Das Verteidigungsministerium versinkt im Korruptionssumpf
Es war seit Jahren ein offenes Geheimnis: Im tschechischen Verteidigungsministerium wird allzu locker mit Steuergeld umgegangen. Lang ist die Liste jener Rüstungsgüter, die zu weit überhöhten Preisen und noch dazu am Bedarf der Armee vorbei gekauft wurden. Lang ist die Liste jener Beamten, Lobbyisten und Rüstungsfirmen, die sich oft unverschämt bereichert haben. Und lang ist die Liste der – meist ergebnislos verlaufenen – Ermittlungsverfahren. Der neue Verteidigungsminister Alexandr Vondra hat nun angekündigt, den großflächigen Sumpf in seinem Ressort trockenzulegen. Doch eine große Tageszeitung ist Vondra zuvorgekommen und hat heimlich angefertigte Mitschnitte von Verhandlungen über Rüstungsgeschäfte veröffentlicht. Und die lassen eine Reihe von hohen Ministerialbeamten in keinem guten Licht erscheinen. Auch der ehemalige Verteidigungsminister Martin Barták hat einigen Erklärungsbedarf.
„Unsere Armee hat bestens ausgebildete Soldaten, die bei wichtigen Auslandsmissionen gemeinsam mit unseren Verbündeten ihr Leben aufs Spiel setzten. Dieses Ministerium hat eine Reihe von aufrichtigen und fleißigen Mitarbeitern. Es ist inakzeptabel, dass der Ruf dieser Menschen durch eine Gruppe von korrupten Leuten beschädigt wird. Das will ich ändern.“
Und ein sichtlich verärgerter Premierminister Petr Nečas legt nach:
„Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass das Verteidigungsministerium den Ruf der sprichwörtlichen Melkkuh für einige private Firmen verliert, die wie Parasiten über verschiedene Verträge und Dienstleistungen den Steuerzahlern das Geld aus der Tasche ziehen. Eine gewisse Gruppe von Firmen ist sich anscheinend sicher, dass dieses System weiter funktionieren wird. Dazu sage ich ganz klar: Nein, diese Zeiten sind vorbei.“Vondra und Nečas versichern, alles zur Aufklärung der Missstände tun zu wollen. Der Verteidigungsminister stellt personelle Änderungen in Aussicht und verspricht die Einrichtung einer Untersuchungskommission. Diese solle schon bald Ergebnisse liefern, ergänzt Vondra.
Einen Monat später gibt es tatsächlich erste Ergebnisse. Doch geliefert hat sie nicht die vom Verteidigungsminister eingerichtete Sonderkommission, sondern die Tageszeitung „Mladá fronta dnes“.Über Monate verfolgten Reporter der Zeitung Mitarbeiter des Ministeriums und zeichneten geheime Treffen mit Waffenlobbyisten auf. Diese Aufnahme stammt von einem Geheimtreffen des – mittlerweile ehemaligen – stellvertretenden Verteidigungsministers Jaroslav Kopřiva mit dem Rüstungslobbyisten Josef Jindra. Bei der konspirativen Sitzung in einem Prager Innenstadtlokal ging es unter anderem darum, wie man an allen Ausschreibungen vorbei Minenwerfer anschaffen und dabei fette Provisionen einsacken kann. Zum Zug kommen sollte die finnische Firma Patria, und der Kontostand von Herrn Kopřiva sollte deutlich anwachsen. Doch was, wenn die Sache auffliegt und Kopřiva seinen Job als stellvertretender Verteidigungsminister verliert? Auch dafür war vorgesorgt.
