Den Tschechen geht es gut wie nie: höhere Löhne, niedrige Steuern und Zinsen

Der Wirtschaft in Tschechien boomt. Und das hat viele erfreuliche Nebeneffekte zur Folge: höhere Löhne, geringe Arbeitslosigkeit und die höhere Kaufkraft der Bevölkerung. Radio Prag hat deshalb einen Überblick über einige Sektoren des tschechischen Finanzmarktes zusammengestellt.

Die Tschechen werden immer mehr zu braven und pünktlichen Steuerzahlern. Am Montag war hierzulande der Tag erreicht, ab dem die Arbeitnehmer des Landes in diesem Jahr für sich selbst verdienen: der Tag der Steuerfreiheit. Drei Tage früher als im vergangenen Jahr. Am 11. Juni hatten also die Tschechen ihre Schulden bei Vater Staat abgezahlt. Doch nicht nur das, sie hatten sogar einen steuerlichen Überschuss von 14,5 Milliarden Kronen (ca. eine halbe Milliarde Euro) gezahlt. Das sind vier Milliarden mehr als im vorigen Jahr. Weshalb dieser hohe Überschuss hauptsächlich zustande kam, dazu erklärte die stellvertretende Finanzministerin Dana Trezziova:

"Es sind 7,5 Millionen Steuerzahler in Beschäftigung. Von ihnen können sechs Millionen erstmals die gemeinsame Steuererklärung für Ehepaare nutzen. Und genau aus diesem Grund sind insgesamt sechs Milliarden Kronen an einen der Ehegatten zurückgezahlt worden."

Neben der gestiegenen Steuermoral kann der tschechische Finanzmarkt auch noch einen weiteren positiven Aspekt vermelden. Nämlich den, dass die Anzahl der gefälschten Banknoten zurückgegangen ist. In diesem Jahr hat die hiesige Zentralbank bislang um ein Drittel weniger Blüten als üblicherweise aus dem Verkehr ziehen müssen. Wie der dortige Bankangestellte Leopold Surga zu berichten weiß, sind die gefälschten Banknoten jedoch gleich mehreren Währungen zuzuordnen:

"Am häufigsten wird die amerikanische Einhundert-Dollar-Note gefälscht. Für die europäische Währung relativ untypisch sind bei ihr in diesem Jahr bisher die meisten Fälschungen beim 200-Euroschein aufgetaucht. Bei der tschechischen Währung hingegen gibt es kaum eine Banknote, die nicht davon betroffen ist. Vom Tausender bis zum Hunderter wurden alle Scheine etwa im gleichen Maße gefälscht, das heißt, so zirka einhundert Mal je Banknote."

Hinter die Fassade geschaut

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Der durchschnittliche Monatslohn in Tschechien ist im ersten Quartal dieses Jahres um 7,8 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitpunkt des Vorjahres gestiegen. Er liegt jetzt bei 20.399 Kronen, was einem Gegenwert von rund 730 Euro entspricht. Im Vergleich zum 31. März 2006 hatten die tschechischen Arbeitnehmer also durchschnittlich 1481 Kronen bzw. 50 Euro mehr im Portemonnaie. Das gab das Tschechische Statistikamt vor gut einer Woche bekannt. Wirtschaftsexperten erwarten jetzt jedoch, dass die steigenden Löhne ziemlich bald zu einer erneuten Erhöhung der Leitzinsen führen werden. Der Bankenrat der Tschechischen Nationalbank hat diese erst am 31. Mai um einen Viertelprozentpunkt auf 2,75 Prozent erhöht.

Dennoch: Auch nach dieser Erhöhung hat die Tschechische Republik weiterhin die niedrigsten Zinssätze innerhalb der Europäischen Union. Und die hiesigen Verbraucher wissen das zu schätzen. Im Frühjahr dieses Jahres verzeichnete der Einzelhandel Rekordumsätze wie seit Jahren nicht. Der Analytiker der Raiffeisenbank, Ales Michl, sieht darin diesen Zusammenhang:

"Die Lohnstatistik gibt eine eindeutige Antwort darauf, weshalb gegenwärtig die Umsätze des Einzelhandels im Rekordtempo zunehmen. Wir sind der Meinung, dass die Bevölkerung enorm angestachelt zum erhöhten Konsum durch den Anstieg des Bruttoinlandsproduktes, der in diesem Jahr bei sechs Prozent liegen dürfte."

