In den Wirren religiöser Konflikte: heiliger Johannes Sarkander
In diesem Jahr werden gleich drei Jubiläen rund um den Priester und Märtyrer Johannes Sarkander begangen: Am 17. März wurde an den 400. Todestag des Priesters erinnert. Am 6. Mai jährt sich zum 160. Mal seine Seligsprechung und am 21. Mai zum 25. Mal seine Heiligsprechung. Johannes Sarkander zählt somit neben Agnes von Böhmen und Zdislava von Lämberg zu den jüngsten tschechischen Heiligen überhaupt.
„Svatý Jan Sarkander“ / auf |Deutsch „Der heilige Johannes Sakrander“ heißt eine umfangreiche Monographie, die im Jubiläumsjahr 2020 erschienen ist. Ihr Autor ist der Theologe Karel Kavička:
„Es ist die Geschichte eines normalen Menschen, der aus einem religiösen katholischen Umfeld stammte. Denn auch seine zwei Brüder waren Priester.“
Der Verfasser beschrieb sein Buch bei einem Gespräch für den Kultursender des Tschechischen Rundfunks:
„Ich habe das Buch nicht als streng wissenschaftliche Arbeit konzipiert. Ich wollte den heiligen Johannes Sarkander den Menschen von heute näherbringen. Das umfangreichste Kapitel erzählt von seinem Leben. Ein weiteres Kapitel beschreibt die Lage nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges. Es folgt ein Teil mit dem Titel ‚Seligsprechung‘ über den langen Prozess seiner Beatifikation. Und schließlich ein Kapitel über die Heiligsprechung in Olmütz.“
Johannes Sarkander wird heute als tschechischer Heiliger verehrt, doch seine Familienwurzeln liegen in Polen:„Die Familie stammte aus dem polnischen Skoczów. Die Stadt lag damals im Teschner Fürstentum, das seit dem 13. Jahrhundert zu Mähren gehörte. Alle Mitglieder der Familie Sarkander ließen sich nach und nach in Příbor nieder. Dort haben jüngst zwei Forscher die städtischen Grundbücher durchforscht. In den Aufzeichnungen über die Eigentumsverhältnisse tauchen immer wieder die Namen der Familienmitglieder Sarkander auf, das heißt von Johannes, seinen beiden Brüdern und zwei Schwestern.“
Der Pfarrer
Johannes kam 1576 zur Welt. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1589 zog die Mutter mit ihren fünf Kindern nach Příbor / Freiberg in Mähren. Dort ging der kleine Johannes zunächst zur Pfarrschule, im Alter von 17 Jahren wechselte er nach Olomouc / Olmütz, um dort am Jesuitenkolleg zu studieren.
„Er bekam zunächst eine gute Ausbildung durch die Jesuiten. Danach schrieb er sich zum Theologie-Studium ein. Es war eine Zeit scharfen religiösen Streits. Drei Fraktionen – die Lutheraner, die Calvinisten und die Katholiken – wollten jeweils ihre Sicht des Glaubens durchsetzen. Daraus entwickelte sich schließlich ein gesamteuropäischer Konflikt. Es ist aber belegt, dass Sarkander als Priester nie zu gewalttätigen Mitteln gegriffen hat.“
Aus Olmütz ging der junge Student nach Prag. Dort studierte er Philosophie und promovierte zum Doktor der freien Künste. Ein Jahr verbrachte er bei seinem Bruder in Velké Meziříčí / Groß Meseritsch, um danach nach Graz zu ziehen und dort seine Studien im Fach Theologie fortzusetzen. Nach zwei Jahren brach er sein Studium ab – 1606 heiratete im Alter von 30 Jahren. Karel Kavička erzählt weiter:„Ich habe Erkenntnisse des Brünner Archivars Hrubý in das Buch aufgenommen. Er hat im Stadtbuch von Velké Meziříčí einen Eintrag über Sarkanders Ehevertrag entdeckt. Das war eine große Überraschung. Danach wurde lange Jahre überprüft, ob der Eintrag wirklich den heiligen Johannes Sarkander betrifft oder eine andere Person dieses Namens.“
Seine Braut war Anna Plachetská, die Tochter aus einer angesehenen lutherischen Bürgerfamilie in Velké Meziříčí.
