Das Ständetheater war ausschlaggebend - Ursel Herrmann über La clemenza di Tito

La clemenza di Tito (Katerina Jalovcova, Atala Shöck, Pavla Vykopalova) (Foto: Narodni divadlo)

Für alle Mozart-Fans ist das Prager Ständetheater ein Begriff. In diesem Theatergebäude, das damals jedoch noch Nostitz-Theater hieß, wurden gleich zwei Opernwerke von Wolfgang Amadeus Mozart uraufgeführt: Don Giovanni und La clemenza di Tito. Im Rahmen des Mozart-Jahrs wurde La clemenza di Tito im Ständetheater vor kurzem neu inszeniert.

Mozarts letzte Oper "La clemenza die Tito" wurde am 6. September 1791 im Prager Nostitz-Theater uraufgeführt. Obwohl die Oper im 19. Jahrhundert in Prag noch verhältnismäßig oft gespielt wurde, ist sie hierzulande im 20. Jahrhundert fast in Vergessenheit geraten. Umso neugieriger waren die Prager Opernfans auf die Neuinszenierung, die am 14. Oktober ihre Premiere im Ständetheater hatte. Und man kann sagen, dass sie nicht enttäuscht waren. Auch die Musikkritiker haben nach der Vorstellung mit lobenden Worten nicht gespart. Das Prager Nationaltheater hat für die Inszenierung ein renommiertes Regisseurehepaar - Ursel und Karl-Ernst Herrmann - nach Prag geholt, das sich auch an den Mozart-Inszenierungen bei den Salzburger Festspielen oft beteiligt hat. Mit Regisseurin Ursel Herrmann sprach ich kurz vor der Premiere, unter anderem darüber, warum sie sich mit ihrem Mann entschieden hat, den Titus in Prag zu inszenieren:

"Wir haben uns das Ständetheater angeguckt, und natürlich stellt man sich vor, dass Mozart da war, dass er da in diesem Graben stand, und dass er durch diese Räume gegangen ist. Das war schon sehr wichtig, das war ausschlaggebend."

Sie haben gesagt, dass diese Oper zu Ihren Lieblingsopern gehört. Sie stand auch am Anfang der Zusammenarbeit mit Ihrem Mann - 1982 in Brüssel...

"Ja, das war unsere erste gemeinsame Arbeit und eigentlich habe ich diese Oper gar nicht so gut gekannt, aber mein Mann kannte sie gut und wollte sie immer inszenieren. Denn sie wurde damals in Deutschland so gut wie nie aufgeführt, sie wurde im Grunde genommen auch vergessen wie hier offensichtlich, was ich gar nicht wusste. Dann habe ich mich damit beschäftigt und festgestellt, dass es wunderbar ist, dass die Musik fantastisch und die Geschichte sehr interessant ist. Da haben wir damals den Versuch gemacht."

Das Ständetheater in Prag
Wie erklären Sie sich diese Tatsache, dass diese Oper verhältnismäßig wenig gespielt wurde? Bei uns wurde sehr selten aufgeführt. Wie kommt es, dass eine solche Oper auf dem Repertoire so wenig auftauchte?

"Erstens kann man fast in allen Büchern mit Interpretationen von Mozarts Opern lesen, dass es ein Auftragswerk war und dass es sehr schnell komponiert wurde, weil es nicht viel Zeit gab, und das spielt sicher eine große Rolle bei der Ablehnung. Denn diese Oper wurde ja auch von den Interpreten oft unterschätzt. Natürlich geht man davon aus, weil das eine Seria-Geschichte ist und das Libretto ursprünglich für eine Opera seria gemacht war, dass es eine Opera seria ist, aber das stimmt eben auch nicht. Denn es ist von Mozart umgearbeitet worden. Er hat sämtliche Ensembles hinzugefügt. Die gab es vorher nicht. Vorher war es eine Abfolge von Rezitativen und Arien, wie das bei der Opera seria immer ist. Ich glaube, dass es eben oberflächliche Urteile sind. Abgesehen davon war es im 19. Jahrhundert die meist gespielte Oper von Mozart. Sie ist erst im 20. Jahrhundert aus irgendwelchen Gründen aus dem Spielplan zurückgezogen worden. Und natürlich spielt bestimmt auch die Geschichte eine Rolle - dass man davor zurück schreckt: Vor der römischen Antike, vor dem Kaiser und so weiter - vor diesen Problemen. Schon als wir uns das erste Mal damit beschäftigt haben, haben wir entschieden, dass wir diese ganze römische Antike weglassen und dass uns auch dieses Repräsentative an der Geschichte nicht interessiert und dass wir mehr an den inneren Vorgängen der Figuren interessiert sind. Diese sind tatsächlich sehr bewegend und es geht ja um Dinge, die durchaus nicht ausgestorben sind: Wie Liebe und Verrat und Freundschaft und so weiter, Machtbestreben, Machtgier, die vor nichts zurück schreckt, vor den Konsequenzen, die daraus entstehen. Das sind die Dinge, die uns daran interessieren. Das ist eher dieses Kammerspiel, was es eigentlich auch ist, denn der Chor, die Öffentlichkeit, das Volk oder wie man das immer nennt, spielt in der Oper fast keine Rolle."

