Davidová und Krčmář: die tschechischen Olympia-Hoffnungen im Biathlon

Michal Krčmář

Vergangene Woche haben wir über den Start der tschechischen Biathletinnen und Biathleten in die neue Weltcup-Saison berichtet. Trotz unterschiedlicher Auftaktergebnisse gilt weiter: Markéta Davidová bei den Frauen und Michal Krčmář bei den Männern sind Tschechiens größte Medaillenhoffnungen in dieser Sportart für Olympia.

Markéta Davidová | Foto: Fredrik Sandberg,  ČTK/AP Photo

Markéta Davidová stammt aus einer sportlichen Familie. Ihre Mutter war eine aktive Volleyballerin, ihr Vater spielte Basketball. Im Alter von 13 Jahren aber entschied sich Markéta, die im nordböhmischen Jablonec nad Nisou / Gablonz geboren wurde, für den Biathlon. In einem Exklusivgespräch für den Tschechischen Rundfunk schilderte sie jüngst, was ihr an dieser Sportart gefällt:

„Es ist die Kombination von eigentlich zwei Sportarten, dem Skilaufen und dem Schießen. Biathlon ist nicht so einförmig wie andere Disziplinen, und während eines Rennens kommt es zu häufigen Positionswechseln.“

Markéta Davidová | Foto: Tschechisches Fernsehen

Das ist vor allem bei Wettkämpfen wie der Verfolgung, dem Massenstart- und den Staffelrennen der Fall, was bei allen Beteiligten einschließlich der Zuschauer für große Spannung sorgt. Auch deswegen ist Biathlon so populär geworden. Es gibt aber auch Konkurrenzen, die weniger prickelnd sind, insbesondere die Einzel-Wettbewerbe. In dieser Disziplin ist jeder Biathlet im Grunde genommen rund 45 Minuten auf sich allein gestellt. Da muss man auch mental gut in der Spur sein. Michal Krčmář, Tschechiens gegenwärtig bester Biathlet, beschreibt, wie er ein solches Rennen nach Möglichkeit gestaltet:

„Mir hilft es im Einzel vor allem, wenn ich in der Loipe auf ebenbürtige Konkurrenten treffe. Wenn ich einem von ihnen hinterherlaufe, konzentriere ich mich darauf, dass ich ihm nicht auf den Stock trete, das Tempo mitgehe oder anderweitig mit ihm zusammenarbeite. Dadurch vergeht eine Runde zumeist auch schneller.“

Michal Krčmář | Foto:  Tschechisches Fernsehen

Sei er aber in der Loipe allein unterwegs, tue das der Psyche nicht gut, ergänzt Krčmář. Markéta Davidová kommt offenbar mit dieser Anforderung besser zurecht. Das hat sie bei der vergangenen Weltmeisterschaft in Pokljuka und beim diesjährigen Weltcup-Auftakt in Östersund im Einzel bewiesen, denn beide Wettbewerbe gewann sie ohne einen einzigen Fehlschuss. Dennoch gibt es auch für die Weltmeisterin eine Sache, die sie bei einem Rennen ablenkt:

„Bisweilen achte ich darauf, dass ich beim Schnäuzen – wenn meine Nase läuft – auf keinen Fotografen treffe. Dann fange ich an, darüber nachzudenken, wo es geht und wo nicht.“

Krčmář: Sofort neues Rennen ist beste Medizin zum Frustabbau

Michal Krčmář | Foto:Tschechisches Fernsehen

Mittlerweile aber können die Fotografen die Tschechin auch häufiger noch nach dem Rennen auf dem Siegerpodest ablichten. Seit ihrem Weltcup-Debüt vor fünf Jahren im heimischen Nové Město na Moravě / Neustadt in Mähren hat die 24-Jährige dieses schon elfmal bestiegen, davon in neun Fällen nach einer Einzelkonkurrenz. Dreimal stand sie bisher auf dem obersten Treppchen: Im Januar 2019 nach dem Sprint-Wettbewerb in Antholz sowie nach den bereits genannten Rennen in Pokljuka und Östersund. Damit ist die Biathletin aus dem Isergebirge inzwischen auch aus den großen Fußstapfen ihrer erfolgreichen Landsfrauen Gabriela Koukalová und Veronika Vítková herausgetreten. Aber gerade im Biathlon kann sich das Blatt bekanntlich schnell wenden. Wie geht Davidová also mit Misserfolgen um?