Dann sollte, wie Jaroslav Kopřiva seinem Gesprächspartner anvertraute, Pavel Severa sein Amt übernehmen und die krummen Geschäfte weiterführen. Severa, einstmals einflussreiches Mitglied der Christdemokratischen Partei (KDU-ČSL) und bis vor kurzem Abgeordneter der neuen konservativen Partei TOP 09, sagte dazu im Tschechischen Fernsehen:„Ich habe an keinen Geheimtreffen teilgenommen, von mir gibt es auch„Mitte der 1990er Jahre gab es im Verteidigungsministerium zwei Minister-Stellvertreter, Petr Nečas und Miroslav Kalousek. Nachdem ich mit Herrn Kopřiva nie zusammengearbeitet habe, kann sich der Herr Premierminister nur selbst gemeint haben.“ keine heimlich angefertigten Tonaufzeichnungen. Ich habe mit niemanden etwas abgesprochen. Ich betrachte das ganze als Rufmord. Ich weiß nicht, warum Herr Kopřiva das getan hat. Das Ganze muss eine Kurzschlusshandlung sein, denn so kenne ich ihn nicht. Ich kann mir das nur so erklären, dass korrupte Beamten ihre Verhandlungsposition dadurch verbessern wollen, indem sie gegenüber den Lobbyisten behaupten, dass sie einfach alles beeinflussen können und diesen oder jenen in der Hand haben. Damit glauben sie, ihren Profit erhöhen zu können.“
Dennoch hat Severa seine Parteichefs Karel Schwarzenberg und Miroslav Kalousek gebeten, ihn nicht zum Generalsekretär der TOP 09 zu ernennen. Als Schuldeingeständnis will das Severa aber nicht verstanden wissen.Pavel Severa ist aber nicht der einzige Politiker, der im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre im Verteidigungsministerium Erklärungsbedarf hat. Nach den von der Zeitung Mf Dnes heimlich aufgezeichneten Worten von Ex-Vizeminister Kopřiva sei auch der ehemalige Verteidigungsminister und langjährige Minister-Stellvertreter Martin Barták in die schmutzigen Geschäfte eingeweiht gewesen. Barták, mittlerweile stellvertretender Finanzminister, weist die Vorwürfe empört zurück. Jaroslav Kopřiva schweigt bisher zu allen Vorwürfen und ist untergetaucht.
Die laut Insidern von der tschechischen Armee überhaupt nicht benötigten Minenwerfer sind übrigens nicht angeschafft worden. Der tschechische Repräsentant der Firma Patria hat im letzten Moment kalte Füße bekommen und die Polizei eingeschaltet. Korruption ist für einen finnischen Staatskonzern ein mehr als heikles Thema, denn in Finnland laufen Geschäfte in der Regel sauber ab. Dies bestätigen regelmäßig auch die Korruptionswächter von Transparency International durch Top-Bewertungen.Premier Petr Nečas wiederum ist überzeugt, die Korruption habe sich bereits in den 1990er Jahren im Verteidigungsressort ausgebreitet. Ein Vorwurf, der wiederum Finanzminister Miroslav Kalousek auf die Palme treibt. Der Mitbegründer der Partei TOP 09 war zu dieser Zeit für die Christdemokraten stellvertretender Verteidigungsminister:
„Mitte der 1990er Jahre gab es im Verteidigungsministerium zwei Minister-Stellvertreter, Petr Nečas und Miroslav Kalousek. Nachdem ich mit Herrn Kopřiva nie zusammengearbeitet habe, kann sich der Herr Premierminister nur selbst gemeint haben.“Der Regierungschef, der seinem Finanzminister nicht unbedingt in engster Freundschaft verbunden ist, reagierte gelassen auf den neuerlichen Angriff aus den Reihen seines Koalitionspartners TOP 09:
„Ich verstehe überhaupt nicht, in welchen Zusammenhang mein zehnmonatiges Wirken im Verteidigungsressort mit den Ankaufsmechanismen für Rüstungsgüter steht.“
Doch nicht nur Premier Nečas, auch Alexandr Vondra sei in die Affäre im Verteidigungsministerium verstrickt, behauptet Kalousek. Als ehemaliger Botschafter in den USA mit besten Kontakten zum Pentagon und zur Nato habe er sich als Europaminister in der Regierung Topolánek dafür stark gemacht, dass der Auftrag für Radpanzer nicht an die finnische Patria, sondern an die österreichische Firma Steyr gehe. Die Wiener Panzerschmiede gehört zu 100 Prozent zum US-Rüstungskonzern General Dynamics. Alles Quatsch, kontert Vondra, den umstrittenen Kauf der Radpanzer Pandur habe noch der sozialdemokratische Verteidigungsminister Karel Kühnl eingefädelt.
„Ich bin nicht dazu da, jetzt alle möglichen Personen quer durch die Tschechische Republik zu überprüfen. Ich bin für meine Aufgabe im Verteidigungsministerium verantwortlich. Und dort geht es darum, dass alles funktioniert und alles sauber ist.“
Die Ermittlungen über die Rüstungskäufe in der Vergangenheit seien Sache der Strafverfolgungsbehörden, so Minister Vondra. In der Affäre um angebliche Schmiergeldzahlungen beim Kauf der Pandur-Radpanzer haben sie bisher zu keinem Ergebnis geführt. Nun hat die Polizei im Zusammenhang mit der geplatzten Minenwerfer-Beschaffung Ermittlungen gegen den gefeuerten Vizeverteidigungsminister Jaroslav Kopřiva und einige Waffenlobbyisten aufgenommen.