Der goldhaarige König und seine Schuhe: Ausstellung über Ladislaus Posthumus
Mit der Geschichte des Ortes, der mehr als 1000 Jahre lang böhmischer Herrschersitz war und dann Residenz der Staatspräsidenten wurde, macht eine große Dauerausstellung bekannt. Sie wurde vor vier Jahren unter dem Titel „Geschichte der Prager Burg“ eröffnet. Die Ausstellung im alten königlichen Palais auf dem Prager Hradschin wurde einige Male inzwischen ergänzt. So kamen vor kurzem einige Gegenstände hinzu, die an einen weniger bekannten böhmischen König erinnern. Ladislaus Posthumus regierte nämlich nicht lange. Der Herrscher ist im Alter von 17 Jahren vor mehr als 550 Jahren gestorben.
Die Jagiellonen-Gotik wurde bislang im alten königlichen Palast auf dem dritten Burghof durch Gegenstände dokumentiert, die aus der Zeit der böhmischen Könige Georg von Podiebrad, Vladislav Jagiello und Ludwig Jagiello stammten. Nun kann man sich auch eine Vorstellung über das Leben unter ihrem Vorgänger auf dem böhmischen Thron machen: Ladislav Pohrobek, wie Ladislaus Posthumus im Tschechischen genannt wird. Er war der Enkelsohn des letzten Luxemburgers auf dem böhmischen Thron – Sigismund. Dessen einzige Tochter Elisabeth war mit Albrecht von Habsburg verheiratet, und so wählten die böhmischen Stände diesen 1437 zum böhmischen König. Zwei Jahre später starb Albrecht wahrscheinlich an der Pest. Sein Sohn Ladislav – oder Ladislaus – kam am 22. Februar 1440 in Komárno zur Welt. Die Kuratorin der Ausstellung, Sylvie Novotná, bemerkt:
„Ladislav hat seinen Vater nie gesehen, denn er kam 118 Tage nach dessen Tod zur Welt. Aus dem Grund wird er Posthumus, also Pohrobek genannt. In Böhmen herrschte er de jure seit seiner Kindheit, aber faktisch fast nicht. Nach Böhmen kam er im Jahre seines Todes – im Jahre 1457, als er seine Hochzeit mit der französischen Prinzessin Madeleine vorbereitete. Sie schaffte es aber nicht mehr nach Böhmen zu kommen, weil Ladislav sehr plötzlich starb.“
Milena Bravermanová ist Kuratorin der Textilsammlungen auf der Prager Burg. Sie war dabei, als einige Ausstellungsgegenstände restauriert wurden, mit denen und in denen der junge Herrscher vor 550 Jahren bestattet wurde:
„Ladislaus Posthumus war sehr jung, als er starb, er gerade einmal 17. Als er inmitten der Vorbereitungen auf seine eigene Hochzeit starb, dachte man, dass er Opfer einer Pestepidemie geworden war. Aus dem Grund wurde er nicht einbalsamiert. Jeder fürchtete sich, ihn zu berühren. Bald tauchten jedoch andere Spekulationen auf, und zwar dass er vergiftet worden sei. Unter den Verdächtigen war damals auch der spätere König, Georg von Podiebrad. Diese Vermutung wurde auch weiterhin verbreitet. Die Spekulationen wurden erst vor kurzem durch anthropologische Forschungen von Professor Emanuel Vlček widerlegt. Vlček bewies, dass Ladislav an Leukämie starb. Er war nur drei Tage krank, der Tod kam wirklich sehr schnell.“
Die Bestattungszeremonie war aus den erwähnten Gründen sehr schnell, Ladislav wurde in der alten königlichen Gruft beigesetzt. Diese befand sich im Chor des St. Veitsdoms. Ende des 16. Jahrhunderts wurde jedoch eine neue Gruft errichtet, die einige Meter westlicher lag. Dorthin wurden die sterblichen Überreste aller böhmischen Herrscher übertragen, sagt Milena Bravermanová:
„Die neue Gruft wurde während der Jahrhunderte sehr oft besucht: Jeder, der sie besichtigte, hinterließ Berichte darüber. Was den Sarg von Ladislav Pohrobek anbelangt, merkten alle mit Verwunderung an, dass sie im Sarg das schöne goldene Haar des Königs sehen konnten. Zudem beschrieben sie, dass der König ein langes buntes Gewand aus Samt trug. Als die Krypta Anfang des 20. Jahrhunderts rekonstruiert wurde, wurde die Begräbnisausstattung der Könige herausgenommen. Nach der Renovierung der Grabstätte wurden dann nur die sterblichen Überreste in neue Särge gelegt, jedoch ohne Begräbnisausstattungen.“