„Oft hat man gar keinen Raum dafür, um darüber zu brüten, woran es lag. Wenn man am Abend einen Wettkampf bestritten hat und tags darauf schon das nächste Rennen ansteht, bleibt keine Zeit zum Nachdenken. Und ebenso nicht für den Versuch, die schlechten Gedanken zu vertreiben.“

Michal Krčmář | Foto:  Tschechisches Fernsehen

Michal Krčmář stimmt seiner Teamkollegin zu:

„Die beste Medizin für mich nach einem verpatzten Rennen ist, wenn es am nächsten Tag gleich wieder zum Wettkampf geht. Ist dies nicht der Fall und man muss nach einem Sonntag bis zum darauffolgenden Wochenende auf die nächsten Wettbewerbe warten, schleppt man den Ballast noch am Montag und Dienstag mit sich herum.“

Misserfolge gehören zum Sport, das weiß auch Markéta Davidová. Trotzdem gibt es eine Sache, die ihr am Biathlon etwas weniger gefällt:

Markéta Davidová | Foto: Tschechisches Fernsehen

„Mich stört, dass man sich beim Schießen nichts überziehen kann, wenn es kalt ist. Im Training würde ich nicht selten gern mit dickem Mantel und Fausthandschuhen zum Schießstand kommen, doch das ist im Biathlon nicht möglich, denn man muss mit der Waffe hantieren können und mit ihr schießen.“

Michal Krčmář dagegen mag den Winter, Kälte und Schnee sind ihm lieber als 30 Grad im Schatten. Nach längerem Überlegen nennt der 30-Jährige aber auch etwas, was ihm im Verlauf einer Wettkampfsaison nicht behagt:

„Es ist das viele Reisen. Mich stört dabei jedoch nicht, dass ich längere Zeit von zu Hause weg bin und überall in der Welt herumkomme. Aber die Transfers von einem Wettkampfort zum nächsten mag ich nicht, weil wir teilweise bis zu einem ganzen Tag unterwegs sind.“

Davidová: Nachteil der fehlenden Streckenkenntnis für (fast) alle gleich

Michal Krčmář | Foto: Tschechisches Fernsehen

Weit reisen müssen Markéta Davidová und Michal Krčmář auch Ende Januar kommenden Jahres, wenn sie ihr großes Saisonziel ansteuern: die Olympischen Winterspiele in Peking. Beide Sportler, die beim Verein SKP Kornspitz Jablonec trainieren, wollen dort bestehen. Und Krčmář würde gern seinen Erfolg von 2018 wiederholen: die olympische Silbermedaille im Sprint. Derzeit verschwendet er aber noch keinen Gedanken daran:

„Wenn ich jetzt darüber nachdenken würde, wie es dort sein wird oder wie ich mit der neuen Strecke zurechtkommen werde, dann würde ich mich nur unnötig stressen. Wenn wir dort ankommen, werden ich und all meine Konkurrenten die verbleibende Trainingszeit vor Ort nutzen, um uns an die Anlage zu gewöhnen.“

Ondřej Rybář | Foto:  Tschechisches Fernsehen

In seiner Aussage spricht Krčmář ein Thema an, das den meisten Biathletinnen und Biathleten bitter aufstößt: Wegen der Corona-Pandemie wurde der in der letzten Saison auch als olympische Generalprobe in Peking geplante Weltcup abgesagt. Außer den Gastgebern hat daher kein internationaler Wettkämpfer bisher auf der olympischen Biathlonstrecke trainieren können. Und auch die allgemeinen Informationen seien unerwartet dürftig, kritisiert der Cheftrainer des tschechischen Biathlon-Teams, Ondřej Rybář:

„Wir wissen natürlich einiges über das Streckenprofil, doch ich hätte von den Organisatoren der Spiele eine weit professionellere Einstellung erwartet, indem sie weitere Daten zu der Anlage veröffentlichten. In dieser Hinsicht hat die chinesische Seite bisher nur sehr zögerlich gehandelt. Von daher muss ich konstatieren: Die Informationen, die wir bisher bekommen haben, sind nicht das Material, das einem Highlight wie den Olympischen Spielen entspricht.“

Markéta Davidová | Foto: Tschechisches Fernsehen

Ähnlich wie Krčmář will sich auch Davidová von diesem Handicap nicht beeinflussen lassen, zumal ihre Kontrahentinnen vor derselben Ausgangslage stehen, mit Ausnahme der Chinesinnen. Nichtsdestotrotz haben die beiden tschechischen Medaillenkandidaten eine klare Meinung zu den Bedenken, die im schwedischen Team gegenüber dem Austragungsort und den Menschenrechtsverletzungen in China geäußert wurden. Markéta Davidová:

„Wenn man über Wintersport spricht, dann denkt bestimmt nicht jeder gleich an China oder auch Korea. Es ist schade, dass solche weltweiten Sportereignisse immer öfter nicht mehr an jenen Orten stattfinden, wo sie hingehören und wo der Wintersport große Tradition hat. Denn an diesen Orten kommen die Menschen zu Tausenden auch nach den Spielen noch an die olympischen Wettkampfstätten, um dort Ski zu laufen oder anderen Sport zu betreiben. Dass dies in Peking nicht so sein wird, ist schade.“

Michal Krčmář:

Michal Krčmář | Foto:  Tschechisches Fernsehen

„Ich denke nicht, dass wir Sportler diejenigen sind, die zum Thema Menschenrechte etwas bewegen können. Aber es ist wichtig, darauf aufmerksam zu machen. Und auch wir sind Menschen, die sich dazu äußern sollten. Also warum nicht ansprechen, dass es mit der Einhaltung der Menschenrechte in China Probleme gibt. Auf der anderen Seite aber kommt es mir überhaupt nicht in den Sinn, auch nur ansatzweise über einen Boykott der Spiele nachzudenken. Denn ich bin Profisportler, und der Wettkampf ist mein Job.“

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