Ist es in Ihrer Auffassung eher ein Spiel über die zwischenmenschlichen Beziehungen, die es auch heutzutage gibt? Sehen Sie darin das Aktuelle?

Ursel Herrmann  (Foto: Autorin)
"Ja, für uns ist diese Dreiecksbeziehung zwischen Vitellia und Titus - diesen beiden Konkurrenten - und Sextus wichtig, der zwischen diesen beiden aufgerieben wird. Wir sind also jetzt nicht Regisseure, die Geschichte aktualisieren und damit behaupten, dass sie nur heute stattfindet. Das wäre auch Einengung. Wir versuchen schon, die Geschichte so zu erzählen, dass sie eine mehr allgemeine Gültigkeit hat und dass sie in der Gegenwart und in der Vergangenheit und in der Zukunft spielen könnte. Das versuchen wir natürlich vor allen Dingen darüber zu zeigen, dass wir sehr, sehr stark an den Rezitativen auch arbeiten: Dass in den Rezitativen die Figuren an einen Punkt kommen, wo sie am Ende dieses Rezitativs so zu sagen nicht anders können, als entweder eine Arie oder ein Duett oder ein Ensemble zu singen. Das heißt, dass es unbedingt sein muss, dass das, was man sagen will, man nicht mehr anders sagen kann als durch Singen: Also das es so zu sagen eine Steigerung gibt vom Secco-Rezitativ zum komponierten Stück. Das ist das, was wir versuchen."

Was den hiesigen Theaterraum anbelangt, in wie weit war dieser für Sie inspirierend?

"Das Theater ist sehr schön. Inspirierend war es allein aus dem Grund, dass es ein schöner Raum ist und weil es mehr Spaß macht, in einem schönen Theater als in einem hässlichen zu sitzen. Das ist ganz klar. Ansonsten hat ja die Bühnentechnik mit dem, was mal war, nicht mehr viel zu tun. Das wurde irgendwann umgebaut. Aus der Barocktheaterbühne - da gab es ja viele Versenkungen - das ist alles weg, was ein Jammer ist, weil man das natürlich auch benutzen könnte oder anders benutzen könnte als damals. Trotzdem hat Hermann versucht, diese Perspektive vom Barocktheater, die ja immer noch zwischen Zuschauerraum und Bühne existiert, das man wirklich diese Zentralperspektive benutzt: Er hat einen Raum gebaut, der in den Linien dieser Perspektive sich fortsetzt bis ziemlich weit nach hinten. Und er hat natürlich eine Schräge gebaut, die es früher gegeben hat, die aber offensichtlich entfernt wurde. Die Schräge ist natürlich fantastisch, weil Sänger auf der Schräge präsenter als auf einem normalen Boden sind. Er hat im Grunde das wieder gemacht, was es früher gegeben hat. Früher hatte man diese Kulissentheater: In der Perspektive die Kulissen. Das hat er natürlich nicht gemacht, aber er hat in diesen Sichtlinien den Raum gebaut, und mehr gibt es eigentlich auch nicht. Es ist total einfach. Ich glaube, es ist das Einfachste, was Herrmann je gemacht hat, aber hier immer noch schwierig genug."

Wie ist die Arbeit zwischen Ihnen bei den Vorbereitungen verteilt? Müssen Sie sich immer vorher einigen, wie das schließlich aussehen wird?

"Ja, wir müssen uns schon einigen. Aber es ist ja so: Mein Mann ist zuständig für die Bühne und Kostüme. Man hört sich die Sache gemeinsam an und spricht darüber. Dann geht er in sein Zimmer und entwirft etwas, und das guckt man sich dann zusammen an. So entwickelt man das eigentlich. Das ist immer wieder ein Phänomen für mich. Denn er macht so eine kleine Zeichnung, eine ganz winzige Zeichnung, und am Ende sieht es genauso aus, wie auf dieser winzigen Zeichnung."

Mozarts letzte Oper "La clemenza di Tito" wurde als eine Krönungsoper komponiert. Falls Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, den Namen des damals gekrönten Herrschers wissen, können Sie uns ihn schreiben. Denn so lautet unsere heutige Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie eine CD gewinnen können. Ihr Zuschriften richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradska 12, PLZ 120 99 Prag 2, Tschechien.

Die richtige Antwort auf unsere Frage von vor vier Wochen lautet: Die ersten Jesuiten sind im Jahre 1556 nach Prag gekommen. Eine CD geht diesmal an Christoph Preutenborbeck aus Odenthal.