Viele der wertvollen Gegenstände, die aus der königlichen Gruft stammten, wurden in den 70er Jahren nicht gerade bestens restauriert. Einige Sachen waren zudem schon bald nach dem Fund verloren gegangen. Ladislav Posthumus war in einem Gewand bestattet worden, das aus sehr kleinen Stückchen Samt zusammengenäht war. Bis auf Ausnahmen sind keine Fäden erhalten geblieben, sodass auch die Experten nicht wussten, wie die Kleidung einst aussah, sagt Milena Bravermanová:
„Ich meinte ursprünglich, dass es sich um ein modisches weltliches, und nicht um ein zeremonielles Gewand handelte, in dem die Herrscher üblicher Weise bestattet wurden. Wir wussten zudem, dass viel von dem Material, das dank den früheren Besuchern der Gruft dokumentiert wurde, verloren gegangen ist. Wir hatten Glück, dass wir in den Gewandfalten Futterreste fanden. Die Form des Futters bewies, dass auch Ladislav in einem Zeremoniengewand beigesetzt wurde.“
Könige wurden nämlich in einer Dalmatika mit dem Pluviale, also einem Kirchengewand bestattet. Denn der König erhielt bei der Krönung eine niedrigere Priesterweihe und damit stand er irgendwo zwischen der weltlichen und der kirchlichen Macht. Von den Fragmenten der Grabausstattung, mit denen die Experten um Milena Bravermanová arbeiteten, gelang es einige auszusortieren, die ganze Schuhe darstellten, in denen die Herrscher damals beigesetzt wurden. Viele solcher Schuhe gibt es auf der Welt nicht mehr, sagt Bravermanová. In der Ausstellung kann man heute also die restaurierten Schuhe, das Gewand sowie ein Polster besichtigen, alles aus der Grabausstattung von Ladislav Posthumus. Die Restaurierung der Gegenstände hat der Expertin zufolge einige Jahre lang gedauert.
Neben der Ausstellung über Ladislav Posthumus wurde noch eine neue Ausstellung im Krönungsarchiv des Palastes eröffnet, die die Arbeit der Restauratoren aus den Werkstätten auf der Prager Burg zeigt. Diese Werkstätten wurden erst spät nach der Wende von 1989 gegründet, nachdem die Experten festgestellt hatten, was für eine wertvolle Sammlung von Textilien sich auf der Burg befindet: Sie umfasst etwa 50 Barockgobelins und rund 650 mit Hand gewobene Teppiche. Zudem müssen auf der Burg circa 1000 Kirchengewänder instand gehalten werden. Die Verwaltung der Burg kümmert sich des Weiteren um eine Sammlung, die in Tschechien einzigartig und im Weltmaßstab sehr wertvoll ist. Es handelt sich um eine Sammlung von archäologischen Textilien, die bei den archäologischen Forschungen auf der Prager Burg gefunden wurden. Sie stammen aus Gräbern der Herrscher sowie der kirchlichen Würdenträger. Diese Sammlung war in sehr schlechtem Zustand, war nicht dokumentiert, sagt die Restauratorin Alžběta Brabcová:
„Mitte der 90er Jahre begannen wir zu überlegen, was wir mit diesen wertvollen Gegenständen machen könnten. Wir wandten uns an Experten im Ausland. Große Hilfe bot uns das größte Zentrum für die Restaurierung historischer Textilien in der Welt an – die Werner Abegg-Stiftung in Riggisberg bei Bern. Sie haben einige Textilien für uns restauriert, halfen uns mit Ratschlägen, wie die Werkstätten auszustatten sind, und sie unterstützen uns bis heute.“
Alžběta Brabcová hat unter anderem auch das wertvolle Schuhpaar von Ladislav Pohrobek restauriert. Die Ausstellung über die Restauratorenwerkstätte ist bis Ende Juni dieses Jahres im Krönungsarchiv zu sehen. Die restaurierte Grabausstattung von Ladislav Posthumus ist Bestandteil der Dauerausstellung geworden.
Fotos: www.pribeh-hradu.cz