„Sarkander kaufte ein Haus in Brünn, auf dem Kohlmarkt, und wurde in die Bürgerschaft der Stadt aufgenommen. Das war im Frühling 1606. Im September heiratete er Anna Plachetská. Das belegt ein Eintrag im Stadtbuch auf Tschechisch. Die Ehe dauerte nicht lange. Ein Jahr später verkaufte Sarkander sein Haus in Brünn schon wieder. Wir haben keine Belege dazu, nehmen aber an, dass seine junge Ehefrau gestorben war.“
Nach dem Tod seiner Frau nahm Sarkander sein Theologiestudium in Graz wieder auf. 1609 wurde er in Brünn zum Priester geweiht. Danach war er seelsorglich in mehreren Pfarrgemeinden tätig: in Opava / Troppau, Charváty / Charwath bei Olmütz, Uničov / Mährisch Neustadt, Zdounky / Zdounek, Boskovice / Boskowitz und schließlich in Holešov /Holleschau.„Ich habe alle Orte besucht, an denen Sarkander gewesen ist – also wo er zur Welt kam, wo er studiert und gelebt hat sowie dort, wo er gestorben ist. Ich wollte jeweils die Atmosphäre aufsaugen. Nur eine Reise nach Graz ist mir nicht gelungen. Die Besuche haben mich beim Schreiben inspiriert, insbesondere der Aufenthalt in Sarkanders Geburtsort im polnischen Skoczów.“
Der Märtyrer
Die Wirren des Dreißigjährigen Krieges und die damaligen Streitigkeiten zwischen Katholiken und Protestanten trafen auch den katholischen Pfarrer. 1619 schloss sich Mähren dem Aufstand der böhmischen Stände gegen die Habsburger an. Sarkander war damals als Pfarrer in Holleschau tätig. Sein Herr, der katholische Landeshauptmann von Mähren Ladislav Popel von Lobkowitz, wurde von den protestantischen Adeligen seines Amtes enthoben und festgenommen. Sarkander ging daraufhin auf eine Wallfahrt zur Jungfrau Maria von Czenstochowa / Tschenstochau und hielt sich auch kurz in Krakau auf. Deswegen wurde er verdächtigt, als Botschafter des Habsburger Kaisers die Truppen des Kommandanten von Lisów zur Hilfe gerufen zu haben. Der Verdacht verstärkte sich, als Holleschau von Plünderungen durch die Kosakenheere verschont blieb.
Eine Legende erzählt nämlich, Sarkander sei mit einer Prozession dem heranziehenden Heer entgegengegangen. Als die Soldaten die Prozession und den Priester mit der Monstranz mit dem Allerheiligsten sahen, seien sie von den Pferden gestiegen und hätten niedergekniet. Sarkander wurde daraufhin verhaftet, nach Olmütz gebracht und des Landesverrats angeklagt. Während der Verhöre wurde ihm zudem vorgeworfen, als Beichtvater des mährischen Landeshauptmanns Lobkowitz von dessen Plänen gewusst zu haben. Man drängte ihn, das Beichtgeheimnis zu verletzen und die Worte von Lobkowicz zu verraten. Sarkander weigerte sich und wurde grausam gefoltert. Am 17. März starb der Priester an den Folgen der unmenschlichen Behandlung im Stadtgefängnis von Olmütz. Sarkanders Märtyrertod wurde schnell in ganz Europa bekannt. Sehr bald schon begann seine Verehrung. In Mähren entstanden zahlreiche Bilder und Standbilder von ihm. Ein Verfahren zu seiner Beatifikation wurde schon 1715 aufgenommen, dauerte aber fast anderthalb Jahrhunderte. Die Zeremonie der Seligsprechung fand am 6. Mai 1860 im Petersdom statt. Der Prozess der Kanonisierung wurde auf Antrag der Bischöfe von Olmütz und Kattowitz 1981 aufgenommen. 1993 verkündete dann Papst Johannes Paul II., den seligen Johannes Sarkander in das Verzeichnis der Heiligen aufzunehmen. Am 21. Mai 1995 sprach das Kirchenoberhaupt während seiner zweiten Pastoralreise nach Tschechien den Märtyrer in Olmütz heilig.Der Heilige
Wegen der blutigen religiösen Auseinandersetzungen der Zeit, in der Johannes Sarkander lebte, wurde seine Heiligsprechung von der tschechischen Gesellschaft zu Ende des 20. Jahrhunderts gewissermaßen als umstritten wahrgenommen. Tschechische Protestanten stellten sich dagegen. Johannes Paul II. rief in seiner Ansprache, die katholischen und protestantischen Gläubigen in Tschechien zur Versöhnung auf:
„Ich, der Papst der römischen Kirche, bitte heute im Namen aller Katholiken um Vergebung für das Unrecht, das an Nichtkatholiken in der bewegten Geschichte dieses Volkes verübt wurde; gleichzeitig will ich versichern, dass die katholische Kirche jedes Böse vergibt, das wiederum ihre Kinder erleiden mussten. Möge der heutige Tag ein neuer Anfang sein im gemeinsamen Streben, Christus, seinem Evangelium, seinem Liebesgesetz und seiner Sehnsucht nach der Einheit der Gläubigen in Christus zu folgen: ‚Alle sollen eins sein‘ (Johannes 17,21).“Am Ort Sarkanders Martyriums im ehemaligen Stadtgefängnis von Olmütz steht heute die Sarkander-Kapelle. Drei ihm geweihte Kapellen befinden sich auch in seiner Geburtsstadt Skotschau. An Sarkanders letzter Seelsorgestelle Holleschau erinnern mehrere Statuen sowie ein Altar in der dortigen Kirche an den Heiligen. Im Mai soll dort eine Gedenkstätte mit einer Ausstellung über Sarkanders Schicksal und seine Zeit eingerichtet werden.