Natürlich steigen die Zahlen manchmal an, aber das liegt an den demografischen Veränderungen in der Bevölkerung.“

Die Erlaubnis zum Führen von Schusswaffen ist das eine, der Besitz einer Pistole oder eines Gewehrs das andere. Aber auch dahingehend wurden 2022 steigende Zahlen verzeichnet. Der Trend der letzten Jahre, in denen immer mehr Privatpersonen Waffen führen, setzt sich damit weiter fort. Laut Angaben der tschechischen Polizei gab es 2022 fast 990.000 Schusswaffen im Privatbesitz – 2021 waren es noch 50.000 weniger.

Colt | Foto: Michael E. Cumpston,  CC BY-SA 3.0

Dass durch die neuen Waffen im Umlauf nun ein Anstieg an Unglücken und Straftaten zu erwarten sei, glaubt weder Smetánka noch Fišer. Der Chef der Waffenschule sagt: „In Tschechien gibt es zwar eine relativ große Auswahl an Waffen, die man legal beziehen kann. Allerdings sind die Gesetze auch relativ streng.“

Und auch beim Innenministerium sieht man die Entwicklung scheinbar gelassen. Laut Sprecher Krátoška sei keine neue Aufklärungskampagne in Planung: „Die Waffenbesitzer wissen sehr gut, dass sie durch kleine Verstöße ihre Waffen oder ihre Erlaubnis verlieren können.“

Um einen Waffenschein zu erhalten, müssen Menschen in Tschechien eine theoretische sowie eine praktische Prüfung ablegen. Des Weiteren muss ein Führungszeugnis vorgelegt werden und das für die jeweilige Waffenkategorie geltende Mindestalter erreicht sein. Sportwaffen können unter bestimmten Bedingungen bereits Personen ab 15 Jahren benutzen.

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