Das Problem der Prostitution bleibt ungelöst

Der Fall des eisernen Vorhangs 1989 hat in der damaligen Tschechoslowakei und dem Nachfolgestaat Tschechien vieles ins Rollen gebracht. Mussten doch im eingeleiteten Transformationsprozess die Fundamente der Marktwirtschaft erst neu gelegt und damit die Weichen für die weitere Entwicklung gestellt werden. Unter den einzelnen Branchen, die sich den neuen Bedingungen schnell anpassten, war das älteste Gewerbe der Welt wohl am flexibelsten. Ein augenfälligerer Beweis für diese Behauptung ist kaum woanders zu finden als auf der E 55, der meistfrequentierten Sex-Magistrale Tschechiens. Sie durchquert das Land von Nord nach Süd und weist in den Grenzregionen zu den Nachbarländern Deutschland und Österreich die größte Dichte der Sex-Dienstleistungsstellen jeder Art und Qualität auf. Nun, wie steht es um die Prostitution in Tschechien 12 Jahre nach der Wende 1989? Dieser Frage ist Jitka Mladkova nachgegangen:

Schmuddelecken, Waldpfade, Edelpuffs, Hotels, Privatwohnungen an stark frequentierten oder aber auch weitentlegenen stillen Orten - das alles sind Adressen, wo der Sex gegen ein Entgelt mittlerweile landesweit angeboten wird. Von den insgesamt 33 Verwaltungskreisen wird die Straßenprostitution nur in neun von ihnen nicht betrieben. In den restlichen sind etwa 5 Tausend Personen an dem Branchenboom mehr oder weniger beteiligt. Das Rotlichtmilieu mit insgesamt rund 850 Einrichtungen beschäftigt schätzungsweise 6 Tausend Personen. Dass das horizontale Gewerbe floriert, beweist u.a. auch die Tatsache, dass sich Tschechien im Laufe der Zeit von einem Transit- in ein Export- bzw. in ein Zielland entwickelt hat. Ein handfester Beweis ist eben auf den grenznahen Abschnitten der E 55 bzw. in benachbarten Zonen zu finden, wo u.a. auch Hunderte von ausländischen Frauen, vor allem aus der Slowakei, der Ukraine und Rumänien, illegal auf dem Strich tätig sind. Die Prostitution gilt also keineswegs als anerkannter Beruf mit Steuer- und Sozialversicherungspflicht. Die Sex - Dienstleisterinnen leben nur und allein von dem Liebeslohn. Um eine Definition des Problems Prostitution bat ich Frau Jitka Gjuricova, Abteilungsleiterin für die Prävention der Kriminalität beim tschechischen Innenministerium:

"Es gibt kein Gesetz, das die Prostitution verbietet. Aber auch keins, das sie reguliert. In diesem Sinne ist es also eine Tätigkeit wie jede andere. Man könnte sie sogar als eine Interessentätigkeit bezeichnen, da es für sie keine Regeln gibt."

Gjuricova hält es für unumgänglich, dass die Regierung endlich ein Gesetz verabschiedet, das für die Prostitution bestimmte Regeln festlegt. Doch diese tut sich schwer mit diesem längst überfälligen Anliegen. Gesetzesinitiativen gab es zwar in den zurückliegenden Jahren mehrere, sie konnten sich aber im Parlament nicht durchsetzen. Der legislative Rat der Regierung hat kürzlich folgendes Argument aus der Mottenkiste der Geschichte ausgekramt: Die ehemalige Tschechoslowakei habe 1957 gemeinsam mit anderen Ostblockstaaten die von der UNO initiierte Konvention gegen den Menschenhandel und die Ausbeutung anderer Personen durch Prostitution unterzeichnet. Damit hätten sich die Signatarländer verpflichtet, die Prostitution als eine die Frauen demütigende Tätigkeit zu betrachten. Aus der Logik dieser Sichtweise ergibt sich dann, dass ein Gesetzwerk zur Regelung der Prostitution diese faktisch legalisieren und damit einen Verstoß gegen das internationale Dokument herbeiführen würde. Nun, eine Lösung dieses Dilemmas ist angesichts der Mitte Juni anstehenden Parlamentswahlen vom regierenden sozialdemokratischen Kabinett nicht mehr zu erwarten. Die Initiative wird nach wie vor verschiedensten Organen, Organisationen und Bürgerinitiativen überlassen, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf regionaler bzw. kommunaler Ebene, zunehmend auch grenzüberschreitend, agieren. Und dass gerade in den Grenzregionen mit einem Nachlassen des Sexgeschäftes nicht zu rechnen ist, liegt auf der Hand. Ein Gesetz waltet auch hier, das von Angebot und Nachfrage nämlich, meint Gjuricova pragmatisch und fügt hinzu:

"Wenn es nicht die österreichischen und die deutschen Kunden geben würde, gäbe es hier auch keine tschechischen Prostituierten. Als z.B. an den Grenzübergängen die Blockaden wegen Temelin stattfanden, machten die Bordelle auch keine Geschäfte."