Denkmalamt startet Projekt: „Moderne Architektur in historischen Städten“

Tanzendes Haus

Darf man in historischen Städten moderne Gebäude errichten? Diese Frage beschäftigt Denkmalschützer, Architekten und Investoren gleichermaßen. Nicht selten kommt es dabei auch zu Konflikten zwischen den verschiedenen Interessensgruppen. Das Nationale Denkmalamt hat nun ein Projekt gestartet, das den Umgang mit modernen Bauten im historischen Umfeld erstmals umfassend dokumentiert.

Denkmalschutz wird oft mit dem Bewahren der historischen Bausubstanz und der Ablehnung sämtlicher Neubauten in historischen Stadtkernen gleichgesetzt. Dieser Sichtweise widerspricht Naděžda Goryczková, die Generaldirektorin des Nationalen Denkmalamtes:

„Das Nationale Denkmalamt und wir Denkmalschützer sind nicht gegen moderne Architektur. Aber nicht jedes historische Ensemble kann Neubauten aufnehmen. Und wenn doch, dann muss das Bauwerk eine gewisse architektonische Qualität aufweisen und einen Mehrwert für das historische Umfeld bedeuten.“

Telč
Auf jeden Fall komme es auf eine genaue Betrachtung jedes Einzelfalls an, betont die Leiterin des Denkmalamtes. Einige historische Stadtensembles würden überhaupt keine Veränderungen durch moderne Gebäude vertragen:

„Das betrifft aber nur ganz wenige Orte. Zum Beispiel die historischen Stadtkerne von Český Krumlov / Krumau oder Telč / Teltsch. Daneben gibt es aber eine Reihe von sehr wertvollen denkmalgeschützten Städten, die eindeutig geeignet sind, neue Architektur aufzunehmen. Ein Beispiel dafür ist die Prager Denkmalschutzzone.“

Tanzendes Haus
Als positives Beispiel für die gelungene Errichtung eines modernen Gebäudes inmitten des Prager Stadtzentrums nennt Goryczková das Tanzende Haus am Moldauufer, das 1996 nach Plänen der Architekten Vlado Milunić und Frank O. Gehry errichtet wurde. Sehr kritisch äußern sich die Denkmalschützer hingegen zu den zahlreichen in den letzten Jahren neu entstandenen innerstädtischen Einkaufspassagen in den tschechischen Großstädten. Sie würden oft die Baudichte und die Bauhöhe nicht respektieren und so die umliegenden historischen Gebäude regelrecht erdrücken. Ein schlechtes Beispiel für den Umgang mit moderner Architektur im historischen Umfeld sei auch die nordböhmische Stadt Liberec / Reichenberg. Zwar seien in den ersten Jahren nach der politischen Wende viele historische Gebäude renoviert worden, so Jiří Křížek vom Reichenberger Denkmalamt:

Abriss des Einkaufszentrums Ještěd in Liberec  (Foto: Matěj Baťha,  www.wikimedia.org)
„Aber ab dem Jahr 1995 war ein starkes Auftreten von Baufirmen und Immobilien-Entwicklern zu verzeichnen, die sich auf die Freiflächen im Zentrum gestürzt haben oder überhaupt historische Gebäude abreißen ließen.“

Dadurch sei das historische Ensemble von Liberec heute durch eine Reihe von gesichtslosen Kommerzbauten stark beeinträchtigt. Dazu beigetragen habe auch die Stadtverwaltung, die in Sachen Raumplanung völlig versagt habe. Durch den Abriss des Einkaufszentrums Ještěd sei außerdem ein herausragendes Beispiel tschechoslowakischer Architektur der 1970er-Jahre sinnlos zerstört worden, kritisiert Denkmalschützer Křížek.