Nach Einschätzung des Analytikers der HVB Bank, Pavel Sobisek, haben gleich mehrere Branchen einen hohen Anteil daran, dass sich das Wirtschaftswachstum hierzulande auch in diesem Jahr in diesem Zahlenbereich bewegt:

"Wenn wir die einzelnen Wirtschaftszweige betrachten, dann gehört das Bauwesen zu den Branchen, die erheblich zu diesem Wachstum beigetragen haben. Außerdem erwarte ich auch von den Zweigen Industrie und Handel einen starken Anteil. Und wahrscheinlich werden auch die Dienstleistungsunternehmen ihr Scherflein beitragen."

In der Unternehmenssphäre steigen auch die Löhne schneller. Ende März betrug hier das monatliche Durchschnittsgehalt umgerechnet rund 740 Euro, in der Nichtunternehmenssphäre lag es hingegen bei nur ca. 700 Euro. Auffällig ist auch, dass Frauen in Führungspositionen immer noch weit weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. In der Regel erhalten sie in etwa nur die Hälfte. Denn während den Männern in Managerposten im ersten Quartal dieses Jahres monatlich durchschnittlich knapp 62.000 Kronen (ca. 2.200 Euro) ausgezahlt wurden, bekamen die Frauen im Schnitt knapp 30.000 Kronen weniger. Sie mussten sich also mit einem Monatsgehalt von 1.160 Euro begnügen. Der Unterschied zwischen den Gehältern für beide Geschlechter wird jedoch in zunehmendem Maße geringer. Verdienten die Frauen im Jahr 1998 durchschnittlich nur 72 Prozent von dem, was die Männer an Lohn bezogen, so waren es im vergangenen Jahr schon 75 Prozent.

In etwa proportional mit den steigenden Löhnen geht auch die relativ niedrige Arbeitslosenquote in Tschechien einher. Im Mai dieses Jahres lag sie bei 6,4 Prozent. Das ist die geringste Quote seit Juli 2004, als man im Ministerium für Arbeit und Soziales damit begann, sie nach einer neuen Methode zu ermitteln. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Zum 31. Mai wurden 353.604 erwerbsfähige Menschen in Tschechien als arbeitslos registriert. Das hängt ursächlich mit der guten Auftragslage in der Wirtschaft zusammen. Doch die verlangt - und das zu Recht - nach immer besser qualifizierten Beschäftigten. Und gerade das wird immer mehr zum Problem im kleinen Tschechien, weshalb der Analytiker der Agentur Next Finance, Vladimir Pikora, auch bereits das nahende Ende des hiesigen Wirtschaftsbooms sieht:

"Eine Bremse der Wirtschaft wird die zu geringe Zahl an qualifizierten Arbeitnehmern werden. Für die Unternehmen wird es schwierig werden, gute und fähige Arbeitskräfte zu finden. Die Arbeitgeber müssen immer mehr nach Slowaken, Polen und Ukrainern Ausschau halten. Doch auch von ihnen gibt es nur eine begrenzte Zahl, die über relativ gute Tschechischkenntnisse verfügt. Daher sind wir der Meinung, dass unsere Wirtschaft den Boom bereits hinter sich hat."

Der Analytiker der Tschechoslowakischen Handelsbank (CSOB), Petr Dufek, fordert daher, den tschechischen Arbeitsmarkt noch weiter zu öffnen:

"Die Tschechische Republik kann schon nicht mehr nur auf die rund 200.000 ausländischen Arbeitskräfte zurückgreifen, die vornehmlich aus Polen, der Slowakei und der Ukraine kommen. Meiner Meinung nach gibt es jedoch noch genügend Spielraum dafür, dass sich der tschechische Arbeitsmarkt weiter öffnet. Dazu müssen auch einige Hürden, wie zum Beispiel die administrativen Barrieren, noch mehr abgebaut werden."

Abgebaut werden soll auch wieder der Anteil der Arbeitslosen, die körperbehindert sind. Ende Mai 2006 betrug ihr Anteil an der Arbeitslosenquote 16 Prozent, zum gleichen Zeitpunkt dieses Jahres war er um fast zwei Prozent gestiegen. Nicht verhindern lassen wird sich aber, dass auch in Tschechien die Schere zwischen Arm und Reich, sprich: Sozialhilfeempfängern und Topverdienern weiter auseinander geht. Im vorigen Jahr hat das US-Magazin Forbes mit Petr Kellner auch den ersten Tschechen in ihr Ranking der Superreichen aufgenommen. Und zwar auf dem 224. Platz mit einem geschätzten Vermögen von drei Milliarden Dollar. Mittlerweile soll der 43-jährige Erfolgsmanager und Milliardär sein Vermögen sogar auf über vier Milliarden Euro ausgebaut haben.